Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Buch. Drittes Capitel.
schläge zu einer sehr ins Einzelne gehenden Reformation.
Die Feiertage sollen beschränkt, die Pfarrer regelmäßig be-
soldet, ordentliche Prediger eingesetzt, die Fasten nur wenige
Tage im Jahr beobachtet, die absonderlichen Trachten in
den Klöstern aufgehoben werden; -- eine jährliche Zusam-
menkunft der Bischöfe soll die allgemeinen Angelegenheiten
der deutschen Kirche besorgen. Ja die Idee erhebt sich, durch
Gottes besondre Veranstaltung werde sich jetzt ein christliches
Wesen von der deutschen Nation nach aller Welt hin aus-
breiten, wie einst aus Judäa. Dazu sey in ihr ein Same
alles Guten, ohne bemerkt zu werden, aufgegangen: "sub-
tile Sinne, scharfe Gedanken, meisterliche Arbeit in allen
Handwerken, Erkenntniß aller Schrift und Sprache, die
nützliche Kunst der Buchdruckerei, Begierde evangelischer
Lehre, Gefallen an Wahrheit und Ehrbarkeit." Dazu sey
auch Deutschland dem römischen Kaiser gehorsam geblie-
ben. 1 Alle Hofnungen wandten sich auf Carl V: der
eben den Rhein heraufzog. Auch die, welche sich der Be-
wegung widersetzen, wünschen ihm doch die Weisheit Sa-

Ende: Gedruckt zu Hagenaw durch Thomam Anshelm in dem Hor-
nung 1521.
1 Ein klägliche klag an den christlichen Röm. Kayser Caro-
lum von wegen Doctor Luthers und Ulrich von Hutten etc. die un-
ter dem Titel der funfzehn Bundesgenossen bekannte Schrift. Pan-
zer Annalen der ältern d. Literatur II, p. 39 hat nachgewiesen, daß
sie von Eberlin von Günzburg ist. -- In der Epistola Vdelonis Cym-
bri Cusani de exustione librorum Lutheri
1520 wird der Gegen-
satz zwischen Römern und Deutschen folgendermaaßen gefaßt: Nos
Christum, vos chrysum, nos publicum commodum, vos privatum
luxum colitis, vos vestram avaritiam -- et extremam libidinem,
nostram nos innocentiam et libertatem tuentes pro suis quisque
bonis animose pugnabimus.

Zweites Buch. Drittes Capitel.
ſchläge zu einer ſehr ins Einzelne gehenden Reformation.
Die Feiertage ſollen beſchränkt, die Pfarrer regelmäßig be-
ſoldet, ordentliche Prediger eingeſetzt, die Faſten nur wenige
Tage im Jahr beobachtet, die abſonderlichen Trachten in
den Klöſtern aufgehoben werden; — eine jährliche Zuſam-
menkunft der Biſchöfe ſoll die allgemeinen Angelegenheiten
der deutſchen Kirche beſorgen. Ja die Idee erhebt ſich, durch
Gottes beſondre Veranſtaltung werde ſich jetzt ein chriſtliches
Weſen von der deutſchen Nation nach aller Welt hin aus-
breiten, wie einſt aus Judäa. Dazu ſey in ihr ein Same
alles Guten, ohne bemerkt zu werden, aufgegangen: „ſub-
tile Sinne, ſcharfe Gedanken, meiſterliche Arbeit in allen
Handwerken, Erkenntniß aller Schrift und Sprache, die
nützliche Kunſt der Buchdruckerei, Begierde evangeliſcher
Lehre, Gefallen an Wahrheit und Ehrbarkeit.“ Dazu ſey
auch Deutſchland dem römiſchen Kaiſer gehorſam geblie-
ben. 1 Alle Hofnungen wandten ſich auf Carl V: der
eben den Rhein heraufzog. Auch die, welche ſich der Be-
wegung widerſetzen, wünſchen ihm doch die Weisheit Sa-

