Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

der Clarissa.
Jch ließ mich aber dis nicht sehr anfechten: denn
ich meinte, nachdem die Ursache aus dem Wege
geräumet wäre, die sie hatten auf mich neidisch
zu seyn, so wäre alles nur eine Frucht des Muth-
willens, der meinem Bruder und meiner Schwe-
ster so natürlich ist.

Bald darauf erbte mein Bruder das Gut sei-
ner Pathe. Das war für uns alle ein Glück:
und noch ein grösseres Glück war es, daß er nach
Schottland reisete, um es in Besitz zu nehmen,
und eine so angenehme Ursache hatte lange auszu-
bleiben. Der Lord M. that darauf den Antrag
wegen meiner Schwester; und das war ein aber-
mahliges Glück von kurtzer Dauer für uns alle,
denn meine Schwester war damahls ausserordent-
lich aufgeräumet, wie ich Jhnen schon gemeldet
habe.

Sie wissen, wie es mit diesem Vorschlage abge-
lauffen, und was an dessen Stelle gekommen ist.

So bald mein Bruder aus Schottland zurück-
gekommen war, so war alles wieder uneinig. Mei-
ne Schwester Arabella wuste sich gegen meinen
Bruder anzustellen, als wenn sie Herrn Love-
lace
wegen seines unordentlichen Lebens abschlä-
gige Antwort gegeben hätte. Dieses vereinigte
meinen Bruder und meine Schwester, daß sie
wieder mich gemeinschaftliche Sache machen kon-
ten. Sie gaben sich Mühe, Herrn Lovelace
und so gar seine Familie (welche doch gewiß alle
Hochachtung verdient) bey jeder Gelegenheit her-
unter zu setzen und verächtlich zu machen. Die-

ses

der Clariſſa.
Jch ließ mich aber dis nicht ſehr anfechten: denn
ich meinte, nachdem die Urſache aus dem Wege
geraͤumet waͤre, die ſie hatten auf mich neidiſch
zu ſeyn, ſo waͤre alles nur eine Frucht des Muth-
willens, der meinem Bruder und meiner Schwe-
ſter ſo natuͤrlich iſt.

Bald darauf erbte mein Bruder das Gut ſei-
ner Pathe. Das war fuͤr uns alle ein Gluͤck:
und noch ein groͤſſeres Gluͤck war es, daß er nach
Schottland reiſete, um es in Beſitz zu nehmen,
und eine ſo angenehme Urſache hatte lange auszu-
bleiben. Der Lord M. that darauf den Antrag
wegen meiner Schweſter; und das war ein aber-
mahliges Gluͤck von kurtzer Dauer fuͤr uns alle,
denn meine Schweſter war damahls auſſerordent-
lich aufgeraͤumet, wie ich Jhnen ſchon gemeldet
habe.

Sie wiſſen, wie es mit dieſem Vorſchlage abge-
lauffen, und was an deſſen Stelle gekommen iſt.

So bald mein Bruder aus Schottland zuruͤck-
gekommen war, ſo war alles wieder uneinig. Mei-
ne Schweſter Arabella wuſte ſich gegen meinen
Bruder anzuſtellen, als wenn ſie Herrn Love-
lace
wegen ſeines unordentlichen Lebens abſchlaͤ-
gige Antwort gegeben haͤtte. Dieſes vereinigte
meinen Bruder und meine Schweſter, daß ſie
wieder mich gemeinſchaftliche Sache machen kon-
ten. Sie gaben ſich Muͤhe, Herrn Lovelace
und ſo gar ſeine Familie (welche doch gewiß alle
Hochachtung verdient) bey jeder Gelegenheit her-
unter zu ſetzen und veraͤchtlich zu machen. Die-

