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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.
worteten Decrets, das den Fürsten erlaubte, ihre Familien nach ihren
heimathlichen Burgen zu nehmen. Hierdurch war das Schlossviertel
verödet und mancher Mann brodlos geworden. Ronin, welche sich
vom nächtlichen Ueberfall und der Beraubung der reicheren Bürger
nährten, trieben sich in den verlassenen Yashiki's herum und waren
zur Stadtplage geworden. Eine Gesellschaft von mehreren hundert
dieser verwegenen Menschen hauste in Satsuma Yashiki und stammte
wenigstens theilweise aus Satsuma. Sakai, Daimio von Shonai, wel-
chem die öffentliche Sicherheit der Stadt unterstellt war, umgab end-
lich das Räubernest mit seinen Truppen und nahm die Ronin gefangen,
wobei der Yashiki in Flammen aufging. Die Nachricht von diesem
Vorgang vermehrte beim Satsuma-clan die schon vorhandene Feind-
schaft gegen die Anhänger der Tokugawa. Diese beeilten sich, Yedo
in Vertheidigungszustand zu setzen.

Der Naifu verlangte vom Mikado die Entlassung aller Angehö-
rigen des Satsuma-clans, welche bei Hofe und in der neugebildeten
Regierung Stellen gefunden hatten, worauf jedoch nicht eingegangen
wurde. Anderseits bemühten sich die Verwandten des Tokugawa,
die Fürsten von Owari und Echizen, welche in Kioto geblieben waren,
einen Ausgleich zu bewirken, doch vergeblich. Im Auftrag des Mi-
kado begaben sie sich zum Ex-Shogun nach Osaka, um ihn einzuladen,
mit kleinem Gefolge nach dem Hofe zu kommen, wo er gleiche Ehren
mit den Prinzen des Kaiserhauses und der höchsten Kuge geniessen
sollte. Der überaus wankelmüthige Mann versprach zu kommen, liess
sich aber dann von Aidzu und Kuwana bereden, mit ihnen an der
Spitze seines Heeres nach Kioto zu ziehen. Nun wurden südliche
Truppen, insbesondere von Satsuma und Choshiu beordert, dem Feind
den Weg zu verlegen, und so kam es am 28. Januar bei Fushimi
zum Treffen, in welchem die Rebellen von loyalen (Regierungs-
Truppen geschlagen wurden. Dies ist der Anfang des blutigen Bürger-
krieges, der, weil es sich dabei um die Wiederherstellung der kaiser-
lichen Macht und Herrschaft handelte, auch Restaurationskrieg ge-
nannt wird. Auf dem Rückzuge der Besiegten nach Osaka kam es
in Yodo und Hashimoto zu neuen Kämpfen, welche ebenfalls, ob-
gleich die Rebellen der Zahl nach weit überlegen waren und sich
aufs tapferste vertheidigten, einen ungünstigen Ausgang für sie nahmen,
hauptsächlich weil nun verschiedene Fudai-Daimio sich Angesichts der
allgemeinen Lage und des zweifelhaften Rechtes ihres Feudalherrn
zu den Mikadotruppen schlugen. In Osaka wurde vom Naifu den
fremden Vertretern erklärt, dass er mit Satsuma im Krieg sich be-
finde. Er vermochte hier weder das Schloss, welches bald in Flammen

I. Geschichte des japanischen Volkes.
worteten Decrets, das den Fürsten erlaubte, ihre Familien nach ihren
heimathlichen Burgen zu nehmen. Hierdurch war das Schlossviertel
verödet und mancher Mann brodlos geworden. Rônin, welche sich
vom nächtlichen Ueberfall und der Beraubung der reicheren Bürger
nährten, trieben sich in den verlassenen Yashiki’s herum und waren
zur Stadtplage geworden. Eine Gesellschaft von mehreren hundert
dieser verwegenen Menschen hauste in Satsuma Yashiki und stammte
wenigstens theilweise aus Satsuma. Sakai, Daimio von Shônai, wel-
chem die öffentliche Sicherheit der Stadt unterstellt war, umgab end-
lich das Räubernest mit seinen Truppen und nahm die Rônin gefangen,
wobei der Yashiki in Flammen aufging. Die Nachricht von diesem
Vorgang vermehrte beim Satsuma-clan die schon vorhandene Feind-
schaft gegen die Anhänger der Tokugawa. Diese beeilten sich, Yedo
in Vertheidigungszustand zu setzen.

