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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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Dauer der Vegetationsperiode.
jedoch, wie für das Bambusrohr, hinzugefügt werden, dass dieselben
nur in Folge der Cultur nordwärts bis zur Bucht von Yedo und stellen-
weise noch höher hinauf vorkommen, nicht wild wachsend. In höherem
Grade gilt dies noch von Cycas revoluta Thbg., die selbst im süd-
lichen Kiushiu nur ausnahmsweise Blüthen und Früchte entwickelt,
in Tokio aber durch Umwickeln mit Stroh gegen die Nachtfröste des
Winters geschützt wird.

Die Früchte der Agrumen reifen nur noch an wenigen geschützten
Stellen nördlich des 34. Breitegrades, und die herrlichen Mandarin-
orangen, welche man in Tokio in Menge billig zu Markte bringt,
stammen aus den warmen Thälern von Kiushiu an der Linschoten-
strasse.

Der Pflanzengeograph wird erkennen, dass unter solchen Um-
ständen von einer Cultur des Zuckerrohres im gewöhnlichen Sinne
selbst auf Kiushiu keine Rede sein kann, und in der That, wo dies
Gewächs in beschränktem Maasse im südlichen Japan gebaut wird,
wie in Owari, Tosa, Satsuma und anderen wärmeren Provinzen, pflegt
man Ableger im dritten Monate des Jahres in die Erde zu stecken
und die Rohre schon im neunten Monate, also nach kaum sechsmonat-
licher Vegetationsdauer, zu ernten.

Wenn Ende September die Reisfelder ihr Grün verlieren und im
Gehölz der Häher schreiend umherfliegt, färbt sich auch der Berg-
wald. Sein Herbstkleid übertrifft an Schönheit und Verschiedenartig-
keit der Muster und Farben das vielgepriesene der nordamerikanischen
Wälder. Insbesondere liefern Eichen und wilde Prunus, Verwandte
unserer Kirschbäume, wie Prunus Pseudo-cerasus, wilde Reben und
Sumacharten, namentlich der schlingende Rhus Toxicodendron, ver-
schiedene Ahornarten, der Dodan (Enkianthus japonicus Hook. im
Herbst, wenn seine Blätter sich röthen, mit Acer polymorphum die
grösste Zierde japanischer Gärten), Birken und andere Holzgewächse
in ihren Blättern ein überaus buntes Farbengemisch von tiefbraun,
durch purpurroth zu gelb und weiss; und wo zu diesen vielen Far-
bentönen der absterbenden Blätter und anderen der reifen Früchte
sich das tiefe dunkelgrüne Laub immergrüner Gewächse gesellt, wie
mehr im Süden, da bietet das Bild nur noch grössere Contraste und
Vielseitigkeit.

Gegen Ende October ist das sommergrüne Gehölz kahl, wie bei
uns, und es gibt nur noch wenige Gewächse, die nicht ihre Winter-
ruhe angetreten haben. Es sind dies vor allem immergrüne Sträucher
und Bäume, welche ihre Knospen bereits gegen den Herbst vorge-
bildet hatten und zur Entfaltung ihrer Blüthen keiner hohen Tempe-

Dauer der Vegetationsperiode.
jedoch, wie für das Bambusrohr, hinzugefügt werden, dass dieselben
nur in Folge der Cultur nordwärts bis zur Bucht von Yedo und stellen-
weise noch höher hinauf vorkommen, nicht wild wachsend. In höherem
Grade gilt dies noch von Cycas revoluta Thbg., die selbst im süd-
lichen Kiushiu nur ausnahmsweise Blüthen und Früchte entwickelt,
in Tôkio aber durch Umwickeln mit Stroh gegen die Nachtfröste des
Winters geschützt wird.

Die Früchte der Agrumen reifen nur noch an wenigen geschützten
Stellen nördlich des 34. Breitegrades, und die herrlichen Mandarin-
orangen, welche man in Tôkio in Menge billig zu Markte bringt,
stammen aus den warmen Thälern von Kiushiu an der Linschoten-
strasse.

Der Pflanzengeograph wird erkennen, dass unter solchen Um-
ständen von einer Cultur des Zuckerrohres im gewöhnlichen Sinne
selbst auf Kiushiu keine Rede sein kann, und in der That, wo dies
Gewächs in beschränktem Maasse im südlichen Japan gebaut wird,
wie in Owari, Tosa, Satsuma und anderen wärmeren Provinzen, pflegt
man Ableger im dritten Monate des Jahres in die Erde zu stecken
und die Rohre schon im neunten Monate, also nach kaum sechsmonat-
licher Vegetationsdauer, zu ernten.