ſes
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0143" n="123"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a.</hi></hi></fw><lb/>
Jch ließ mich aber dis nicht &#x017F;ehr anfechten: denn<lb/>
ich meinte, nachdem die Ur&#x017F;ache aus dem Wege<lb/>
gera&#x0364;umet wa&#x0364;re, die &#x017F;ie hatten auf mich neidi&#x017F;ch<lb/>
zu &#x017F;eyn, &#x017F;o wa&#x0364;re alles nur eine Frucht des Muth-<lb/>
willens, der meinem Bruder und meiner Schwe-<lb/>
&#x017F;ter &#x017F;o natu&#x0364;rlich i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Bald darauf erbte mein Bruder das Gut &#x017F;ei-<lb/>
ner Pathe. Das war fu&#x0364;r uns alle ein Glu&#x0364;ck:<lb/>
und noch ein gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;eres Glu&#x0364;ck war es, daß er nach<lb/>
Schottland rei&#x017F;ete, um es in Be&#x017F;itz zu nehmen,<lb/>
und eine &#x017F;o angenehme Ur&#x017F;ache hatte lange auszu-<lb/>
bleiben. Der <hi rendition="#fr">Lord M.</hi> that darauf den Antrag<lb/>
wegen meiner Schwe&#x017F;ter; und das war ein aber-<lb/>
mahliges Glu&#x0364;ck von kurtzer Dauer fu&#x0364;r uns alle,<lb/>
denn meine Schwe&#x017F;ter war damahls au&#x017F;&#x017F;erordent-<lb/>
lich aufgera&#x0364;umet, wie ich Jhnen &#x017F;chon gemeldet<lb/>
habe.</p><lb/>
        <p>Sie wi&#x017F;&#x017F;en, wie es mit die&#x017F;em Vor&#x017F;chlage abge-<lb/>
lauffen, und was an de&#x017F;&#x017F;en Stelle gekommen i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>So bald mein Bruder aus Schottland zuru&#x0364;ck-<lb/>
gekommen war, &#x017F;o war alles wieder uneinig. Mei-<lb/>
ne Schwe&#x017F;ter Arabella wu&#x017F;te &#x017F;ich <choice><sic>gegeu</sic><corr>gegen</corr></choice> meinen<lb/>
Bruder anzu&#x017F;tellen, als wenn &#x017F;ie Herrn <hi rendition="#fr">Love-<lb/>
lace</hi> wegen &#x017F;eines unordentlichen Lebens ab&#x017F;chla&#x0364;-<lb/>
gige Antwort gegeben ha&#x0364;tte. Die&#x017F;es vereinigte<lb/>
meinen Bruder und meine Schwe&#x017F;ter, daß &#x017F;ie<lb/>
wieder mich gemein&#x017F;chaftliche Sache machen kon-<lb/>
ten. Sie gaben &#x017F;ich Mu&#x0364;he, Herrn <hi rendition="#fr">Lovelace</hi><lb/>
und &#x017F;o gar &#x017F;eine Familie (welche doch gewiß alle<lb/>
Hochachtung verdient) bey jeder Gelegenheit her-<lb/>
unter zu &#x017F;etzen und vera&#x0364;chtlich zu machen. Die-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;es</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0143] der Clariſſa. Jch ließ mich aber dis nicht ſehr anfechten: denn ich meinte, nachdem die Urſache aus dem Wege geraͤumet waͤre, die ſie hatten auf mich neidiſch zu ſeyn, ſo waͤre alles nur eine Frucht des Muth- willens, der meinem Bruder und meiner Schwe- ſter ſo natuͤrlich iſt. Bald darauf erbte mein Bruder das Gut ſei- ner Pathe. Das war fuͤr uns alle ein Gluͤck: und noch ein groͤſſeres Gluͤck war es, daß er nach Schottland reiſete, um es in Beſitz zu nehmen, und eine ſo angenehme Urſache hatte lange auszu- bleiben. Der Lord M. that darauf den Antrag wegen meiner Schweſter; und das war ein aber- mahliges Gluͤck von kurtzer Dauer fuͤr uns alle, denn meine Schweſter war damahls auſſerordent- lich aufgeraͤumet, wie ich Jhnen ſchon gemeldet habe. Sie wiſſen, wie es mit dieſem Vorſchlage abge- lauffen, und was an deſſen Stelle gekommen iſt. So bald mein Bruder aus Schottland zuruͤck- gekommen war, ſo war alles wieder uneinig. Mei- ne Schweſter Arabella wuſte ſich gegen meinen Bruder anzuſtellen, als wenn ſie Herrn Love- lace wegen ſeines unordentlichen Lebens abſchlaͤ- gige Antwort gegeben haͤtte. Dieſes vereinigte meinen Bruder und meine Schweſter, daß ſie wieder mich gemeinſchaftliche Sache machen kon- ten. Sie gaben ſich Muͤhe, Herrn Lovelace und ſo gar ſeine Familie (welche doch gewiß alle Hochachtung verdient) bey jeder Gelegenheit her- unter zu ſetzen und veraͤchtlich zu machen. Die- ſes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/143
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/143>, abgerufen am 07.05.2024.