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Rapsilber, Maximilian: Das Reichstags-Gebäude. Berlin, 1895.

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Grundriss, einen Durchmesser von 13,21 m hat. Der eigentliche
ausschlaggebende Schmuck fehlt hier zur Zeit noch. Die hohe Wand¬
täfelung ist in straffen und fein accentuirten Linien gehalten, über
dem Hauptgesims, das sich in der Höhe des Schlusssteins der
Fensterthüren befindet, wechseln ringsumlaufend Zinnen und Rosetten
miteinander ab, die Rosetten, ferner die einen Fruchtkranz tragenden
Putten über der westlichen Thür und andere wesentliche Theile
werden später vergoldet werden. So auch das skulptirte Balken¬
gefüge der in neun polygonale Felder getheilten Holzdecke, also zu
einem Goldrahmen bestimmt für die hier oben noch auszuführenden
Plafondmalereien. Die anmuthigen Bildhauerarbeiten des Sitzungs¬
saals sind von Vogel und Giesecke modellirt. An Stelle des gegen¬
wärtig zwischen Täfelung und Decke gespannten grünen Stoffes
werden in der Folge deutsche Gobelins nach Entwürfen namhafter
Künstler treten. Es soll hierbei der Versuch gemacht werden, eine
edle Kunstindustrie, die bis zum dreissigjährigen Krieg in Deutsch¬
land geblüht hat, zu neuem Leben zu erwecken. Der Sitzungstisch
mit den 60 Sesseln zieht sich hufeisenförmig durch den Saal, die
Decke, die Polster sind in einem feinen Olivengrün, der Smyrna¬
teppich stimmt dazu harmonisch in einer gedämpften Nüance. Die
vier Ringkronen sind mit Löwenköpfen geziert, die die Krystall¬
glühbirnen mit dem Gebiss festhalten. An der Nordwand steigt bis
zur Decke ein prachtvoller Kamin aus Marzana-Kalkstein empor.
Ueber der Feuernische das Relief eines dämonischen feuersprühenden
Löwenkopfes mit geöffnetem Rachen, Feuergarben schiessen aus
dem Haupt des Unthiers empor, aber sie werden gebändigt durch
eine Kette und ein breites Band. In dem darüber aufragenden
rechteckigen Felde wird ein vergoldetes Broncerelief eingefügt werden
und zwar mit einer eigenartigen Darstellung. Kaiser Wilhelm I.
reitet von einem Eichbaum an einem Kornfeld vorüber und einem
Lorbeerbaum entgegen. Die beiden an den Sitzungssaal anstossenden
Zimmer des Bundesraths, ein Vorsaal und ein Berathungssaal, sind
gleichfalls mit gediegener Pracht ausgestattet. Die Täfelung ist hier

Grundriss, einen Durchmesser von 13,21 m hat. Der eigentliche
ausschlaggebende Schmuck fehlt hier zur Zeit noch. Die hohe Wand¬
täfelung ist in straffen und fein accentuirten Linien gehalten, über
dem Hauptgesims, das sich in der Höhe des Schlusssteins der
Fensterthüren befindet, wechseln ringsumlaufend Zinnen und Rosetten
miteinander ab, die Rosetten, ferner die einen Fruchtkranz tragenden
Putten über der westlichen Thür und andere wesentliche Theile
werden später vergoldet werden. So auch das skulptirte Balken¬
gefüge der in neun polygonale Felder getheilten Holzdecke, also zu
einem Goldrahmen bestimmt für die hier oben noch auszuführenden
Plafondmalereien. Die anmuthigen Bildhauerarbeiten des Sitzungs¬
saals sind von Vogel und Giesecke modellirt. An Stelle des gegen¬
wärtig zwischen Täfelung und Decke gespannten grünen Stoffes
werden in der Folge deutsche Gobelins nach Entwürfen namhafter
Künstler treten. Es soll hierbei der Versuch gemacht werden, eine
edle Kunstindustrie, die bis zum dreissigjährigen Krieg in Deutsch¬
land geblüht hat, zu neuem Leben zu erwecken. Der Sitzungstisch
mit den 60 Sesseln zieht sich hufeisenförmig durch den Saal, die
Decke, die Polster sind in einem feinen Olivengrün, der Smyrna¬
teppich stimmt dazu harmonisch in einer gedämpften Nüance. Die
vier Ringkronen sind mit Löwenköpfen geziert, die die Krystall¬
glühbirnen mit dem Gebiss festhalten. An der Nordwand steigt bis
zur Decke ein prachtvoller Kamin aus Marzana-Kalkstein empor.
Ueber der Feuernische das Relief eines dämonischen feuersprühenden
Löwenkopfes mit geöffnetem Rachen, Feuergarben schiessen aus
dem Haupt des Unthiers empor, aber sie werden gebändigt durch
eine Kette und ein breites Band. In dem darüber aufragenden
rechteckigen Felde wird ein vergoldetes Broncerelief eingefügt werden
und zwar mit einer eigenartigen Darstellung. Kaiser Wilhelm I.
reitet von einem Eichbaum an einem Kornfeld vorüber und einem
Lorbeerbaum entgegen. Die beiden an den Sitzungssaal anstossenden
Zimmer des Bundesraths, ein Vorsaal und ein Berathungssaal, sind
gleichfalls mit gediegener Pracht ausgestattet. Die Täfelung ist hier

