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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Wechsel politischer Tendenzen.
Treulosigkeit nicht frei zu sprechen? Wir behalten den Ver-
such dieses psychologische Problem zu lösen uns vor. Hier
bemerken wir nur die Thatsache, daß seine politischen Absich-
ten sich allmählig ganz umwandelten.

Zunächst machte er dem König von Frankreich noch einen
Vorschlag der sich sehr gut hören ließ: noch einmal erbot
er sich, seine Tochter mit dem Herzog von Orleans zu ver-
mählen, und alsdann diesem Paare die Niederlande und die
Grafschaft Burgund zugleich mit Geldern und Zütphen, wenn
dieß gewonnen werde, zu übertragen; er erinnerte daß diese
Lande ein Königreich vorstellen könnten, daß er durch dieß
Erbieten die größte Probe seiner Freundschaft für Frankreich
ablege. Dagegen sollte der König nicht allein die alten Ver-
träge von Madrid und Cambrai bestätigen, -- wir sehen,
die mailändische Combination fiel hiedurch weg, 1 -- sondern
er sollte auch Savoyen herausgeben, und dafür sorgen daß
die von diesem Lande durch die Schweizer abgerissenen Be-
zirke dem Herzog zurückgestellt würden; er sollte sich über-
haupt verpflichten das Haus Östreich zu unterstützen, sowohl
in Ungern gegen die Türken als in den Niederlanden gegen
den Herzog von Cleve. Zugleich wollte man festsetzen, was
der König auch in den Sachen des Glaubens, d. h. gegen
die Protestanten leisten solle.

Und wäre nicht auch dieser Vorschlag für Frankreich
sehr annehmbar gewesen? die Abtretung so großer und rei-
cher Provinzen, unter welchen Bedingungen sie auch immer

1 Granvella entschuldigt dieß mit "muy grandes consideracio-
nes con el rey de Romanos como tan bien de los dichos reinos
y paises"
: noch immer aber wolle er "indissoluble paz entre las
casas, hijos y successores."
16 April. (Arch von Simancas.)

Wechſel politiſcher Tendenzen.
Treuloſigkeit nicht frei zu ſprechen? Wir behalten den Ver-
ſuch dieſes pſychologiſche Problem zu löſen uns vor. Hier
bemerken wir nur die Thatſache, daß ſeine politiſchen Abſich-
ten ſich allmählig ganz umwandelten.

Zunächſt machte er dem König von Frankreich noch einen
Vorſchlag der ſich ſehr gut hören ließ: noch einmal erbot
er ſich, ſeine Tochter mit dem Herzog von Orleans zu ver-
mählen, und alsdann dieſem Paare die Niederlande und die
Grafſchaft Burgund zugleich mit Geldern und Zütphen, wenn
dieß gewonnen werde, zu übertragen; er erinnerte daß dieſe
Lande ein Königreich vorſtellen könnten, daß er durch dieß
Erbieten die größte Probe ſeiner Freundſchaft für Frankreich
ablege. Dagegen ſollte der König nicht allein die alten Ver-
träge von Madrid und Cambrai beſtätigen, — wir ſehen,
die mailändiſche Combination fiel hiedurch weg, 1 — ſondern
er ſollte auch Savoyen herausgeben, und dafür ſorgen daß
die von dieſem Lande durch die Schweizer abgeriſſenen Be-
zirke dem Herzog zurückgeſtellt würden; er ſollte ſich über-
haupt verpflichten das Haus Öſtreich zu unterſtützen, ſowohl
in Ungern gegen die Türken als in den Niederlanden gegen
den Herzog von Cleve. Zugleich wollte man feſtſetzen, was
der König auch in den Sachen des Glaubens, d. h. gegen
die Proteſtanten leiſten ſolle.

Und wäre nicht auch dieſer Vorſchlag für Frankreich
ſehr annehmbar geweſen? die Abtretung ſo großer und rei-
cher Provinzen, unter welchen Bedingungen ſie auch immer

1 Granvella entſchuldigt dieß mit „muy grandes consideracio-
nes con el rey de Romanos como tan bien de los dichos reinos
y paises“
: noch immer aber wolle er „indissoluble paz entre las
casas, hijos y successores.“
16 April. (Arch von Simancas.)
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[185/0197] Wechſel politiſcher Tendenzen. Treuloſigkeit nicht frei zu ſprechen? Wir behalten den Ver- ſuch dieſes pſychologiſche Problem zu löſen uns vor. Hier bemerken wir nur die Thatſache, daß ſeine politiſchen Abſich- ten ſich allmählig ganz umwandelten. Zunächſt machte er dem König von Frankreich noch einen Vorſchlag der ſich ſehr gut hören ließ: noch einmal erbot er ſich, ſeine Tochter mit dem Herzog von Orleans zu ver- mählen, und alsdann dieſem Paare die Niederlande und die Grafſchaft Burgund zugleich mit Geldern und Zütphen, wenn dieß gewonnen werde, zu übertragen; er erinnerte daß dieſe Lande ein Königreich vorſtellen könnten, daß er durch dieß Erbieten die größte Probe ſeiner Freundſchaft für Frankreich ablege. Dagegen ſollte der König nicht allein die alten Ver- träge von Madrid und Cambrai beſtätigen, — wir ſehen, die mailändiſche Combination fiel hiedurch weg, 1 — ſondern er ſollte auch Savoyen herausgeben, und dafür ſorgen daß die von dieſem Lande durch die Schweizer abgeriſſenen Be- zirke dem Herzog zurückgeſtellt würden; er ſollte ſich über- haupt verpflichten das Haus Öſtreich zu unterſtützen, ſowohl in Ungern gegen die Türken als in den Niederlanden gegen den Herzog von Cleve. Zugleich wollte man feſtſetzen, was der König auch in den Sachen des Glaubens, d. h. gegen die Proteſtanten leiſten ſolle. Und wäre nicht auch dieſer Vorſchlag für Frankreich ſehr annehmbar geweſen? die Abtretung ſo großer und rei- cher Provinzen, unter welchen Bedingungen ſie auch immer 1 Granvella entſchuldigt dieß mit „muy grandes consideracio- nes con el rey de Romanos como tan bien de los dichos reinos y paises“: noch immer aber wolle er „indissoluble paz entre las casas, hijos y successores.“ 16 April. (Arch von Simancas.)

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/197>, abgerufen am 26.04.2024.