Rath denn auch gesinnt: sie gelobten einander, sich nicht zu unterwerfen, bis nicht der unterste Stein zu oberst gekom- men. Die glückliche Vertheidigung der letzten Monate hatte ihnen neuen Muth gemacht. Auch war die Stadt auf das beste befestigt. Rings um waren doppelte Stakete aufge- richtet, an den Gräben viele tausend Pfähle in die Erde ge- graben: auf allen Wehren und Brustwehren, die man in gu- ten Stand gesetzt, waren Steine und große Mastbäume und Theerkränze angesammelt, um die Feinde zu empfangen. Nach Verlust der eignen Schiffe hatte man den befreundeten Nach- barn zu Hamburg die Beschützung der Weser anvertraut.
Wir können nun hier nicht die Ereignisse der Belage- rung aufzählen, wie man Schanzen nahm und verlor, bald vor dem einen, bald vor dem andern Thore Scharmützel lie- ferte, dann wieder, fast im Style der ältesten Zeit, auf ein paar Tage Stillstand schloß, um die Todten auf beiden Seiten zu beerdigen, oder Sprache hielt, um die Gefangenen auszuwech- seln. Erich machte einmal den Versuch die Weser von den Mauern wegzuleiten, der ihm natürlich mißlang, so viele tau- send Bauern er auch dazu h[ - 3 Zeichen fehlen]eigetrieben. Auch sein Ge- schütz wirkte nicht so entschi[ - 4 Zeichen fehlen] daß er einen Sturm hätte wagen können.
Obwohl er im Übergewicht war und das Land weit und breit beherrschte, so konnte er doch nicht verhindern, daß nicht noch Hülfe nach Bremen hinein gekommen wäre. So war er denn in der That noch weit vom Ziele, als Nachrichten einliefen, welche ihn die Belagerung aufzuhe- ben nöthigten.
Noch im Anfang April nemlich war eine neue Verei-
Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel.
Rath denn auch geſinnt: ſie gelobten einander, ſich nicht zu unterwerfen, bis nicht der unterſte Stein zu oberſt gekom- men. Die glückliche Vertheidigung der letzten Monate hatte ihnen neuen Muth gemacht. Auch war die Stadt auf das beſte befeſtigt. Rings um waren doppelte Stakete aufge- richtet, an den Gräben viele tauſend Pfähle in die Erde ge- graben: auf allen Wehren und Bruſtwehren, die man in gu- ten Stand geſetzt, waren Steine und große Maſtbäume und Theerkränze angeſammelt, um die Feinde zu empfangen. Nach Verluſt der eignen Schiffe hatte man den befreundeten Nach- barn zu Hamburg die Beſchützung der Weſer anvertraut.
Wir können nun hier nicht die Ereigniſſe der Belage- rung aufzählen, wie man Schanzen nahm und verlor, bald vor dem einen, bald vor dem andern Thore Scharmützel lie- ferte, dann wieder, faſt im Style der älteſten Zeit, auf ein paar Tage Stillſtand ſchloß, um die Todten auf beiden Seiten zu beerdigen, oder Sprache hielt, um die Gefangenen auszuwech- ſeln. Erich machte einmal den Verſuch die Weſer von den Mauern wegzuleiten, der ihm natürlich mißlang, ſo viele tau- ſend Bauern er auch dazu h[ – 3 Zeichen fehlen]eigetrieben. Auch ſein Ge- ſchütz wirkte nicht ſo entſchi[ – 4 Zeichen fehlen] daß er einen Sturm hätte wagen können.
Obwohl er im Übergewicht war und das Land weit und breit beherrſchte, ſo konnte er doch nicht verhindern, daß nicht noch Hülfe nach Bremen hinein gekommen wäre. So war er denn in der That noch weit vom Ziele, als Nachrichten einliefen, welche ihn die Belagerung aufzuhe- ben nöthigten.
