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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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II. Ethnographie.
Japaner z. B. von den go-giyo oder fünf Elementen (Holz, Feuer, Erde,
Metall und Wasser), den go-in oder fünf Musiknoten, den go-jo oder
fünf Haupttugenden (jin, gi, rei, chi, shin oder Humanität, Aufrichtig-
keit, Anstand, Weisheit, Treue), den go-kai oder fünf Geboten der
Buddhisten (gegen Diebstahl, Lüge, Unmässigkeit, Mord und Ehe-
bruch), den go-rin oder fünf menschlichen Beziehungen (zwischen
Vater und Sohn, Herrn und Diener, Mann und Frau, Freunden und
Geschwistern), den go-koku oder fünf Hauptfrüchten des Feldes
(Reis, Gerste, Hirse, Hanf und Bohnen), den go-sekku oder fünf
grossen Festen des Jahres und verschiedenen anderen fünffach vor-
handenen Begriffen. Nächst der Zahl fünf spielt auch drei eine be-
vorzugte, volksthümliche Rolle. Die san-ga-nichi, drei (ersten) Tage
(des Jahres) sind der Begrüssung gewidmet; die san-koku, drei Län-
der par excellence waren Japan, China und Indien. Unter san-jo
versteht man die drei Hauptpflichten der Frau (Gehorsam gegen den
Vater, Mann und ältesten Sohn, je nachdem der eine oder der andere
das Haupt der Familie ist). San-kiyo nennt man die drei Religionen
(Shintoismus, Buddhismus und Lehre des Confucius), welchen Iyeyasu
Berechtigung zusprach. Die drei höchsten Minister des Mikado (Daijo-
daijin, Sa-daijin und U-daijin) heissen zusammen San-ko; die dreier-
lei Leuchten des Himmels, Sonne, Mond und Sterne, werden san-
kuwo genannt, und die drei Welten oder Zustände aller Dinge,
Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft (kon-se, diese Welt, sen-ze,
die vorige Welt, rai-se, die nächste Welt), werden wohl mit san-ze
bezeichnet.

Die japanische Sprache ist nach dem Urteil Aller, welche sich
mit ihr beschäftigt haben, vocalreich und wohlklingend, in ihrem
Wortschatze, ihrer Grammatik und Syntax jedoch zu arm, unent-
wickelt und schwerfällig, um den Anforderungen einer höheren Geistes-
cultur zu genügen. Sie ist wie ein plumpes, ungefügiges Werkzeug,
mit dem selbst der geschickteste Arbeiter nur theilweise und mühsam
seinen Zweck erreicht. Dieser Mangel wird um so mehr empfunden
werden, je tiefer die jetzige Generation in unsere abstracten Wissen-
schaften einzudringen sucht und je mehr sie geneigt sein wird, von
der blossen Nachahmung zu selbständigem, geistigem Schaffen über-
zugehen. Wiederholt ist desshalb der Gedanke angeregt worden, die
japanische Sprache mit der englischen als einflussreichsten und einer
der einfachsten und reichsten Sprachen der christlichen Culturvölker
zu vertauschen. Doch sträubt sich dagegen nicht blos der National-
stolz, sondern auch die Furcht vor den enormen Schwierigkeiten,
welche ein solcher Schritt bereiten würde.

II. Ethnographie.
Japaner z. B. von den go-giyô oder fünf Elementen (Holz, Feuer, Erde,
Metall und Wasser), den go-in oder fünf Musiknoten, den go-jô oder
fünf Haupttugenden (jin, gi, rei, chi, shin oder Humanität, Aufrichtig-
keit, Anstand, Weisheit, Treue), den go-kai oder fünf Geboten der
Buddhisten (gegen Diebstahl, Lüge, Unmässigkeit, Mord und Ehe-
bruch), den go-rin oder fünf menschlichen Beziehungen (zwischen
Vater und Sohn, Herrn und Diener, Mann und Frau, Freunden und
Geschwistern), den go-koku oder fünf Hauptfrüchten des Feldes
(Reis, Gerste, Hirse, Hanf und Bohnen), den go-sekku oder fünf
grossen Festen des Jahres und verschiedenen anderen fünffach vor-
handenen Begriffen. Nächst der Zahl fünf spielt auch drei eine be-
vorzugte, volksthümliche Rolle. Die san-ga-nichi, drei (ersten) Tage
(des Jahres) sind der Begrüssung gewidmet; die san-koku, drei Län-
der par excellence waren Japan, China und Indien. Unter san-jô
versteht man die drei Hauptpflichten der Frau (Gehorsam gegen den
Vater, Mann und ältesten Sohn, je nachdem der eine oder der andere
das Haupt der Familie ist). San-kiyo nennt man die drei Religionen
(Shintôismus, Buddhismus und Lehre des Confucius), welchen Iyeyasu
Berechtigung zusprach. Die drei höchsten Minister des Mikado (Daijo-
daijin, Sa-daijin und U-daijin) heissen zusammen San-kô; die dreier-
lei Leuchten des Himmels, Sonne, Mond und Sterne, werden san-
kuwô genannt, und die drei Welten oder Zustände aller Dinge,
Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft (kon-se, diese Welt, sen-ze,
die vorige Welt, rai-se, die nächste Welt), werden wohl mit san-ze
bezeichnet.

