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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.
14. August fiel. Ueber 8000 der Aufständischen, darunter gegen
3000 Verwundete, ergaben sich, Saigo und seine Freunde aber hatten
sich mit etwa 500 Männern, die ihn trotz seiner Zureden nicht ver-
lassen wollten, durchgeschlagen. Am 1. September erschienen sie
zur grössten Ueberraschung der neu eingesetzten Regierung, die sich
rasch nach dem Hafen flüchtete, wieder in Kagoshima. Viele Vor-
räthe fielen ihnen hier in die Hände, doch wurden sie ihrer nicht
mehr froh, denn das Spiel ging rasch zu Ende, das wussten Alle.
Mit 14000 Mann war Saigo 7 Monate zuvor ausgerückt, mit 500
kehrte er wieder zurück, damals voll Zuversicht auf Erfolg, jetzt
aller Hoffnung bar; denn schon nahte der Feind mit Macht heran,
und nirgends bot sich Aussicht auf Rettung. Auf dem Shira-yama,
einem Hügel bei Kagoshima, nahm Saigo mit seinen Getreuen Stellung,
als ihn gegen 15000 Mann Regierungstruppen von allen Seiten um-
zingelten. Am 24. September erfolgte der Angriff. Der Widerstand
war bald gebrochen, der letzte Rest der Aufständischen vernichtet
oder gefangen. Am folgenden Tage sammelte man die Todten, um
sie zu identificieren und zu bestatten. Da fand man auch Kinrio
mit Wunden bedeckt, Beppu, Hemmi, Murata. Neben Kinrio lag
der Rumpf eines grossen Mannes, mit einer Kugelwunde und einem
Schwertstich am Leibe im Anzuge eines Arbeiters, doch deutete die
helle Hautfarbe sogleich den Samurai an. War es Saigo? -- Ein
nur unvollständig verscharrter Kopf ward bald gefunden und ange-
passt, es ist kein Zweifel an der Identität! Als der tapfere Führer
verwundet worden war, hatte ihm Beppu nach alter Sitte den letzten
Freundschaftsdienst erwiesen, den Kopf abgehauen und verscharrt,
darauf an sich selbst das Harakiri vorgenommen, so berichteten
Augenzeugen.

Admiral Kawamura, der Commandant der Kaiserlichen und selbst
ein Satsuma-Samurai, wusch den Kopf des früheren Freundes als
Zeichen seiner Achtung vor dessen Tapferkeit. Die gefallenen Re-
bellen kamen in ein gemeinsames Grab bei einem Tempel in Kago-
shima, Saigo, Kinrio, Beppu, Murata und Hemmi, ihre Führer, da-
gegen wurden jeder in einen besonderen Sarg gelegt und nebenbei
bestattet.

Die Theilnahme am tragischen Ende Saigo's war eine allge-
meine und erstreckte sich auch auf die Fremden. Von allen Seiten
wurden ihm die Tugenden eines Helden zuerkannt; denn Saigo war
furchtlos in Gefahr, standhaft im Unglück, schöpferisch in Bezug
auf seine Hilfsquellen, und bot, als sein unvermeidliches Ende heran-
nahte, demselben muthig die Stirn. Eigennutz war ihm fremd und

I. Geschichte des japanischen Volkes.
14. August fiel. Ueber 8000 der Aufständischen, darunter gegen
3000 Verwundete, ergaben sich, Saigô und seine Freunde aber hatten
sich mit etwa 500 Männern, die ihn trotz seiner Zureden nicht ver-
lassen wollten, durchgeschlagen. Am 1. September erschienen sie
zur grössten Ueberraschung der neu eingesetzten Regierung, die sich
rasch nach dem Hafen flüchtete, wieder in Kagoshima. Viele Vor-
räthe fielen ihnen hier in die Hände, doch wurden sie ihrer nicht
mehr froh, denn das Spiel ging rasch zu Ende, das wussten Alle.
Mit 14000 Mann war Saigô 7 Monate zuvor ausgerückt, mit 500
kehrte er wieder zurück, damals voll Zuversicht auf Erfolg, jetzt
aller Hoffnung bar; denn schon nahte der Feind mit Macht heran,
und nirgends bot sich Aussicht auf Rettung. Auf dem Shira-yama,
einem Hügel bei Kagoshima, nahm Saigô mit seinen Getreuen Stellung,
als ihn gegen 15000 Mann Regierungstruppen von allen Seiten um-
zingelten. Am 24. September erfolgte der Angriff. Der Widerstand
war bald gebrochen, der letzte Rest der Aufständischen vernichtet
oder gefangen. Am folgenden Tage sammelte man die Todten, um
sie zu identificieren und zu bestatten. Da fand man auch Kinrio
mit Wunden bedeckt, Beppu, Hemmi, Murata. Neben Kinrio lag
der Rumpf eines grossen Mannes, mit einer Kugelwunde und einem
Schwertstich am Leibe im Anzuge eines Arbeiters, doch deutete die
helle Hautfarbe sogleich den Samurai an. War es Saigô? — Ein
nur unvollständig verscharrter Kopf ward bald gefunden und ange-
passt, es ist kein Zweifel an der Identität! Als der tapfere Führer
verwundet worden war, hatte ihm Beppu nach alter Sitte den letzten
Freundschaftsdienst erwiesen, den Kopf abgehauen und verscharrt,
darauf an sich selbst das Harakiri vorgenommen, so berichteten
Augenzeugen.

