Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Buch.
wie die Zeitgenossen versichern, überall an ihren Grenzen
den gemeinen Mann an sich gezogen haben. Welche Ge-
danken in den Leuten umgiengen, davon zeugte ein Bauer,
der während der Friedensverhandlungen zu Basel in den
Kleidern des erschlagenen Grafen von Fürstenberg erschien:
"wir sind die Bauern," sagte er, "welche die Edelleute
strafen." Mit jener Unterdrückung war der Bundschuh
keineswegs vernichtet. Im Jahr 1502 kam man ihm zu
Bruchsal auf die Spur, von wo aus die Verbündeten die
nähern Ortschaften schon an sich gezogen hatten und sich
nun in die entferntern ausbreiteten. Sie behaupteten, auf
eine Anfrage bei den Schweizern die Versicherung bekom-
men zu haben, die Eidgenossenschaft werde der Gerech-
tigkeit helfen und Leib und Leben bei ihnen zusetzen. Ihre
Ideen hatten zugleich etwas Religiöses, Schwärmerisches.
Alle Tage sollte ein Jeder fünf Vaterunser und Avemarien
beten: ihr Feldgeschrei sollte seyn: unsre Frau: sie wollten
erst Bruchsal einnehmen, und dann fortziehn, fort und im-
mer fort, und an keinem Ort mehr als 24 Stunden ver-
weilen: der gesammte Bauersmann im Reich werde ihnen
zufallen, daran sey kein Zweifel, alle Menschen müsse man
in das Bündniß bringen und damit die Gerechtigkeit Got-
tes auf Erden einführen. 1 Die schon zusammengetretenen
Bauern wurden aus einander gesprengt, ihre Anführer mit
dem Tode bestraft.

Schon oft hatten die Reichsgewalten an die Gefahr
dieser Regungen gedacht. Unter den Artikeln, welche die
Churfürsten auf ihrem Reichstag zu Gelnhausen vorzuneh-
men gedachten, betraf einer die Nothwendigkeit einer Er-

1 Frankfurter Acten Bd XX. Baselii Auctarium p. 997.

Erſtes Buch.
wie die Zeitgenoſſen verſichern, überall an ihren Grenzen
den gemeinen Mann an ſich gezogen haben. Welche Ge-
danken in den Leuten umgiengen, davon zeugte ein Bauer,
der während der Friedensverhandlungen zu Baſel in den
Kleidern des erſchlagenen Grafen von Fürſtenberg erſchien:
„wir ſind die Bauern,“ ſagte er, „welche die Edelleute
ſtrafen.“ Mit jener Unterdrückung war der Bundſchuh
keineswegs vernichtet. Im Jahr 1502 kam man ihm zu
Bruchſal auf die Spur, von wo aus die Verbündeten die
nähern Ortſchaften ſchon an ſich gezogen hatten und ſich
nun in die entferntern ausbreiteten. Sie behaupteten, auf
eine Anfrage bei den Schweizern die Verſicherung bekom-
men zu haben, die Eidgenoſſenſchaft werde der Gerech-
tigkeit helfen und Leib und Leben bei ihnen zuſetzen. Ihre
Ideen hatten zugleich etwas Religiöſes, Schwärmeriſches.
Alle Tage ſollte ein Jeder fünf Vaterunſer und Avemarien
beten: ihr Feldgeſchrei ſollte ſeyn: unſre Frau: ſie wollten
erſt Bruchſal einnehmen, und dann fortziehn, fort und im-
mer fort, und an keinem Ort mehr als 24 Stunden ver-
weilen: der geſammte Bauersmann im Reich werde ihnen
zufallen, daran ſey kein Zweifel, alle Menſchen müſſe man
in das Bündniß bringen und damit die Gerechtigkeit Got-
tes auf Erden einführen. 1 Die ſchon zuſammengetretenen
Bauern wurden aus einander geſprengt, ihre Anführer mit
dem Tode beſtraft.

Schon oft hatten die Reichsgewalten an die Gefahr
dieſer Regungen gedacht. Unter den Artikeln, welche die
Churfürſten auf ihrem Reichstag zu Gelnhauſen vorzuneh-
men gedachten, betraf einer die Nothwendigkeit einer Er-