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[45/0051] Grundriss, einen Durchmesser von 13,21 m hat. Der eigentliche ausschlaggebende Schmuck fehlt hier zur Zeit noch. Die hohe Wand¬ täfelung ist in straffen und fein accentuirten Linien gehalten, über dem Hauptgesims, das sich in der Höhe des Schlusssteins der Fensterthüren befindet, wechseln ringsumlaufend Zinnen und Rosetten miteinander ab, die Rosetten, ferner die einen Fruchtkranz tragenden Putten über der westlichen Thür und andere wesentliche Theile werden später vergoldet werden. So auch das skulptirte Balken¬ gefüge der in neun polygonale Felder getheilten Holzdecke, also zu einem Goldrahmen bestimmt für die hier oben noch auszuführenden Plafondmalereien. Die anmuthigen Bildhauerarbeiten des Sitzungs¬ saals sind von Vogel und Giesecke modellirt. An Stelle des gegen¬ wärtig zwischen Täfelung und Decke gespannten grünen Stoffes werden in der Folge deutsche Gobelins nach Entwürfen namhafter Künstler treten. Es soll hierbei der Versuch gemacht werden, eine edle Kunstindustrie, die bis zum dreissigjährigen Krieg in Deutsch¬ land geblüht hat, zu neuem Leben zu erwecken. Der Sitzungstisch mit den 60 Sesseln zieht sich hufeisenförmig durch den Saal, die Decke, die Polster sind in einem feinen Olivengrün, der Smyrna¬ teppich stimmt dazu harmonisch in einer gedämpften Nüance. Die vier Ringkronen sind mit Löwenköpfen geziert, die die Krystall¬ glühbirnen mit dem Gebiss festhalten. An der Nordwand steigt bis zur Decke ein prachtvoller Kamin aus Marzana-Kalkstein empor. Ueber der Feuernische das Relief eines dämonischen feuersprühenden Löwenkopfes mit geöffnetem Rachen, Feuergarben schiessen aus dem Haupt des Unthiers empor, aber sie werden gebändigt durch eine Kette und ein breites Band. In dem darüber aufragenden rechteckigen Felde wird ein vergoldetes Broncerelief eingefügt werden und zwar mit einer eigenartigen Darstellung. Kaiser Wilhelm I. reitet von einem Eichbaum an einem Kornfeld vorüber und einem Lorbeerbaum entgegen. Die beiden an den Sitzungssaal anstossenden Zimmer des Bundesraths, ein Vorsaal und ein Berathungssaal, sind gleichfalls mit gediegener Pracht ausgestattet. Die Täfelung ist hier

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Zitationshilfe: Rapsilber, Maximilian: Das Reichstags-Gebäude. Berlin, 1895, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rapsilber_reichstagsgebaeude_1895/51>, abgerufen am 30.04.2024.