Admiral Kawamura, der Commandant der Kaiserlichen und selbst
ein Satsuma-Samurai, wusch den Kopf des früheren Freundes als
Zeichen seiner Achtung vor dessen Tapferkeit. Die gefallenen Re-
bellen kamen in ein gemeinsames Grab bei einem Tempel in Kago-
shima, Saigô, Kinrio, Beppu, Murata und Hemmi, ihre Führer, da-
gegen wurden jeder in einen besonderen Sarg gelegt und nebenbei
bestattet.

Die Theilnahme am tragischen Ende Saigô’s war eine allge-
meine und erstreckte sich auch auf die Fremden. Von allen Seiten
wurden ihm die Tugenden eines Helden zuerkannt; denn Saigô war
furchtlos in Gefahr, standhaft im Unglück, schöpferisch in Bezug
auf seine Hilfsquellen, und bot, als sein unvermeidliches Ende heran-
nahte, demselben muthig die Stirn. Eigennutz war ihm fremd und

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[432/0460] I. Geschichte des japanischen Volkes. 14. August fiel. Ueber 8000 der Aufständischen, darunter gegen 3000 Verwundete, ergaben sich, Saigô und seine Freunde aber hatten sich mit etwa 500 Männern, die ihn trotz seiner Zureden nicht ver- lassen wollten, durchgeschlagen. Am 1. September erschienen sie zur grössten Ueberraschung der neu eingesetzten Regierung, die sich rasch nach dem Hafen flüchtete, wieder in Kagoshima. Viele Vor- räthe fielen ihnen hier in die Hände, doch wurden sie ihrer nicht mehr froh, denn das Spiel ging rasch zu Ende, das wussten Alle. Mit 14000 Mann war Saigô 7 Monate zuvor ausgerückt, mit 500 kehrte er wieder zurück, damals voll Zuversicht auf Erfolg, jetzt aller Hoffnung bar; denn schon nahte der Feind mit Macht heran, und nirgends bot sich Aussicht auf Rettung. Auf dem Shira-yama, einem Hügel bei Kagoshima, nahm Saigô mit seinen Getreuen Stellung, als ihn gegen 15000 Mann Regierungstruppen von allen Seiten um- zingelten. Am 24. September erfolgte der Angriff. Der Widerstand war bald gebrochen, der letzte Rest der Aufständischen vernichtet oder gefangen. Am folgenden Tage sammelte man die Todten, um sie zu identificieren und zu bestatten. Da fand man auch Kinrio mit Wunden bedeckt, Beppu, Hemmi, Murata. Neben Kinrio lag der Rumpf eines grossen Mannes, mit einer Kugelwunde und einem Schwertstich am Leibe im Anzuge eines Arbeiters, doch deutete die helle Hautfarbe sogleich den Samurai an. War es Saigô? — Ein nur unvollständig verscharrter Kopf ward bald gefunden und ange- passt, es ist kein Zweifel an der Identität! Als der tapfere Führer verwundet worden war, hatte ihm Beppu nach alter Sitte den letzten Freundschaftsdienst erwiesen, den Kopf abgehauen und verscharrt, darauf an sich selbst das Harakiri vorgenommen, so berichteten Augenzeugen. Admiral Kawamura, der Commandant der Kaiserlichen und selbst ein Satsuma-Samurai, wusch den Kopf des früheren Freundes als Zeichen seiner Achtung vor dessen Tapferkeit. Die gefallenen Re- bellen kamen in ein gemeinsames Grab bei einem Tempel in Kago- shima, Saigô, Kinrio, Beppu, Murata und Hemmi, ihre Führer, da- gegen wurden jeder in einen besonderen Sarg gelegt und nebenbei bestattet. Die Theilnahme am tragischen Ende Saigô’s war eine allge- meine und erstreckte sich auch auf die Fremden. Von allen Seiten wurden ihm die Tugenden eines Helden zuerkannt; denn Saigô war furchtlos in Gefahr, standhaft im Unglück, schöpferisch in Bezug auf seine Hilfsquellen, und bot, als sein unvermeidliches Ende heran- nahte, demselben muthig die Stirn. Eigennutz war ihm fremd und

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/460>, abgerufen am 27.04.2024.