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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.
von der Zeit an, wo auch spanische Mönche von Manila her sich in
Japan einfanden, konnten der Sache der Christen nur schaden. Ferner
konnte das unchristliche Leben und böse Beispiel der fremden Kauf-
und Seeleute zu Nagasaki, Hirado und anderwärts nicht dazu beitragen,
die Achtung vor dem Christenthume selbst zu erhöhen. Jene Häfen
waren der Sammelplatz der verkommensten europäischen Abenteurer,
welche allen Lastern fröhnten, Arme und Hülflose, insbesondere Kinder
als Sklaven kauften und nach Macao oder Manila fortführten, und
durch dies Alles den Abscheu aller besser denkenden Japaner her-
vorriefen. Menschenfleisch war um jene Zeit billig. Vergebens be-
mühte sich gegen Ende des 16. Jahrhunderts der Bischof Cerquera,
gegen diesen schändlichen Handel einzuschreiten, von dem er sagt,
derselbe habe so viele Japaner und Koreaner auf den Markt nach
Macao gebracht, dass selbst Neger und Malayen im Dienste der por-
tugiesischen Kaufleute sich solche Sklaven halten konnten.

Wie ein rother Faden zieht durch alle Proclamationen gegen das
Christenthum der Gedanke durch, dass es die Pietät gegen die Eltern
und Ahnen, sowie den Gehorsam gegen die Vorgesetzten lockere, eine
Behauptung, welche auch noch in der Neuzeit gegen dasselbe auf-
gestellt wurde, so namentlich in der sehr bemerkenswerthen Schrift
Bemmo oder eine Darstellung des Irrthums von Yasui Chinhei.

In den ältesten holländischen Werken über Japan wird als Haupt-
grund der Christenverfolgung und Austreibung der Fremden die Ver-
rätherei der Jesuiten hingestellt, die danach getrachtet hätten, Japan
in eine portugiesische oder päpstliche Provinz umzuwandeln. So
schrieb z. B. Johann Hugo von Linschoten über die Jesuiten
in Japan, dass sie öffentlich bemüht seien, Alles unter ihre Macht zu
bekommen. (Denkwürdige Gesandtschaften pag. 213.)

Eine Begründung dieser Anschuldigung lässt sich aus den Schriften
der Jesuiten nicht entnehmen, dass aber die Furcht, die Christen
möchten durch den fremden Einfluss zu Landesverräthern werden, den
Hauptgrund für ihre Verfolgung abgab, unterliegt keinem Zweifel.
Alle Feinde der Jesuiten und ihrer Anhänger wurden nicht müde,
die Staatsgefährlichkeit derselben immer und immer wieder zu be-
tonen. Mit den Heiden wirkten in dieser Beziehung auch die Eng-
länder und Holländer auf die Entschlüsse des Iyeyasu und seiner
Nachfolger wesentlich ein, denen es aus Handelsinteresse darum galt,
die Portugiesen zu verdrängen, und die natürlich auch ihrem Hass
gegen die katholischen Portugiesen und Spanier keinerlei Zwang an-
thaten. Wir müssen bedenken, dass der Abfall der Niederlande und
die Besiegung der Armada noch lebhaft im Gedächtniss der protestan-

I. Geschichte des japanischen Volkes.
von der Zeit an, wo auch spanische Mönche von Manila her sich in
Japan einfanden, konnten der Sache der Christen nur schaden. Ferner
konnte das unchristliche Leben und böse Beispiel der fremden Kauf-
und Seeleute zu Nagasaki, Hirado und anderwärts nicht dazu beitragen,
die Achtung vor dem Christenthume selbst zu erhöhen. Jene Häfen
waren der Sammelplatz der verkommensten europäischen Abenteurer,
welche allen Lastern fröhnten, Arme und Hülflose, insbesondere Kinder
als Sklaven kauften und nach Macao oder Manila fortführten, und
durch dies Alles den Abscheu aller besser denkenden Japaner her-
vorriefen. Menschenfleisch war um jene Zeit billig. Vergebens be-
mühte sich gegen Ende des 16. Jahrhunderts der Bischof Cerquera,
gegen diesen schändlichen Handel einzuschreiten, von dem er sagt,
derselbe habe so viele Japaner und Koreaner auf den Markt nach
Macao gebracht, dass selbst Neger und Malayen im Dienste der por-
tugiesischen Kaufleute sich solche Sklaven halten konnten.

Wie ein rother Faden zieht durch alle Proclamationen gegen das
Christenthum der Gedanke durch, dass es die Pietät gegen die Eltern
und Ahnen, sowie den Gehorsam gegen die Vorgesetzten lockere, eine
Behauptung, welche auch noch in der Neuzeit gegen dasselbe auf-
gestellt wurde, so namentlich in der sehr bemerkenswerthen Schrift
Bemmo oder eine Darstellung des Irrthums von Yasui Chinhei.