Wenn Ende September die Reisfelder ihr Grün verlieren und im
Gehölz der Häher schreiend umherfliegt, färbt sich auch der Berg-
wald. Sein Herbstkleid übertrifft an Schönheit und Verschiedenartig-
keit der Muster und Farben das vielgepriesene der nordamerikanischen
Wälder. Insbesondere liefern Eichen und wilde Prunus, Verwandte
unserer Kirschbäume, wie Prunus Pseudo-cerasus, wilde Reben und
Sumacharten, namentlich der schlingende Rhus Toxicodendron, ver-
schiedene Ahornarten, der Dôdan (Enkianthus japonicus Hook. im
Herbst, wenn seine Blätter sich röthen, mit Acer polymorphum die
grösste Zierde japanischer Gärten), Birken und andere Holzgewächse
in ihren Blättern ein überaus buntes Farbengemisch von tiefbraun,
durch purpurroth zu gelb und weiss; und wo zu diesen vielen Far-
bentönen der absterbenden Blätter und anderen der reifen Früchte
sich das tiefe dunkelgrüne Laub immergrüner Gewächse gesellt, wie
mehr im Süden, da bietet das Bild nur noch grössere Contraste und
Vielseitigkeit.

Gegen Ende October ist das sommergrüne Gehölz kahl, wie bei
uns, und es gibt nur noch wenige Gewächse, die nicht ihre Winter-
ruhe angetreten haben. Es sind dies vor allem immergrüne Sträucher
und Bäume, welche ihre Knospen bereits gegen den Herbst vorge-
bildet hatten und zur Entfaltung ihrer Blüthen keiner hohen Tempe-

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[155/0177] Dauer der Vegetationsperiode. jedoch, wie für das Bambusrohr, hinzugefügt werden, dass dieselben nur in Folge der Cultur nordwärts bis zur Bucht von Yedo und stellen- weise noch höher hinauf vorkommen, nicht wild wachsend. In höherem Grade gilt dies noch von Cycas revoluta Thbg., die selbst im süd- lichen Kiushiu nur ausnahmsweise Blüthen und Früchte entwickelt, in Tôkio aber durch Umwickeln mit Stroh gegen die Nachtfröste des Winters geschützt wird. Die Früchte der Agrumen reifen nur noch an wenigen geschützten Stellen nördlich des 34. Breitegrades, und die herrlichen Mandarin- orangen, welche man in Tôkio in Menge billig zu Markte bringt, stammen aus den warmen Thälern von Kiushiu an der Linschoten- strasse. Der Pflanzengeograph wird erkennen, dass unter solchen Um- ständen von einer Cultur des Zuckerrohres im gewöhnlichen Sinne selbst auf Kiushiu keine Rede sein kann, und in der That, wo dies Gewächs in beschränktem Maasse im südlichen Japan gebaut wird, wie in Owari, Tosa, Satsuma und anderen wärmeren Provinzen, pflegt man Ableger im dritten Monate des Jahres in die Erde zu stecken und die Rohre schon im neunten Monate, also nach kaum sechsmonat- licher Vegetationsdauer, zu ernten. Wenn Ende September die Reisfelder ihr Grün verlieren und im Gehölz der Häher schreiend umherfliegt, färbt sich auch der Berg- wald. Sein Herbstkleid übertrifft an Schönheit und Verschiedenartig- keit der Muster und Farben das vielgepriesene der nordamerikanischen Wälder. Insbesondere liefern Eichen und wilde Prunus, Verwandte unserer Kirschbäume, wie Prunus Pseudo-cerasus, wilde Reben und Sumacharten, namentlich der schlingende Rhus Toxicodendron, ver- schiedene Ahornarten, der Dôdan (Enkianthus japonicus Hook. im Herbst, wenn seine Blätter sich röthen, mit Acer polymorphum die grösste Zierde japanischer Gärten), Birken und andere Holzgewächse in ihren Blättern ein überaus buntes Farbengemisch von tiefbraun, durch purpurroth zu gelb und weiss; und wo zu diesen vielen Far- bentönen der absterbenden Blätter und anderen der reifen Früchte sich das tiefe dunkelgrüne Laub immergrüner Gewächse gesellt, wie mehr im Süden, da bietet das Bild nur noch grössere Contraste und Vielseitigkeit. Gegen Ende October ist das sommergrüne Gehölz kahl, wie bei uns, und es gibt nur noch wenige Gewächse, die nicht ihre Winter- ruhe angetreten haben. Es sind dies vor allem immergrüne Sträucher und Bäume, welche ihre Knospen bereits gegen den Herbst vorge- bildet hatten und zur Entfaltung ihrer Blüthen keiner hohen Tempe-

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/177>, abgerufen am 30.04.2024.