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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Go-kinai (Osaka).
japanischen Karten als besondere Stadt mit 16500 Einwohnern ange-
geben. Sie ist benannt nach einem berühmten und viel besuchten
Tempel, dessen voller Name Shi-tenno-ji, d. h. Tempel der
vier himmlischen Könige, ist *).

Die Geschichte dieser tera ist mit der Einführung des Buddhis-
mus verknüpft. In seiner Kondo oder goldenen Halle soll noch eine
vergoldete kupferne Statue eines Buddha zu sehen sein, welche einst
der König von Kudara Japan zum Geschenke machte.

Die Stadt Osaka breitet sich am flachen Mündungsdelta des
Yodo-gawa aus und zwar zu 4/5 auf der linken oder südlichen Seite
des Flusses, von dem aus viele Canäle sie durchschneiden. Ihre
grösste Ausdehnung ist von Osten nach Westen und die Endpunkte
sind dort in der Oberstadt (Uyemachi) das Schloss, hier Kawaguchi
(Flussmündung), das Fremdenviertel, in welchem auch das Regie-
rungsgebäude des Osaka-fu errichtet wurde. Der Hauptgeschäftstheil
der Stadt befindet sich zwischen den beiden hier erwähnten Extremen;
die Münze, welche unter englischer Leitung 1868--1872 gebaut wurde,
liegt im nördlichen Theile von Osaka rechts vom Flusse, eben so
in grösserer Entfernung der Bahnhof. Der zahlreichen Canäle und
Brücken wegen hat man Osaka in der Neuzeit wohl zuweilen das
japanische Venedig genannt. Als Mittelpunkt der Stadt gilt Korai-
bashi, die Koreanerbrücke, von der man hier, wie in Kioto von der
Sanjo-bashi, in Tokio von Nihon-bashi, alle Entfernungen misst.

Der besuchteste Buddhatempel in Osaka heisst Temmangau.
Derselbe liegt auf der Nordseite des Yodo-gawa. Auf dem Wege
von Osaka nach Sakai, 2 ri von ersterem entfernt, erblickt man zur
Linken das ausgedehnte Revier des Summiyoshi, eines alten be-
rühmten Shintotempels, der besonders viel von Fischern besucht wird,
denen der Gott vornehmlich seine Huld zuwenden soll. Der Tempel-
grund ringsum ist von hohem Interesse. In heiligen Weihern leben
unter Lotosblumen und anderen Wasserpflanzen zahlreiche Schild-
kröten und Goldfische von den Gaben der Besucher, welche hier ein
besonderes Gebäck aus Reis für sie kaufen und sie sodann durch
Händeklatschen herbeilocken. Stattliche Bäume von Laurus Camphora,
Sophora japonica und Melia Azedarach zieren einen Theil der weiten
Tempelhöfe.

*) Die Shitenno, welche nach indischer Mythe die vier Seiten des Welt-
berges Sumeru im Himalaya einnehmen und unter Indra das Weltall beschützen,
heissen Bishamon (Vaicravana), der König der Nordseite, Chikoku-tenno
(Dhritaraschtra), der König der Ostseite, Zozo-tenno (Viraudhaka), Regent der
Südseite, und Kuwomoku-tenno (Viraupakscha), der Beschützer der Westseite.
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I. Go-kinai (Ôsaka).
japanischen Karten als besondere Stadt mit 16500 Einwohnern ange-
geben. Sie ist benannt nach einem berühmten und viel besuchten
Tempel, dessen voller Name Shi-tennô-ji, d. h. Tempel der
vier himmlischen Könige, ist *).

Die Geschichte dieser tera ist mit der Einführung des Buddhis-
mus verknüpft. In seiner Kondô oder goldenen Halle soll noch eine
vergoldete kupferne Statue eines Buddha zu sehen sein, welche einst
der König von Kudara Japan zum Geschenke machte.

Die Stadt Ôsaka breitet sich am flachen Mündungsdelta des
Yodo-gawa aus und zwar zu ⅘ auf der linken oder südlichen Seite
des Flusses, von dem aus viele Canäle sie durchschneiden. Ihre
grösste Ausdehnung ist von Osten nach Westen und die Endpunkte
sind dort in der Oberstadt (Uyemachi) das Schloss, hier Kawaguchi
(Flussmündung), das Fremdenviertel, in welchem auch das Regie-
rungsgebäude des Ôsaka-fu errichtet wurde. Der Hauptgeschäftstheil
der Stadt befindet sich zwischen den beiden hier erwähnten Extremen;
die Münze, welche unter englischer Leitung 1868—1872 gebaut wurde,
liegt im nördlichen Theile von Ôsaka rechts vom Flusse, eben so
in grösserer Entfernung der Bahnhof. Der zahlreichen Canäle und
Brücken wegen hat man Ôsaka in der Neuzeit wohl zuweilen das
japanische Venedig genannt. Als Mittelpunkt der Stadt gilt Korai-
bashi, die Koreanerbrücke, von der man hier, wie in Kiôto von der
Sanjô-bashi, in Tôkio von Nihon-bashi, alle Entfernungen misst.

