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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Fünftes Capitel.

Während sonst die Repräsentanten des Papsithums ein-
verstanden, die des Protestantismus entzweit gewesen, trat
jetzt der umgekehrte Fall ein: jene waren entzweit, und diese
einmüthig.

Nur vergebens versuchten die Gegner die alte Streitig-
keit über das Abendmahl wieder rege zu machen. Die Wit-
tenberger Concordie zeigte sich vollkommen genügend. Jo-
hann Calvin
, der in diesen Jahren in Straßburg lebte, war
der Bevollmächtigte einer niederdeutschen Stadt, Lüneburg.
Zwischen ihm und Melanchthon bildete sich hier ein inniges
Vertrauen. Einer der vornehmsten Gedanken mit welchem
die Protestanten auftraten, war, daß sie mit nichten Abtrün-
nige seyen, daß vielmehr eben ihre Seite an der Überein-
stimmung der katholischen Kirche, nicht allein den propheti-
schen und apostolischen Schriften, sondern auch den alten
Synoden festhalte: sie wollten nicht anerkennen daß der Ti-
tel Katholische den Gegnern zukomme 1 -- in der Disputa-
tion werde sich schon zeigen, welcher von beiden Theilen in
der Gemeinschaft der wahren alten Kirche verharre.

In der That, wenn das angeordnete Gespräch Fortgang
hatte, wenn dann die Stimmen der hier Erschienenen gesam-
melt wurden, so ließ sich nichts anders erwarten, als daß
die Mehrheit sich im Sinne der Neuerung erklären würde.
Das protestantische Prinzip hätte den glänzendsten Sieg in
einer im Namen von Kaiser und Reich berufenen Versamm-

1 Responsum Evangelicorum 27 Dec. C. Ref. III, 1254.
Quod a vobis
(es ist an die Präsidenten gerichtet) adversarii vo-
cantur catholici, toties jam testati sumus, genus doctrinae quod
profitemur vere esse consensum ecclesiae catholicae.
Siebentes Buch. Fuͤnftes Capitel.

Während ſonſt die Repräſentanten des Papſithums ein-
verſtanden, die des Proteſtantismus entzweit geweſen, trat
jetzt der umgekehrte Fall ein: jene waren entzweit, und dieſe
einmüthig.

Nur vergebens verſuchten die Gegner die alte Streitig-
keit über das Abendmahl wieder rege zu machen. Die Wit-
tenberger Concordie zeigte ſich vollkommen genügend. Jo-
hann Calvin
, der in dieſen Jahren in Straßburg lebte, war
der Bevollmächtigte einer niederdeutſchen Stadt, Lüneburg.
Zwiſchen ihm und Melanchthon bildete ſich hier ein inniges
Vertrauen. Einer der vornehmſten Gedanken mit welchem
die Proteſtanten auftraten, war, daß ſie mit nichten Abtrün-
nige ſeyen, daß vielmehr eben ihre Seite an der Überein-
ſtimmung der katholiſchen Kirche, nicht allein den propheti-
ſchen und apoſtoliſchen Schriften, ſondern auch den alten
Synoden feſthalte: ſie wollten nicht anerkennen daß der Ti-
tel Katholiſche den Gegnern zukomme 1 — in der Disputa-
tion werde ſich ſchon zeigen, welcher von beiden Theilen in
der Gemeinſchaft der wahren alten Kirche verharre.

In der That, wenn das angeordnete Geſpräch Fortgang
hatte, wenn dann die Stimmen der hier Erſchienenen geſam-
melt wurden, ſo ließ ſich nichts anders erwarten, als daß
die Mehrheit ſich im Sinne der Neuerung erklären würde.
Das proteſtantiſche Prinzip hätte den glänzendſten Sieg in
einer im Namen von Kaiſer und Reich berufenen Verſamm-

1 Responsum Evangelicorum 27 Dec. C. Ref. III, 1254.
Quod a vobis
(es iſt an die Praͤſidenten gerichtet) adversarii vo-
cantur catholici, toties jam testati sumus, genus doctrinae quod
profitemur vere esse consensum ecclesiae catholicae.
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[198/0210] Siebentes Buch. Fuͤnftes Capitel. Während ſonſt die Repräſentanten des Papſithums ein- verſtanden, die des Proteſtantismus entzweit geweſen, trat jetzt der umgekehrte Fall ein: jene waren entzweit, und dieſe einmüthig. Nur vergebens verſuchten die Gegner die alte Streitig- keit über das Abendmahl wieder rege zu machen. Die Wit- tenberger Concordie zeigte ſich vollkommen genügend. Jo- hann Calvin, der in dieſen Jahren in Straßburg lebte, war der Bevollmächtigte einer niederdeutſchen Stadt, Lüneburg. Zwiſchen ihm und Melanchthon bildete ſich hier ein inniges Vertrauen. Einer der vornehmſten Gedanken mit welchem die Proteſtanten auftraten, war, daß ſie mit nichten Abtrün- nige ſeyen, daß vielmehr eben ihre Seite an der Überein- ſtimmung der katholiſchen Kirche, nicht allein den propheti- ſchen und apoſtoliſchen Schriften, ſondern auch den alten Synoden feſthalte: ſie wollten nicht anerkennen daß der Ti- tel Katholiſche den Gegnern zukomme 1 — in der Disputa- tion werde ſich ſchon zeigen, welcher von beiden Theilen in der Gemeinſchaft der wahren alten Kirche verharre. In der That, wenn das angeordnete Geſpräch Fortgang hatte, wenn dann die Stimmen der hier Erſchienenen geſam- melt wurden, ſo ließ ſich nichts anders erwarten, als daß die Mehrheit ſich im Sinne der Neuerung erklären würde. Das proteſtantiſche Prinzip hätte den glänzendſten Sieg in einer im Namen von Kaiſer und Reich berufenen Verſamm- 1 Responsum Evangelicorum 27 Dec. C. Ref. III, 1254. Quod a vobis (es iſt an die Praͤſidenten gerichtet) adversarii vo- cantur catholici, toties jam testati sumus, genus doctrinae quod profitemur vere esse consensum ecclesiae catholicae.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/210>, abgerufen am 29.04.2024.