Noch im Anfang April nemlich war eine neue Verei-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0550"n="538"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel</hi>.</fw><lb/>
Rath denn auch geſinnt: ſie gelobten einander, ſich nicht zu<lb/>
unterwerfen, bis nicht der unterſte Stein zu oberſt gekom-<lb/>
men. Die glückliche Vertheidigung der letzten Monate hatte<lb/>
ihnen neuen Muth gemacht. Auch war die Stadt auf das<lb/>
beſte befeſtigt. Rings um waren doppelte Stakete aufge-<lb/>
richtet, an den Gräben viele tauſend Pfähle in die Erde ge-<lb/>
graben: auf allen Wehren und Bruſtwehren, die man in gu-<lb/>
ten Stand geſetzt, waren Steine und große Maſtbäume und<lb/>
Theerkränze angeſammelt, um die Feinde zu empfangen. Nach<lb/>
Verluſt der eignen Schiffe hatte man den befreundeten Nach-<lb/>
barn zu <placeName>Hamburg</placeName> die Beſchützung der Weſer anvertraut.</p><lb/><p>Wir können nun hier nicht die Ereigniſſe der Belage-<lb/>
rung aufzählen, wie man Schanzen nahm und verlor, bald<lb/>
vor dem einen, bald vor dem andern Thore Scharmützel lie-<lb/>
ferte, dann wieder, faſt im Style der älteſten Zeit, auf ein paar<lb/>
Tage Stillſtand ſchloß, um die Todten auf beiden Seiten zu<lb/>
beerdigen, oder Sprache hielt, um die Gefangenen auszuwech-<lb/>ſeln. <persNameref="http://d-nb.info/gnd/116562498">Erich</persName> machte einmal den Verſuch die Weſer von den<lb/>
Mauern wegzuleiten, der ihm natürlich mißlang, ſo viele tau-<lb/>ſend Bauern er auch dazu h<gapunit="chars"quantity="3"/>eigetrieben. Auch ſein Ge-<lb/>ſchütz wirkte nicht ſo entſchi<gapunit="chars"quantity="4"/> daß er einen Sturm hätte<lb/>
wagen können.</p><lb/><p>Obwohl er im Übergewicht war und das Land weit<lb/>
und breit beherrſchte, ſo konnte er doch nicht verhindern,<lb/>
daß nicht noch Hülfe nach <placeName>Bremen</placeName> hinein gekommen wäre.<lb/>
So war er denn in der That noch weit vom Ziele, als<lb/>
Nachrichten einliefen, welche ihn die Belagerung aufzuhe-<lb/>
ben nöthigten.</p><lb/><p>Noch im Anfang April nemlich war eine neue Verei-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[538/0550]
Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel.
Rath denn auch geſinnt: ſie gelobten einander, ſich nicht zu
unterwerfen, bis nicht der unterſte Stein zu oberſt gekom-
men. Die glückliche Vertheidigung der letzten Monate hatte
ihnen neuen Muth gemacht. Auch war die Stadt auf das
beſte befeſtigt. Rings um waren doppelte Stakete aufge-
richtet, an den Gräben viele tauſend Pfähle in die Erde ge-
graben: auf allen Wehren und Bruſtwehren, die man in gu-
ten Stand geſetzt, waren Steine und große Maſtbäume und
Theerkränze angeſammelt, um die Feinde zu empfangen. Nach
Verluſt der eignen Schiffe hatte man den befreundeten Nach-
barn zu Hamburg die Beſchützung der Weſer anvertraut.
Wir können nun hier nicht die Ereigniſſe der Belage-
rung aufzählen, wie man Schanzen nahm und verlor, bald
vor dem einen, bald vor dem andern Thore Scharmützel lie-
ferte, dann wieder, faſt im Style der älteſten Zeit, auf ein paar
Tage Stillſtand ſchloß, um die Todten auf beiden Seiten zu
beerdigen, oder Sprache hielt, um die Gefangenen auszuwech-
ſeln. Erich machte einmal den Verſuch die Weſer von den
Mauern wegzuleiten, der ihm natürlich mißlang, ſo viele tau-
ſend Bauern er auch dazu h___eigetrieben. Auch ſein Ge-
ſchütz wirkte nicht ſo entſchi____ daß er einen Sturm hätte
wagen können.
Obwohl er im Übergewicht war und das Land weit
und breit beherrſchte, ſo konnte er doch nicht verhindern,
daß nicht noch Hülfe nach Bremen hinein gekommen wäre.
So war er denn in der That noch weit vom Ziele, als
Nachrichten einliefen, welche ihn die Belagerung aufzuhe-
ben nöthigten.
Noch im Anfang April nemlich war eine neue Verei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/550>, abgerufen am 30.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.