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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Neuntes Buch. Sechstes Capitel.
langt. Alle Unterredungen von Anfang an lassen doch auch
die Möglichkeit offen, mit eignem Angriff zu Werke zu gehn.

Welchen Weg man aber auch einschlagen mochte, so
mußte man sich eingestehn, daß man, bei der Geringfügigkeit
der Landeseinkünfte und der allgemeinen Erschöpfung, sich
nicht ganz auf die eignen Kräfte werde verlassen dürfen.

Hatte doch der schmalkaldische Bund, dem noch die rei-
chen Kämmereien der oberdeutschen Städte zu Gebote stan-
den, sich nicht so lange als nöthig gewesen wäre, im Felde
zu halten vermocht.

Wie nun die Veränderung die in den europäischen An-
gelegenheiten eintrat, überhaupt Muth zu dem Gedanken
machte sich bewaffnet dem Kaiser entgegenzustellen, so er-
weckte sie auch die Hofnung, von den beiden Mächten welche
sich schon 1547, nur zu spät und insgeheim, geneigt bewie-
sen hatten, jetzt aber in offener Opposition gegen den Kai-
ser standen, von Heinrich II in Frankreich und der prote-
stantischen Regierung in England, Unterstützung und zwar
zunächst in Geld zu erlangen. 1

Der erste Gedanke des Widerstandes war von dieser
Absicht durchdrungen. Bei der Zusammenkunft in Dresden
äußerte der Markgraf, man werde wohl 100000 G. des

1 Bedenken, wes man sich in Handelung gegen den König
von Engeland zu verhalten ao LI 14 d. Julii. "Ob es sach were,
das sich etliche Churfürsten FF. und andre Stende des h. Reichs,
wellichen zuforderst unsre h. christl. Religion und Lehre des Evan-
gelii auch dazu die Freiheit ires Vaterlandes zu erhalten lieb were
und derbei zu bleiben neben einander bedacht weren, in ein christlich
Verstendniß einließen, und da sie perurter zweier ursachen willen mit
Gewalt und der That angefochten und überzogen, sich der pillichen
Defension gebrauchen und also - - etwas wagen wolten, was alsdann
der König etc."

Neuntes Buch. Sechstes Capitel.
langt. Alle Unterredungen von Anfang an laſſen doch auch
die Möglichkeit offen, mit eignem Angriff zu Werke zu gehn.

Welchen Weg man aber auch einſchlagen mochte, ſo
mußte man ſich eingeſtehn, daß man, bei der Geringfügigkeit
der Landeseinkünfte und der allgemeinen Erſchöpfung, ſich
nicht ganz auf die eignen Kräfte werde verlaſſen dürfen.

Hatte doch der ſchmalkaldiſche Bund, dem noch die rei-
chen Kämmereien der oberdeutſchen Städte zu Gebote ſtan-
den, ſich nicht ſo lange als nöthig geweſen wäre, im Felde
zu halten vermocht.

Wie nun die Veränderung die in den europäiſchen An-
gelegenheiten eintrat, überhaupt Muth zu dem Gedanken
machte ſich bewaffnet dem Kaiſer entgegenzuſtellen, ſo er-
weckte ſie auch die Hofnung, von den beiden Mächten welche
ſich ſchon 1547, nur zu ſpät und insgeheim, geneigt bewie-
ſen hatten, jetzt aber in offener Oppoſition gegen den Kai-
ſer ſtanden, von Heinrich II in Frankreich und der prote-
ſtantiſchen Regierung in England, Unterſtützung und zwar
zunächſt in Geld zu erlangen. 1

Der erſte Gedanke des Widerſtandes war von dieſer
Abſicht durchdrungen. Bei der Zuſammenkunft in Dresden
äußerte der Markgraf, man werde wohl 100000 G. des

1 Bedenken, wes man ſich in Handelung gegen den Koͤnig
von Engeland zu verhalten ao LI 14 d. Julii. „Ob es ſach were,
das ſich etliche Churfuͤrſten FF. und andre Stende des h. Reichs,
wellichen zuforderſt unſre h. chriſtl. Religion und Lehre des Evan-
gelii auch dazu die Freiheit ires Vaterlandes zu erhalten lieb were
und derbei zu bleiben neben einander bedacht weren, in ein chriſtlich
Verſtendniß einließen, und da ſie perurter zweier urſachen willen mit
Gewalt und der That angefochten und uͤberzogen, ſich der pillichen
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[212/0224] Neuntes Buch. Sechstes Capitel. langt. Alle Unterredungen von Anfang an laſſen doch auch die Möglichkeit offen, mit eignem Angriff zu Werke zu gehn. Welchen Weg man aber auch einſchlagen mochte, ſo mußte man ſich eingeſtehn, daß man, bei der Geringfügigkeit der Landeseinkünfte und der allgemeinen Erſchöpfung, ſich nicht ganz auf die eignen Kräfte werde verlaſſen dürfen. Hatte doch der ſchmalkaldiſche Bund, dem noch die rei- chen Kämmereien der oberdeutſchen Städte zu Gebote ſtan- den, ſich nicht ſo lange als nöthig geweſen wäre, im Felde zu halten vermocht. Wie nun die Veränderung die in den europäiſchen An- gelegenheiten eintrat, überhaupt Muth zu dem Gedanken machte ſich bewaffnet dem Kaiſer entgegenzuſtellen, ſo er- weckte ſie auch die Hofnung, von den beiden Mächten welche ſich ſchon 1547, nur zu ſpät und insgeheim, geneigt bewie- ſen hatten, jetzt aber in offener Oppoſition gegen den Kai- ſer ſtanden, von Heinrich II in Frankreich und der prote- ſtantiſchen Regierung in England, Unterſtützung und zwar zunächſt in Geld zu erlangen. 1 Der erſte Gedanke des Widerſtandes war von dieſer Abſicht durchdrungen. Bei der Zuſammenkunft in Dresden äußerte der Markgraf, man werde wohl 100000 G. des 1 Bedenken, wes man ſich in Handelung gegen den Koͤnig von Engeland zu verhalten ao LI 14 d. Julii. „Ob es ſach were, das ſich etliche Churfuͤrſten FF. und andre Stende des h. Reichs, wellichen zuforderſt unſre h. chriſtl. Religion und Lehre des Evan- gelii auch dazu die Freiheit ires Vaterlandes zu erhalten lieb were und derbei zu bleiben neben einander bedacht weren, in ein chriſtlich Verſtendniß einließen, und da ſie perurter zweier urſachen willen mit Gewalt und der That angefochten und uͤberzogen, ſich der pillichen Defenſion gebrauchen und alſo ‒ ‒ etwas wagen wolten, was alsdann der Koͤnig ꝛc.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/224>, abgerufen am 27.04.2024.