In den ältesten holländischen Werken über Japan wird als Haupt-
grund der Christenverfolgung und Austreibung der Fremden die Ver-
rätherei der Jesuiten hingestellt, die danach getrachtet hätten, Japan
in eine portugiesische oder päpstliche Provinz umzuwandeln. So
schrieb z. B. Johann Hugo von Linschoten über die Jesuiten
in Japan, dass sie öffentlich bemüht seien, Alles unter ihre Macht zu
bekommen. (Denkwürdige Gesandtschaften pag. 213.)

Eine Begründung dieser Anschuldigung lässt sich aus den Schriften
der Jesuiten nicht entnehmen, dass aber die Furcht, die Christen
möchten durch den fremden Einfluss zu Landesverräthern werden, den
Hauptgrund für ihre Verfolgung abgab, unterliegt keinem Zweifel.
Alle Feinde der Jesuiten und ihrer Anhänger wurden nicht müde,
die Staatsgefährlichkeit derselben immer und immer wieder zu be-
tonen. Mit den Heiden wirkten in dieser Beziehung auch die Eng-
länder und Holländer auf die Entschlüsse des Iyeyasu und seiner
Nachfolger wesentlich ein, denen es aus Handelsinteresse darum galt,
die Portugiesen zu verdrängen, und die natürlich auch ihrem Hass
gegen die katholischen Portugiesen und Spanier keinerlei Zwang an-
thaten. Wir müssen bedenken, dass der Abfall der Niederlande und
die Besiegung der Armada noch lebhaft im Gedächtniss der protestan-

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[358/0384] I. Geschichte des japanischen Volkes. von der Zeit an, wo auch spanische Mönche von Manila her sich in Japan einfanden, konnten der Sache der Christen nur schaden. Ferner konnte das unchristliche Leben und böse Beispiel der fremden Kauf- und Seeleute zu Nagasaki, Hirado und anderwärts nicht dazu beitragen, die Achtung vor dem Christenthume selbst zu erhöhen. Jene Häfen waren der Sammelplatz der verkommensten europäischen Abenteurer, welche allen Lastern fröhnten, Arme und Hülflose, insbesondere Kinder als Sklaven kauften und nach Macao oder Manila fortführten, und durch dies Alles den Abscheu aller besser denkenden Japaner her- vorriefen. Menschenfleisch war um jene Zeit billig. Vergebens be- mühte sich gegen Ende des 16. Jahrhunderts der Bischof Cerquera, gegen diesen schändlichen Handel einzuschreiten, von dem er sagt, derselbe habe so viele Japaner und Koreaner auf den Markt nach Macao gebracht, dass selbst Neger und Malayen im Dienste der por- tugiesischen Kaufleute sich solche Sklaven halten konnten. Wie ein rother Faden zieht durch alle Proclamationen gegen das Christenthum der Gedanke durch, dass es die Pietät gegen die Eltern und Ahnen, sowie den Gehorsam gegen die Vorgesetzten lockere, eine Behauptung, welche auch noch in der Neuzeit gegen dasselbe auf- gestellt wurde, so namentlich in der sehr bemerkenswerthen Schrift Bemmo oder eine Darstellung des Irrthums von Yasui Chinhei. In den ältesten holländischen Werken über Japan wird als Haupt- grund der Christenverfolgung und Austreibung der Fremden die Ver- rätherei der Jesuiten hingestellt, die danach getrachtet hätten, Japan in eine portugiesische oder päpstliche Provinz umzuwandeln. So schrieb z. B. Johann Hugo von Linschoten über die Jesuiten in Japan, dass sie öffentlich bemüht seien, Alles unter ihre Macht zu bekommen. (Denkwürdige Gesandtschaften pag. 213.) Eine Begründung dieser Anschuldigung lässt sich aus den Schriften der Jesuiten nicht entnehmen, dass aber die Furcht, die Christen möchten durch den fremden Einfluss zu Landesverräthern werden, den Hauptgrund für ihre Verfolgung abgab, unterliegt keinem Zweifel. Alle Feinde der Jesuiten und ihrer Anhänger wurden nicht müde, die Staatsgefährlichkeit derselben immer und immer wieder zu be- tonen. Mit den Heiden wirkten in dieser Beziehung auch die Eng- länder und Holländer auf die Entschlüsse des Iyeyasu und seiner Nachfolger wesentlich ein, denen es aus Handelsinteresse darum galt, die Portugiesen zu verdrängen, und die natürlich auch ihrem Hass gegen die katholischen Portugiesen und Spanier keinerlei Zwang an- thaten. Wir müssen bedenken, dass der Abfall der Niederlande und die Besiegung der Armada noch lebhaft im Gedächtniss der protestan-

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/384>, abgerufen am 05.05.2024.