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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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3. Lackindustrie.

Für den seitdem jährlich steigenden Export japanischer Lack-
waaren aber, wie nicht minder für den einheimischen täglichen Bedarf,
wozu auch das jetzt so verbreitete Vehikel Jin-riki-sha gehört, ver-
langte die zunehmende Concurrenz vor allem, dass der Lackierer rasch
und billig arbeite. Sein Talent schien fortan nur hierauf, sowie auf
die Erfindung neuer Formen für Nippsachen und Gebrauchsartikel
mancherlei Art gerichtet und in dieser Richtung ausgebildet zu werden.

Der ausländische Freund und Kenner der japanischen Lackindustrie
sagte sich aber beim Hinblick auf diese Erscheinungen mit Recht:
"Hier schwindet ein glänzender Zug aus Japan's Vergangenheit; denn
nicht lange wird es währen, so ist auch der letzte tüchtige Makiye-shi
dahin, der letzte, der es verstand, nach alter Art mit seinem Lack-
pinsel wirkliche Kunstwerke zu schaffen, und es bleibt nur das ge-
wöhnliche Fabrikat für den täglichen Markt, d. h. nur ein schwacher
Abklatsch der ehemaligen Kunstfertigkeit und Leistung.*) Es gilt
daher aufzukaufen und für unsere heimischen Sammlungen zu retten,
was noch von alten Kunstwerken übrig ist."**) Und siehe da, mit
diesem Streben und den Impulsen, welche die grossen internationalen
Ausstellungen nach Japan brachten, hoben sich auch die Preise feiner
Goldlackarbeiten wieder. Die wahrhaft künstlerische Ausstattung der
Lackwaare machte sich wieder bezahlt, und das Resultat davon ist,
dass es auch heutigen Tages nicht an Makiye-shi fehlt, deren Leistungen
sich den besten aus früherer Zeit ebenbürtig an die Seite stellen lassen.

Auf der letzten grossen Pariser Industrie-Ausstellung von 1878
ragte unter den japanischen Lackwaaren vor allem ein Gegenstand,
eine lackierte dreitheilige spanische Wand (biobu) durch Reichthum und
Eleganz der Decoration hervor, ein Paradestück, das selbst neben den
Schilden von Elkington, den Bronzen von Barbedienne oder den herr-
lichen indischen Sachen des Prinzen von Wales eindrucksvoll auf den
Kunstkenner gewirkt hätte. Durch dieses Meisterstück, an welchem in

*) Treffend sagt Wagener in dem wiederholt citierten Artikel von den japani-
schen Lacksachen, dass es hier dieselben Abstufungen gibt, wie zwischen einem
Bilderbogen für Kinder und einem von Meisterhand ausgeführten Miniaturgemälde,
und je öfter der Kenner ein wirklich schönes Stück japanischer Lackarbeit be-
trachtet, desto mehr Freude werde er daran haben.
**) Uebrigens bemerkt der Franzose Watin schon 1773 in seinem Werke über
die Lackierkunst: "Jene asiatischen Völker (Chinesen und Japaner) arbeiten ihre
Sachen nicht einmal so fleissig und schön mehr, seitdem sie, voll Erstaunen über
unsere thörichte Liebhaberei, den Vorrat kaum liefern können, den unsere
unersättlichen Wünsche verlangen. Sie vernachlässigen die Arbeit, um eine desto
grössere Menge zu verfertigen. Die Liebhaber machen daher auch einen grossen
Unterschied zwischen dem alten und neuen Lack".
3. Lackindustrie.

Für den seitdem jährlich steigenden Export japanischer Lack-
waaren aber, wie nicht minder für den einheimischen täglichen Bedarf,
wozu auch das jetzt so verbreitete Vehikel Jin-riki-sha gehört, ver-
langte die zunehmende Concurrenz vor allem, dass der Lackierer rasch
und billig arbeite. Sein Talent schien fortan nur hierauf, sowie auf
die Erfindung neuer Formen für Nippsachen und Gebrauchsartikel
mancherlei Art gerichtet und in dieser Richtung ausgebildet zu werden.

Der ausländische Freund und Kenner der japanischen Lackindustrie
sagte sich aber beim Hinblick auf diese Erscheinungen mit Recht:
»Hier schwindet ein glänzender Zug aus Japan’s Vergangenheit; denn
nicht lange wird es währen, so ist auch der letzte tüchtige Makiye-shi
dahin, der letzte, der es verstand, nach alter Art mit seinem Lack-
pinsel wirkliche Kunstwerke zu schaffen, und es bleibt nur das ge-
wöhnliche Fabrikat für den täglichen Markt, d. h. nur ein schwacher
Abklatsch der ehemaligen Kunstfertigkeit und Leistung.*) Es gilt
daher aufzukaufen und für unsere heimischen Sammlungen zu retten,
was noch von alten Kunstwerken übrig ist.«**) Und siehe da, mit
diesem Streben und den Impulsen, welche die grossen internationalen
Ausstellungen nach Japan brachten, hoben sich auch die Preise feiner
Goldlackarbeiten wieder. Die wahrhaft künstlerische Ausstattung der
Lackwaare machte sich wieder bezahlt, und das Resultat davon ist,
dass es auch heutigen Tages nicht an Makiye-shi fehlt, deren Leistungen
sich den besten aus früherer Zeit ebenbürtig an die Seite stellen lassen.

