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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Grundlegung des schmalkaldischen Bundes.
Züricher und Berner wurden als ein verrätherisches ketze-
risches Krämervolk, ihre Prediger als Kelchdiebe Seelenmör-
der bezeichnet; Zwingli, sagte man im Gebirg, sey ein Gott
der Lutherischen. Dem Eifer der dortigen Priester galten
zwinglische und lutherische Meinung noch gleich viel. War
auch der Bundesbrief mit Oestreich herausgegeben, so wurden
doch fortwährend neue Unterhandlungen gepflogen. Auf dem
Reichstag von Augsburg erschienen die Gesandten von Lucern
und Zug. Sie waren auf ihrer Reise von den Gleichge-
sinnten sehr ehrenvoll empfangen worden; in Augsburg
wohnten sie auf Befehl des Kaisers in dessen Nähe;
man bemerkte, daß sie ihm Schriften einreichten. An
ihren alten Verbündeten, Marx Sittich, Eck von Rei-
schach, Hans Jacob von Landau fanden sie auch jetzt Rück-
halt, und man trug sich aufs neue mit weitaussehenden
Plänen, wie Strasburg angegriffen, und den Eidgenossen,
die demselben zu Hülfe kommen würden, der Tod bereitet,
wie dann die reformirte Schweiz zugleich von Savoyen,
dem Rheinland und dem Gebirg angefallen werden solle. 1
Diese Dinge fanden um so mehr Glauben, da der Adel
von Savoyen wirklich zu einem Angriff auf Genf schritt,
und zu gleicher Zeit der Castellan von Musso mit sei-
nen emsischen Verwandten Graubünden anfiel. Die fünf
Orte hüteten sich wohl den Gefährdeten Hülfe zu leisten.
Die Walliser erklärten ohne Rückhalt, daß ihnen das des
Glaubens halber nicht zu thun sey. Natürlich beachte man

1 Christian Friedbold von St. Gallen, Augsburg 16 Juli in
Escher und Hottingers schweizerischem Archiv I, p. 433.
Ranke d. Gesch. III. 22

Grundlegung des ſchmalkaldiſchen Bundes.
Züricher und Berner wurden als ein verrätheriſches ketze-
riſches Krämervolk, ihre Prediger als Kelchdiebe Seelenmör-
der bezeichnet; Zwingli, ſagte man im Gebirg, ſey ein Gott
der Lutheriſchen. Dem Eifer der dortigen Prieſter galten
zwingliſche und lutheriſche Meinung noch gleich viel. War
auch der Bundesbrief mit Oeſtreich herausgegeben, ſo wurden
doch fortwährend neue Unterhandlungen gepflogen. Auf dem
Reichstag von Augsburg erſchienen die Geſandten von Lucern
und Zug. Sie waren auf ihrer Reiſe von den Gleichge-
ſinnten ſehr ehrenvoll empfangen worden; in Augsburg
wohnten ſie auf Befehl des Kaiſers in deſſen Nähe;
man bemerkte, daß ſie ihm Schriften einreichten. An
ihren alten Verbündeten, Marx Sittich, Eck von Rei-
ſchach, Hans Jacob von Landau fanden ſie auch jetzt Rück-
halt, und man trug ſich aufs neue mit weitausſehenden
Plänen, wie Strasburg angegriffen, und den Eidgenoſſen,
die demſelben zu Hülfe kommen würden, der Tod bereitet,
wie dann die reformirte Schweiz zugleich von Savoyen,
dem Rheinland und dem Gebirg angefallen werden ſolle. 1
Dieſe Dinge fanden um ſo mehr Glauben, da der Adel
von Savoyen wirklich zu einem Angriff auf Genf ſchritt,
und zu gleicher Zeit der Caſtellan von Muſſo mit ſei-
nen emſiſchen Verwandten Graubünden anfiel. Die fünf
Orte hüteten ſich wohl den Gefährdeten Hülfe zu leiſten.
Die Walliſer erklärten ohne Rückhalt, daß ihnen das des
Glaubens halber nicht zu thun ſey. Natürlich beachte man

1 Chriſtian Friedbold von St. Gallen, Augsburg 16 Juli in
Eſcher und Hottingers ſchweizeriſchem Archiv I, p. 433.
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[337/0353] Grundlegung des ſchmalkaldiſchen Bundes. Züricher und Berner wurden als ein verrätheriſches ketze- riſches Krämervolk, ihre Prediger als Kelchdiebe Seelenmör- der bezeichnet; Zwingli, ſagte man im Gebirg, ſey ein Gott der Lutheriſchen. Dem Eifer der dortigen Prieſter galten zwingliſche und lutheriſche Meinung noch gleich viel. War auch der Bundesbrief mit Oeſtreich herausgegeben, ſo wurden doch fortwährend neue Unterhandlungen gepflogen. Auf dem Reichstag von Augsburg erſchienen die Geſandten von Lucern und Zug. Sie waren auf ihrer Reiſe von den Gleichge- ſinnten ſehr ehrenvoll empfangen worden; in Augsburg wohnten ſie auf Befehl des Kaiſers in deſſen Nähe; man bemerkte, daß ſie ihm Schriften einreichten. An ihren alten Verbündeten, Marx Sittich, Eck von Rei- ſchach, Hans Jacob von Landau fanden ſie auch jetzt Rück- halt, und man trug ſich aufs neue mit weitausſehenden Plänen, wie Strasburg angegriffen, und den Eidgenoſſen, die demſelben zu Hülfe kommen würden, der Tod bereitet, wie dann die reformirte Schweiz zugleich von Savoyen, dem Rheinland und dem Gebirg angefallen werden ſolle. 1 Dieſe Dinge fanden um ſo mehr Glauben, da der Adel von Savoyen wirklich zu einem Angriff auf Genf ſchritt, und zu gleicher Zeit der Caſtellan von Muſſo mit ſei- nen emſiſchen Verwandten Graubünden anfiel. Die fünf Orte hüteten ſich wohl den Gefährdeten Hülfe zu leiſten. Die Walliſer erklärten ohne Rückhalt, daß ihnen das des Glaubens halber nicht zu thun ſey. Natürlich beachte man 1 Chriſtian Friedbold von St. Gallen, Augsburg 16 Juli in Eſcher und Hottingers ſchweizeriſchem Archiv I, p. 433. Ranke d. Geſch. III. 22

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/353>, abgerufen am 27.04.2024.