Die japanische Sprache ist nach dem Urteil Aller, welche sich
mit ihr beschäftigt haben, vocalreich und wohlklingend, in ihrem
Wortschatze, ihrer Grammatik und Syntax jedoch zu arm, unent-
wickelt und schwerfällig, um den Anforderungen einer höheren Geistes-
cultur zu genügen. Sie ist wie ein plumpes, ungefügiges Werkzeug,
mit dem selbst der geschickteste Arbeiter nur theilweise und mühsam
seinen Zweck erreicht. Dieser Mangel wird um so mehr empfunden
werden, je tiefer die jetzige Generation in unsere abstracten Wissen-
schaften einzudringen sucht und je mehr sie geneigt sein wird, von
der blossen Nachahmung zu selbständigem, geistigem Schaffen über-
zugehen. Wiederholt ist desshalb der Gedanke angeregt worden, die
japanische Sprache mit der englischen als einflussreichsten und einer
der einfachsten und reichsten Sprachen der christlichen Culturvölker
zu vertauschen. Doch sträubt sich dagegen nicht blos der National-
stolz, sondern auch die Furcht vor den enormen Schwierigkeiten,
welche ein solcher Schritt bereiten würde.

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[470/0504] II. Ethnographie. Japaner z. B. von den go-giyô oder fünf Elementen (Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser), den go-in oder fünf Musiknoten, den go-jô oder fünf Haupttugenden (jin, gi, rei, chi, shin oder Humanität, Aufrichtig- keit, Anstand, Weisheit, Treue), den go-kai oder fünf Geboten der Buddhisten (gegen Diebstahl, Lüge, Unmässigkeit, Mord und Ehe- bruch), den go-rin oder fünf menschlichen Beziehungen (zwischen Vater und Sohn, Herrn und Diener, Mann und Frau, Freunden und Geschwistern), den go-koku oder fünf Hauptfrüchten des Feldes (Reis, Gerste, Hirse, Hanf und Bohnen), den go-sekku oder fünf grossen Festen des Jahres und verschiedenen anderen fünffach vor- handenen Begriffen. Nächst der Zahl fünf spielt auch drei eine be- vorzugte, volksthümliche Rolle. Die san-ga-nichi, drei (ersten) Tage (des Jahres) sind der Begrüssung gewidmet; die san-koku, drei Län- der par excellence waren Japan, China und Indien. Unter san-jô versteht man die drei Hauptpflichten der Frau (Gehorsam gegen den Vater, Mann und ältesten Sohn, je nachdem der eine oder der andere das Haupt der Familie ist). San-kiyo nennt man die drei Religionen (Shintôismus, Buddhismus und Lehre des Confucius), welchen Iyeyasu Berechtigung zusprach. Die drei höchsten Minister des Mikado (Daijo- daijin, Sa-daijin und U-daijin) heissen zusammen San-kô; die dreier- lei Leuchten des Himmels, Sonne, Mond und Sterne, werden san- kuwô genannt, und die drei Welten oder Zustände aller Dinge, Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft (kon-se, diese Welt, sen-ze, die vorige Welt, rai-se, die nächste Welt), werden wohl mit san-ze bezeichnet. Die japanische Sprache ist nach dem Urteil Aller, welche sich mit ihr beschäftigt haben, vocalreich und wohlklingend, in ihrem Wortschatze, ihrer Grammatik und Syntax jedoch zu arm, unent- wickelt und schwerfällig, um den Anforderungen einer höheren Geistes- cultur zu genügen. Sie ist wie ein plumpes, ungefügiges Werkzeug, mit dem selbst der geschickteste Arbeiter nur theilweise und mühsam seinen Zweck erreicht. Dieser Mangel wird um so mehr empfunden werden, je tiefer die jetzige Generation in unsere abstracten Wissen- schaften einzudringen sucht und je mehr sie geneigt sein wird, von der blossen Nachahmung zu selbständigem, geistigem Schaffen über- zugehen. Wiederholt ist desshalb der Gedanke angeregt worden, die japanische Sprache mit der englischen als einflussreichsten und einer der einfachsten und reichsten Sprachen der christlichen Culturvölker zu vertauschen. Doch sträubt sich dagegen nicht blos der National- stolz, sondern auch die Furcht vor den enormen Schwierigkeiten, welche ein solcher Schritt bereiten würde.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/504>, abgerufen am 27.04.2024.