Der besuchteste Buddhatempel in Ôsaka heisst Temmangû.
Derselbe liegt auf der Nordseite des Yodo-gawa. Auf dem Wege
von Ôsaka nach Sakai, 2 ri von ersterem entfernt, erblickt man zur
Linken das ausgedehnte Revier des Summiyoshi, eines alten be-
rühmten Shintôtempels, der besonders viel von Fischern besucht wird,
denen der Gott vornehmlich seine Huld zuwenden soll. Der Tempel-
grund ringsum ist von hohem Interesse. In heiligen Weihern leben
unter Lotosblumen und anderen Wasserpflanzen zahlreiche Schild-
kröten und Goldfische von den Gaben der Besucher, welche hier ein
besonderes Gebäck aus Reis für sie kaufen und sie sodann durch
Händeklatschen herbeilocken. Stattliche Bäume von Laurus Camphora,
Sophora japonica und Melia Azedarach zieren einen Theil der weiten
Tempelhöfe.

*) Die Shitennô, welche nach indischer Mythe die vier Seiten des Welt-
berges Sumeru im Himalaya einnehmen und unter Indra das Weltall beschützen,
heissen Bishamon (Vaiçravaṇa), der König der Nordseite, Chikoku-tennô
(Dhṛitarâschṭra), der König der Ostseite, Zôzô-tennô (Virûdhaka), Regent der
Südseite, und Kuwomoku-tennô (Virûpâkscha), der Beschützer der Westseite.
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[547/0587] I. Go-kinai (Ôsaka). japanischen Karten als besondere Stadt mit 16500 Einwohnern ange- geben. Sie ist benannt nach einem berühmten und viel besuchten Tempel, dessen voller Name Shi-tennô-ji, d. h. Tempel der vier himmlischen Könige, ist *). Die Geschichte dieser tera ist mit der Einführung des Buddhis- mus verknüpft. In seiner Kondô oder goldenen Halle soll noch eine vergoldete kupferne Statue eines Buddha zu sehen sein, welche einst der König von Kudara Japan zum Geschenke machte. Die Stadt Ôsaka breitet sich am flachen Mündungsdelta des Yodo-gawa aus und zwar zu ⅘ auf der linken oder südlichen Seite des Flusses, von dem aus viele Canäle sie durchschneiden. Ihre grösste Ausdehnung ist von Osten nach Westen und die Endpunkte sind dort in der Oberstadt (Uyemachi) das Schloss, hier Kawaguchi (Flussmündung), das Fremdenviertel, in welchem auch das Regie- rungsgebäude des Ôsaka-fu errichtet wurde. Der Hauptgeschäftstheil der Stadt befindet sich zwischen den beiden hier erwähnten Extremen; die Münze, welche unter englischer Leitung 1868—1872 gebaut wurde, liegt im nördlichen Theile von Ôsaka rechts vom Flusse, eben so in grösserer Entfernung der Bahnhof. Der zahlreichen Canäle und Brücken wegen hat man Ôsaka in der Neuzeit wohl zuweilen das japanische Venedig genannt. Als Mittelpunkt der Stadt gilt Korai- bashi, die Koreanerbrücke, von der man hier, wie in Kiôto von der Sanjô-bashi, in Tôkio von Nihon-bashi, alle Entfernungen misst. Der besuchteste Buddhatempel in Ôsaka heisst Temmangû. Derselbe liegt auf der Nordseite des Yodo-gawa. Auf dem Wege von Ôsaka nach Sakai, 2 ri von ersterem entfernt, erblickt man zur Linken das ausgedehnte Revier des Summiyoshi, eines alten be- rühmten Shintôtempels, der besonders viel von Fischern besucht wird, denen der Gott vornehmlich seine Huld zuwenden soll. Der Tempel- grund ringsum ist von hohem Interesse. In heiligen Weihern leben unter Lotosblumen und anderen Wasserpflanzen zahlreiche Schild- kröten und Goldfische von den Gaben der Besucher, welche hier ein besonderes Gebäck aus Reis für sie kaufen und sie sodann durch Händeklatschen herbeilocken. Stattliche Bäume von Laurus Camphora, Sophora japonica und Melia Azedarach zieren einen Theil der weiten Tempelhöfe. *) Die Shitennô, welche nach indischer Mythe die vier Seiten des Welt- berges Sumeru im Himalaya einnehmen und unter Indra das Weltall beschützen, heissen Bishamon (Vaiçravaṇa), der König der Nordseite, Chikoku-tennô (Dhṛitarâschṭra), der König der Ostseite, Zôzô-tennô (Virûdhaka), Regent der Südseite, und Kuwomoku-tennô (Virûpâkscha), der Beschützer der Westseite. 35*

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/587>, abgerufen am 28.04.2024.