Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Anstand zu Frankfurt.
nen, der Krone Frankreich und des Hauses Östreich, der
Protestanten und der römischen Kirche, noch immer auch des
Papstthums und des Kaiserthums, der geistlichen und der welt-
lichen Gewalt, -- minder bedeutender zu geschweigen, -- und
jede Macht hat so viel Antheil an ihrem Streit, daß es der
Politik und dem Willen der Einzelnen fast unmöglich wird,
sich in einem consequenten, nach allen Seiten wohl erwoge-
nen Gange zu bewegen. Den verschiedenen Tendenzen wird
zuweilen freier Lauf gelassen, oder sie sind stark genug, sich
selber Bahn zu brechen, die Werkzeuge der höchsten Gewalt
unter ihren Einfluß zu bringen.

Eben hiedurch geschah es, daß die Politik des Kaisers
und des Hauses Östreich in einen inneren Conflict gerieth,
der die größten Gefahren in sich schloß, und aus dem man
schlechterdings herauszukommen suchen mußte.

Zuerst empfanden dieß die beiden diesseitigen Regierun-
gen, in Östreich und den Niederlanden.

König Ferdinand durfte nicht nur auf keine Hülfe deut-
scher Fürsten rechnen, wenn zwischen ihnen der Krieg aus-
brach, sondern er hätte in denselben thätig eingreifen müs-
sen. In diesem Falle würde auch König Franz sich schwer-
lich ruhig verhalten haben. Wenigstens der Landgraf sprach
noch immer von Erbietungen die man ihm von Frankreich
aus mache; er meinte, bei der Unsicherheit der Verhältnisse
welche die Äußerungen Helds kund gegeben, und der Ge-
fahr vom Kaiser angegriffen zu werden, könne man ihm
nicht verdeuken, wenn er die französischen Anträge nicht ganz
von der Hand weise.

In den Niederlanden sah man ein, welche Gefahr ein

Anſtand zu Frankfurt.
nen, der Krone Frankreich und des Hauſes Öſtreich, der
Proteſtanten und der römiſchen Kirche, noch immer auch des
Papſtthums und des Kaiſerthums, der geiſtlichen und der welt-
lichen Gewalt, — minder bedeutender zu geſchweigen, — und
jede Macht hat ſo viel Antheil an ihrem Streit, daß es der
Politik und dem Willen der Einzelnen faſt unmöglich wird,
ſich in einem conſequenten, nach allen Seiten wohl erwoge-
nen Gange zu bewegen. Den verſchiedenen Tendenzen wird
zuweilen freier Lauf gelaſſen, oder ſie ſind ſtark genug, ſich
ſelber Bahn zu brechen, die Werkzeuge der höchſten Gewalt
unter ihren Einfluß zu bringen.

Eben hiedurch geſchah es, daß die Politik des Kaiſers
und des Hauſes Öſtreich in einen inneren Conflict gerieth,
der die größten Gefahren in ſich ſchloß, und aus dem man
ſchlechterdings herauszukommen ſuchen mußte.

Zuerſt empfanden dieß die beiden dieſſeitigen Regierun-
gen, in Öſtreich und den Niederlanden.

König Ferdinand durfte nicht nur auf keine Hülfe deut-
ſcher Fürſten rechnen, wenn zwiſchen ihnen der Krieg aus-
brach, ſondern er hätte in denſelben thätig eingreifen müſ-
ſen. In dieſem Falle würde auch König Franz ſich ſchwer-
lich ruhig verhalten haben. Wenigſtens der Landgraf ſprach
noch immer von Erbietungen die man ihm von Frankreich
aus mache; er meinte, bei der Unſicherheit der Verhältniſſe
welche die Äußerungen Helds kund gegeben, und der Ge-
fahr vom Kaiſer angegriffen zu werden, könne man ihm
nicht verdeuken, wenn er die franzöſiſchen Anträge nicht ganz
von der Hand weiſe.