Auf der letzten grossen Pariser Industrie-Ausstellung von 1878
ragte unter den japanischen Lackwaaren vor allem ein Gegenstand,
eine lackierte dreitheilige spanische Wand (biobu) durch Reichthum und
Eleganz der Decoration hervor, ein Paradestück, das selbst neben den
Schilden von Elkington, den Bronzen von Barbedienne oder den herr-
lichen indischen Sachen des Prinzen von Wales eindrucksvoll auf den
Kunstkenner gewirkt hätte. Durch dieses Meisterstück, an welchem in

*) Treffend sagt Wagener in dem wiederholt citierten Artikel von den japani-
schen Lacksachen, dass es hier dieselben Abstufungen gibt, wie zwischen einem
Bilderbogen für Kinder und einem von Meisterhand ausgeführten Miniaturgemälde,
und je öfter der Kenner ein wirklich schönes Stück japanischer Lackarbeit be-
trachtet, desto mehr Freude werde er daran haben.
**) Uebrigens bemerkt der Franzose Watin schon 1773 in seinem Werke über
die Lackierkunst: »Jene asiatischen Völker (Chinesen und Japaner) arbeiten ihre
Sachen nicht einmal so fleissig und schön mehr, seitdem sie, voll Erstaunen über
unsere thörichte Liebhaberei, den Vorrat kaum liefern können, den unsere
unersättlichen Wünsche verlangen. Sie vernachlässigen die Arbeit, um eine desto
grössere Menge zu verfertigen. Die Liebhaber machen daher auch einen grossen
Unterschied zwischen dem alten und neuen Lack«.
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[447/0477] 3. Lackindustrie. Für den seitdem jährlich steigenden Export japanischer Lack- waaren aber, wie nicht minder für den einheimischen täglichen Bedarf, wozu auch das jetzt so verbreitete Vehikel Jin-riki-sha gehört, ver- langte die zunehmende Concurrenz vor allem, dass der Lackierer rasch und billig arbeite. Sein Talent schien fortan nur hierauf, sowie auf die Erfindung neuer Formen für Nippsachen und Gebrauchsartikel mancherlei Art gerichtet und in dieser Richtung ausgebildet zu werden. Der ausländische Freund und Kenner der japanischen Lackindustrie sagte sich aber beim Hinblick auf diese Erscheinungen mit Recht: »Hier schwindet ein glänzender Zug aus Japan’s Vergangenheit; denn nicht lange wird es währen, so ist auch der letzte tüchtige Makiye-shi dahin, der letzte, der es verstand, nach alter Art mit seinem Lack- pinsel wirkliche Kunstwerke zu schaffen, und es bleibt nur das ge- wöhnliche Fabrikat für den täglichen Markt, d. h. nur ein schwacher Abklatsch der ehemaligen Kunstfertigkeit und Leistung. *) Es gilt daher aufzukaufen und für unsere heimischen Sammlungen zu retten, was noch von alten Kunstwerken übrig ist.« **) Und siehe da, mit diesem Streben und den Impulsen, welche die grossen internationalen Ausstellungen nach Japan brachten, hoben sich auch die Preise feiner Goldlackarbeiten wieder. Die wahrhaft künstlerische Ausstattung der Lackwaare machte sich wieder bezahlt, und das Resultat davon ist, dass es auch heutigen Tages nicht an Makiye-shi fehlt, deren Leistungen sich den besten aus früherer Zeit ebenbürtig an die Seite stellen lassen. Auf der letzten grossen Pariser Industrie-Ausstellung von 1878 ragte unter den japanischen Lackwaaren vor allem ein Gegenstand, eine lackierte dreitheilige spanische Wand (biobu) durch Reichthum und Eleganz der Decoration hervor, ein Paradestück, das selbst neben den Schilden von Elkington, den Bronzen von Barbedienne oder den herr- lichen indischen Sachen des Prinzen von Wales eindrucksvoll auf den Kunstkenner gewirkt hätte. Durch dieses Meisterstück, an welchem in *) Treffend sagt Wagener in dem wiederholt citierten Artikel von den japani- schen Lacksachen, dass es hier dieselben Abstufungen gibt, wie zwischen einem Bilderbogen für Kinder und einem von Meisterhand ausgeführten Miniaturgemälde, und je öfter der Kenner ein wirklich schönes Stück japanischer Lackarbeit be- trachtet, desto mehr Freude werde er daran haben. **) Uebrigens bemerkt der Franzose Watin schon 1773 in seinem Werke über die Lackierkunst: »Jene asiatischen Völker (Chinesen und Japaner) arbeiten ihre Sachen nicht einmal so fleissig und schön mehr, seitdem sie, voll Erstaunen über unsere thörichte Liebhaberei, den Vorrat kaum liefern können, den unsere unersättlichen Wünsche verlangen. Sie vernachlässigen die Arbeit, um eine desto grössere Menge zu verfertigen. Die Liebhaber machen daher auch einen grossen Unterschied zwischen dem alten und neuen Lack«.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/477>, abgerufen am 07.05.2024.