Der Naifu verlangte vom Mikado die Entlassung aller Angehö-
rigen des Satsuma-clans, welche bei Hofe und in der neugebildeten
Regierung Stellen gefunden hatten, worauf jedoch nicht eingegangen
wurde. Anderseits bemühten sich die Verwandten des Tokugawa,
die Fürsten von Ôwari und Echizen, welche in Kiôto geblieben waren,
einen Ausgleich zu bewirken, doch vergeblich. Im Auftrag des Mi-
kado begaben sie sich zum Ex-Shôgun nach Ôsaka, um ihn einzuladen,
mit kleinem Gefolge nach dem Hofe zu kommen, wo er gleiche Ehren
mit den Prinzen des Kaiserhauses und der höchsten Kuge geniessen
sollte. Der überaus wankelmüthige Mann versprach zu kommen, liess
sich aber dann von Aidzu und Kuwana bereden, mit ihnen an der
Spitze seines Heeres nach Kiôto zu ziehen. Nun wurden südliche
Truppen, insbesondere von Satsuma und Chôshiu beordert, dem Feind
den Weg zu verlegen, und so kam es am 28. Januar bei Fushimi
zum Treffen, in welchem die Rebellen von loyalen (Regierungs-
Truppen geschlagen wurden. Dies ist der Anfang des blutigen Bürger-
krieges, der, weil es sich dabei um die Wiederherstellung der kaiser-
lichen Macht und Herrschaft handelte, auch Restaurationskrieg ge-
nannt wird. Auf dem Rückzuge der Besiegten nach Ôsaka kam es
in Yôdô und Hashimoto zu neuen Kämpfen, welche ebenfalls, ob-
gleich die Rebellen der Zahl nach weit überlegen waren und sich
aufs tapferste vertheidigten, einen ungünstigen Ausgang für sie nahmen,
hauptsächlich weil nun verschiedene Fudai-Daimio sich Angesichts der
allgemeinen Lage und des zweifelhaften Rechtes ihres Feudalherrn
zu den Mikadotruppen schlugen. In Ôsaka wurde vom Naifu den
fremden Vertretern erklärt, dass er mit Satsuma im Krieg sich be-
finde. Er vermochte hier weder das Schloss, welches bald in Flammen

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[412/0440] I. Geschichte des japanischen Volkes. worteten Decrets, das den Fürsten erlaubte, ihre Familien nach ihren heimathlichen Burgen zu nehmen. Hierdurch war das Schlossviertel verödet und mancher Mann brodlos geworden. Rônin, welche sich vom nächtlichen Ueberfall und der Beraubung der reicheren Bürger nährten, trieben sich in den verlassenen Yashiki’s herum und waren zur Stadtplage geworden. Eine Gesellschaft von mehreren hundert dieser verwegenen Menschen hauste in Satsuma Yashiki und stammte wenigstens theilweise aus Satsuma. Sakai, Daimio von Shônai, wel- chem die öffentliche Sicherheit der Stadt unterstellt war, umgab end- lich das Räubernest mit seinen Truppen und nahm die Rônin gefangen, wobei der Yashiki in Flammen aufging. Die Nachricht von diesem Vorgang vermehrte beim Satsuma-clan die schon vorhandene Feind- schaft gegen die Anhänger der Tokugawa. Diese beeilten sich, Yedo in Vertheidigungszustand zu setzen. Der Naifu verlangte vom Mikado die Entlassung aller Angehö- rigen des Satsuma-clans, welche bei Hofe und in der neugebildeten Regierung Stellen gefunden hatten, worauf jedoch nicht eingegangen wurde. Anderseits bemühten sich die Verwandten des Tokugawa, die Fürsten von Ôwari und Echizen, welche in Kiôto geblieben waren, einen Ausgleich zu bewirken, doch vergeblich. Im Auftrag des Mi- kado begaben sie sich zum Ex-Shôgun nach Ôsaka, um ihn einzuladen, mit kleinem Gefolge nach dem Hofe zu kommen, wo er gleiche Ehren mit den Prinzen des Kaiserhauses und der höchsten Kuge geniessen sollte. Der überaus wankelmüthige Mann versprach zu kommen, liess sich aber dann von Aidzu und Kuwana bereden, mit ihnen an der Spitze seines Heeres nach Kiôto zu ziehen. Nun wurden südliche Truppen, insbesondere von Satsuma und Chôshiu beordert, dem Feind den Weg zu verlegen, und so kam es am 28. Januar bei Fushimi zum Treffen, in welchem die Rebellen von loyalen (Regierungs- Truppen geschlagen wurden. Dies ist der Anfang des blutigen Bürger- krieges, der, weil es sich dabei um die Wiederherstellung der kaiser- lichen Macht und Herrschaft handelte, auch Restaurationskrieg ge- nannt wird. Auf dem Rückzuge der Besiegten nach Ôsaka kam es in Yôdô und Hashimoto zu neuen Kämpfen, welche ebenfalls, ob- gleich die Rebellen der Zahl nach weit überlegen waren und sich aufs tapferste vertheidigten, einen ungünstigen Ausgang für sie nahmen, hauptsächlich weil nun verschiedene Fudai-Daimio sich Angesichts der allgemeinen Lage und des zweifelhaften Rechtes ihres Feudalherrn zu den Mikadotruppen schlugen. In Ôsaka wurde vom Naifu den fremden Vertretern erklärt, dass er mit Satsuma im Krieg sich be- finde. Er vermochte hier weder das Schloss, welches bald in Flammen

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/440>, abgerufen am 29.04.2024.