Ende: Gedruckt zu Hagenaw durch Thomam Anshelm in dem Hor-
nung 1521.
1 Ein klaͤgliche klag an den chriſtlichen Roͤm. Kayſer Caro-
lum von wegen Doctor Luthers und Ulrich von Hutten ꝛc. die un-
ter dem Titel der funfzehn Bundesgenoſſen bekannte Schrift. Pan-
zer Annalen der aͤltern d. Literatur II, p. 39 hat nachgewieſen, daß
ſie von Eberlin von Guͤnzburg iſt. — In der Epistola Vdelonis Cym-
bri Cusani de exustione librorum Lutheri
1520 wird der Gegen-
ſatz zwiſchen Roͤmern und Deutſchen folgendermaaßen gefaßt: Nos
Christum, vos chrysum, nos publicum commodum, vos privatum
luxum colitis, vos vestram avaritiam — et extremam libidinem,
nostram nos innocentiam et libertatem tuentes pro suis quisque
bonis animose pugnabimus.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0464" n="446"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Buch. Drittes Capitel</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;chläge zu einer &#x017F;ehr ins Einzelne gehenden Reformation.<lb/>
Die Feiertage &#x017F;ollen be&#x017F;chränkt, die Pfarrer regelmäßig be-<lb/>
&#x017F;oldet, ordentliche Prediger einge&#x017F;etzt, die Fa&#x017F;ten nur wenige<lb/>
Tage im Jahr beobachtet, die ab&#x017F;onderlichen Trachten in<lb/>
den Klö&#x017F;tern aufgehoben werden; &#x2014; eine jährliche Zu&#x017F;am-<lb/>
menkunft der Bi&#x017F;chöfe &#x017F;oll die allgemeinen Angelegenheiten<lb/>
der deut&#x017F;chen Kirche be&#x017F;orgen. Ja die Idee erhebt &#x017F;ich, durch<lb/>
Gottes be&#x017F;ondre Veran&#x017F;taltung werde &#x017F;ich jetzt ein chri&#x017F;tliches<lb/>
We&#x017F;en von der deut&#x017F;chen Nation nach aller Welt hin aus-<lb/>
breiten, wie ein&#x017F;t aus Judäa. Dazu &#x017F;ey in ihr ein Same<lb/>
alles Guten, ohne bemerkt zu werden, aufgegangen: &#x201E;&#x017F;ub-<lb/>
tile Sinne, &#x017F;charfe Gedanken, mei&#x017F;terliche Arbeit in allen<lb/>
Handwerken, Erkenntniß aller Schrift und Sprache, die<lb/>
nützliche Kun&#x017F;t der Buchdruckerei, Begierde evangeli&#x017F;cher<lb/>
Lehre, Gefallen an Wahrheit und Ehrbarkeit.&#x201C; Dazu &#x017F;ey<lb/>
auch Deut&#x017F;chland dem römi&#x017F;chen Kai&#x017F;er gehor&#x017F;am geblie-<lb/>
ben. <note place="foot" n="1">Ein kla&#x0364;gliche klag an den chri&#x017F;tlichen Ro&#x0364;m. Kay&#x017F;er Caro-<lb/>
lum von wegen Doctor Luthers und Ulrich von Hutten &#xA75B;c. die un-<lb/>
ter dem Titel der funfzehn Bundesgeno&#x017F;&#x017F;en bekannte Schrift. Pan-<lb/>
zer Annalen der a&#x0364;ltern d. Literatur <hi rendition="#aq">II, p.</hi> 39 hat nachgewie&#x017F;en, daß<lb/>
&#x017F;ie von Eberlin von Gu&#x0364;nzburg i&#x017F;t. &#x2014; In der <hi rendition="#aq">Epistola Vdelonis Cym-<lb/>
bri Cusani de exustione librorum Lutheri</hi> 1520 wird der Gegen-<lb/>
&#x017F;atz zwi&#x017F;chen Ro&#x0364;mern und Deut&#x017F;chen folgendermaaßen gefaßt: <hi rendition="#aq">Nos<lb/>
Christum, vos chrysum, nos publicum commodum, vos privatum<lb/>
luxum colitis, vos vestram avaritiam &#x2014; et extremam libidinem,<lb/>
nostram nos innocentiam et libertatem tuentes pro suis quisque<lb/>
bonis animose pugnabimus.</hi></note> Alle Hofnungen wandten &#x017F;ich auf Carl <hi rendition="#aq">V:</hi> der<lb/>
eben den Rhein heraufzog. Auch die, welche &#x017F;ich der Be-<lb/>
wegung wider&#x017F;etzen, wün&#x017F;chen ihm doch die Weisheit Sa-<lb/><note xml:id="seg2pn_39_2" prev="#seg2pn_39_1" place="foot" n="2">Ende: Gedruckt zu Hagenaw durch Thomam Anshelm in dem Hor-<lb/>
nung 1521.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[446/0464] Zweites Buch. Drittes Capitel. ſchläge zu einer ſehr ins Einzelne gehenden Reformation. Die Feiertage ſollen beſchränkt, die Pfarrer regelmäßig be- ſoldet, ordentliche Prediger eingeſetzt, die Faſten nur wenige Tage im Jahr beobachtet, die abſonderlichen Trachten in den Klöſtern aufgehoben werden; — eine jährliche Zuſam- menkunft der Biſchöfe ſoll die allgemeinen Angelegenheiten der deutſchen Kirche beſorgen. Ja die Idee erhebt ſich, durch Gottes beſondre Veranſtaltung werde ſich jetzt ein chriſtliches Weſen von der deutſchen Nation nach aller Welt hin aus- breiten, wie einſt aus Judäa. Dazu ſey in ihr ein Same alles Guten, ohne bemerkt zu werden, aufgegangen: „ſub- tile Sinne, ſcharfe Gedanken, meiſterliche Arbeit in allen Handwerken, Erkenntniß aller Schrift und Sprache, die nützliche Kunſt der Buchdruckerei, Begierde evangeliſcher Lehre, Gefallen an Wahrheit und Ehrbarkeit.“ Dazu ſey auch Deutſchland dem römiſchen Kaiſer gehorſam geblie- ben. 1 Alle Hofnungen wandten ſich auf Carl V: der eben den Rhein heraufzog. Auch die, welche ſich der Be- wegung widerſetzen, wünſchen ihm doch die Weisheit Sa- 2 1 Ein klaͤgliche klag an den chriſtlichen Roͤm. Kayſer Caro- lum von wegen Doctor Luthers und Ulrich von Hutten ꝛc. die un- ter dem Titel der funfzehn Bundesgenoſſen bekannte Schrift. Pan- zer Annalen der aͤltern d. Literatur II, p. 39 hat nachgewieſen, daß ſie von Eberlin von Guͤnzburg iſt. — In der Epistola Vdelonis Cym- bri Cusani de exustione librorum Lutheri 1520 wird der Gegen- ſatz zwiſchen Roͤmern und Deutſchen folgendermaaßen gefaßt: Nos Christum, vos chrysum, nos publicum commodum, vos privatum luxum colitis, vos vestram avaritiam — et extremam libidinem, nostram nos innocentiam et libertatem tuentes pro suis quisque bonis animose pugnabimus. 2 Ende: Gedruckt zu Hagenaw durch Thomam Anshelm in dem Hor- nung 1521.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/464
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/464>, abgerufen am 21.05.2024.