In den Niederlanden ſah man ein, welche Gefahr ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0135" n="123"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">An&#x017F;tand zu <placeName>Frankfurt</placeName></hi>.</fw><lb/>
nen, der Krone <placeName>Frankreich</placeName> und des Hau&#x017F;es Ö&#x017F;treich, der<lb/>
Prote&#x017F;tanten und der römi&#x017F;chen Kirche, noch immer auch des<lb/>
Pap&#x017F;tthums und des Kai&#x017F;erthums, der gei&#x017F;tlichen und der welt-<lb/>
lichen Gewalt, &#x2014; minder bedeutender zu ge&#x017F;chweigen, &#x2014; und<lb/>
jede Macht hat &#x017F;o viel Antheil an ihrem Streit, daß es der<lb/>
Politik und dem Willen der Einzelnen fa&#x017F;t unmöglich wird,<lb/>
&#x017F;ich in einem con&#x017F;equenten, nach allen Seiten wohl erwoge-<lb/>
nen Gange zu bewegen. Den ver&#x017F;chiedenen Tendenzen wird<lb/>
zuweilen freier Lauf gela&#x017F;&#x017F;en, oder &#x017F;ie &#x017F;ind &#x017F;tark genug, &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elber Bahn zu brechen, die Werkzeuge der höch&#x017F;ten Gewalt<lb/>
unter ihren Einfluß zu bringen.</p><lb/>
            <p>Eben hiedurch ge&#x017F;chah es, daß die Politik des Kai&#x017F;ers<lb/>
und des Hau&#x017F;es Ö&#x017F;treich in einen inneren Conflict gerieth,<lb/>
der die größten Gefahren in &#x017F;ich &#x017F;chloß, und aus dem man<lb/>
&#x017F;chlechterdings herauszukommen &#x017F;uchen mußte.</p><lb/>
            <p>Zuer&#x017F;t empfanden dieß die beiden die&#x017F;&#x017F;eitigen Regierun-<lb/>
gen, in <placeName>Ö&#x017F;treich</placeName> und den <placeName>Niederlanden</placeName>.</p><lb/>
            <p>König <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118532502">Ferdinand</persName> durfte nicht nur auf keine Hülfe deut-<lb/>
&#x017F;cher Für&#x017F;ten rechnen, wenn zwi&#x017F;chen ihnen der Krieg aus-<lb/>
brach, &#x017F;ondern er hätte in den&#x017F;elben thätig eingreifen mü&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. In die&#x017F;em Falle würde auch König <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118534947">Franz</persName> &#x017F;ich &#x017F;chwer-<lb/>
lich ruhig verhalten haben. Wenig&#x017F;tens der Landgraf &#x017F;prach<lb/>
noch immer von Erbietungen die man ihm von <placeName>Frankreich</placeName><lb/>
aus mache; er meinte, bei der Un&#x017F;icherheit der Verhältni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
welche die Äußerungen <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119703637">Helds</persName> kund gegeben, und der Ge-<lb/>
fahr vom Kai&#x017F;er angegriffen zu werden, könne man ihm<lb/>
nicht verdeuken, wenn er die franzö&#x017F;i&#x017F;chen Anträge nicht ganz<lb/>
von der Hand wei&#x017F;e.</p><lb/>
            <p>In den <placeName>Niederlanden</placeName> &#x017F;ah man ein, welche Gefahr ein<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0135] Anſtand zu Frankfurt. nen, der Krone Frankreich und des Hauſes Öſtreich, der Proteſtanten und der römiſchen Kirche, noch immer auch des Papſtthums und des Kaiſerthums, der geiſtlichen und der welt- lichen Gewalt, — minder bedeutender zu geſchweigen, — und jede Macht hat ſo viel Antheil an ihrem Streit, daß es der Politik und dem Willen der Einzelnen faſt unmöglich wird, ſich in einem conſequenten, nach allen Seiten wohl erwoge- nen Gange zu bewegen. Den verſchiedenen Tendenzen wird zuweilen freier Lauf gelaſſen, oder ſie ſind ſtark genug, ſich ſelber Bahn zu brechen, die Werkzeuge der höchſten Gewalt unter ihren Einfluß zu bringen. Eben hiedurch geſchah es, daß die Politik des Kaiſers und des Hauſes Öſtreich in einen inneren Conflict gerieth, der die größten Gefahren in ſich ſchloß, und aus dem man ſchlechterdings herauszukommen ſuchen mußte. Zuerſt empfanden dieß die beiden dieſſeitigen Regierun- gen, in Öſtreich und den Niederlanden. König Ferdinand durfte nicht nur auf keine Hülfe deut- ſcher Fürſten rechnen, wenn zwiſchen ihnen der Krieg aus- brach, ſondern er hätte in denſelben thätig eingreifen müſ- ſen. In dieſem Falle würde auch König Franz ſich ſchwer- lich ruhig verhalten haben. Wenigſtens der Landgraf ſprach noch immer von Erbietungen die man ihm von Frankreich aus mache; er meinte, bei der Unſicherheit der Verhältniſſe welche die Äußerungen Helds kund gegeben, und der Ge- fahr vom Kaiſer angegriffen zu werden, könne man ihm nicht verdeuken, wenn er die franzöſiſchen Anträge nicht ganz von der Hand weiſe. In den Niederlanden ſah man ein, welche Gefahr ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/135
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/135>, abgerufen am 26.04.2024.