1 Frankfurter Acten Bd XX. Baselii Auctarium p. 997.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0234" n="216"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Er&#x017F;tes Buch</hi>.</fw><lb/>
wie die Zeitgeno&#x017F;&#x017F;en ver&#x017F;ichern, überall an ihren Grenzen<lb/>
den gemeinen Mann an &#x017F;ich gezogen haben. Welche Ge-<lb/>
danken in den Leuten umgiengen, davon zeugte ein Bauer,<lb/>
der während der Friedensverhandlungen zu Ba&#x017F;el in den<lb/>
Kleidern des er&#x017F;chlagenen Grafen von Für&#x017F;tenberg er&#x017F;chien:<lb/>
&#x201E;wir &#x017F;ind die Bauern,&#x201C; &#x017F;agte er, &#x201E;welche die Edelleute<lb/>
&#x017F;trafen.&#x201C; Mit jener Unterdrückung war der Bund&#x017F;chuh<lb/>
keineswegs vernichtet. Im Jahr 1502 kam man ihm zu<lb/>
Bruch&#x017F;al auf die Spur, von wo aus die Verbündeten die<lb/>
nähern Ort&#x017F;chaften &#x017F;chon an &#x017F;ich gezogen hatten und &#x017F;ich<lb/>
nun in die entferntern ausbreiteten. Sie behaupteten, auf<lb/>
eine Anfrage bei den Schweizern die Ver&#x017F;icherung bekom-<lb/>
men zu haben, die Eidgeno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft werde der Gerech-<lb/>
tigkeit helfen und Leib und Leben bei ihnen zu&#x017F;etzen. Ihre<lb/>
Ideen hatten zugleich etwas Religiö&#x017F;es, Schwärmeri&#x017F;ches.<lb/>
Alle Tage &#x017F;ollte ein Jeder fünf Vaterun&#x017F;er und Avemarien<lb/>
beten: ihr Feldge&#x017F;chrei &#x017F;ollte &#x017F;eyn: un&#x017F;re Frau: &#x017F;ie wollten<lb/>
er&#x017F;t Bruch&#x017F;al einnehmen, und dann fortziehn, fort und im-<lb/>
mer fort, und an keinem Ort mehr als 24 Stunden ver-<lb/>
weilen: der ge&#x017F;ammte Bauersmann im Reich werde ihnen<lb/>
zufallen, daran &#x017F;ey kein Zweifel, alle Men&#x017F;chen mü&#x017F;&#x017F;e man<lb/>
in das Bündniß bringen und damit die Gerechtigkeit Got-<lb/>
tes auf Erden einführen. <note place="foot" n="1">Frankfurter Acten Bd <hi rendition="#aq">XX. Baselii Auctarium p.</hi> 997.</note> Die &#x017F;chon zu&#x017F;ammengetretenen<lb/>
Bauern wurden aus einander ge&#x017F;prengt, ihre Anführer mit<lb/>
dem Tode be&#x017F;traft.</p><lb/>
          <p>Schon oft hatten die Reichsgewalten an die Gefahr<lb/>
die&#x017F;er Regungen gedacht. Unter den Artikeln, welche die<lb/>
Churfür&#x017F;ten auf ihrem Reichstag zu Gelnhau&#x017F;en vorzuneh-<lb/>
men gedachten, betraf einer die Nothwendigkeit einer Er-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0234] Erſtes Buch. wie die Zeitgenoſſen verſichern, überall an ihren Grenzen den gemeinen Mann an ſich gezogen haben. Welche Ge- danken in den Leuten umgiengen, davon zeugte ein Bauer, der während der Friedensverhandlungen zu Baſel in den Kleidern des erſchlagenen Grafen von Fürſtenberg erſchien: „wir ſind die Bauern,“ ſagte er, „welche die Edelleute ſtrafen.“ Mit jener Unterdrückung war der Bundſchuh keineswegs vernichtet. Im Jahr 1502 kam man ihm zu Bruchſal auf die Spur, von wo aus die Verbündeten die nähern Ortſchaften ſchon an ſich gezogen hatten und ſich nun in die entferntern ausbreiteten. Sie behaupteten, auf eine Anfrage bei den Schweizern die Verſicherung bekom- men zu haben, die Eidgenoſſenſchaft werde der Gerech- tigkeit helfen und Leib und Leben bei ihnen zuſetzen. Ihre Ideen hatten zugleich etwas Religiöſes, Schwärmeriſches. Alle Tage ſollte ein Jeder fünf Vaterunſer und Avemarien beten: ihr Feldgeſchrei ſollte ſeyn: unſre Frau: ſie wollten erſt Bruchſal einnehmen, und dann fortziehn, fort und im- mer fort, und an keinem Ort mehr als 24 Stunden ver- weilen: der geſammte Bauersmann im Reich werde ihnen zufallen, daran ſey kein Zweifel, alle Menſchen müſſe man in das Bündniß bringen und damit die Gerechtigkeit Got- tes auf Erden einführen. 1 Die ſchon zuſammengetretenen Bauern wurden aus einander geſprengt, ihre Anführer mit dem Tode beſtraft. Schon oft hatten die Reichsgewalten an die Gefahr dieſer Regungen gedacht. Unter den Artikeln, welche die Churfürſten auf ihrem Reichstag zu Gelnhauſen vorzuneh- men gedachten, betraf einer die Nothwendigkeit einer Er- 1 Frankfurter Acten Bd XX. Baselii Auctarium p. 997.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/234
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/234>, abgerufen am 12.05.2024.