Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

der Clarissa.
dem Gottes-Dienst bey mir vorlieb
nimmt.

Dis gefiel mir sehr wol, weil er in dieser
Handlung sich freygebig und doch auch verständig
aufführte, und, wie mein Onckle sehr richtig an-
merckte, die jährliche Pacht des Gutes nicht her-
untersetzte. Dem ohngeachtet schlug mir das Hertz
nicht dabey, und ich bekam keine Röthe ins Ge-
sicht. Sie können mir auf mein Wort glau-
ben. Aber das muß ich Jhnen gestehen, daß ich
heimlich zu mir sagte: wenn es mein Verhängniß
wäre, diesen Mann zu kriegen, so würde er mich
nicht abhalten mir durch Wohlthaten ein Ver-
gnügen zu machen. Es ist Schade, daß ein
Herr, der so viel gutes an sich hat, nicht in
allen Stücken tugendhaft ist.

Vergeben Sie mir, daß ich mich bey einem Ne-
ben-Umstande so weitläufftig aufgehalten habe.
Jch komme wieder auf die Unterredung meines
Onckles mit meinen Geschwistern: Er sagte noch
weiter: Herr Lovelace habe ausser seinem
Stamm-Gute noch sehr schöne Erbschaff-
ten zu erwarten. Als er um Arabellen ange-
halten/ habe ihm der
Lord M. gesagt/ was
sowohl er selbst als seine beyden Halbschwe-
stern für ihn zu thun gesinnet wären/ um
ihn desto mehr in den Stand zu setzen/
daß er sich dereinst dem Titel gemäß auffüh-
ren könnte/ der durch den Tod des
Lord
M. verlöscht/ und den sie nachher auf ihn
zu bringen hoffen. Ja sie hätten noch

grössere

der Clariſſa.
dem Gottes-Dienſt bey mir vorlieb
nimmt.

Dis gefiel mir ſehr wol, weil er in dieſer
Handlung ſich freygebig und doch auch verſtaͤndig
auffuͤhrte, und, wie mein Onckle ſehr richtig an-
merckte, die jaͤhrliche Pacht des Gutes nicht her-
unterſetzte. Dem ohngeachtet ſchlug mir das Hertz
nicht dabey, und ich bekam keine Roͤthe ins Ge-
ſicht. Sie koͤnnen mir auf mein Wort glau-
ben. Aber das muß ich Jhnen geſtehen, daß ich
heimlich zu mir ſagte: wenn es mein Verhaͤngniß
waͤre, dieſen Mann zu kriegen, ſo wuͤrde er mich
nicht abhalten mir durch Wohlthaten ein Ver-
gnuͤgen zu machen. Es iſt Schade, daß ein
Herr, der ſo viel gutes an ſich hat, nicht in
allen Stuͤcken tugendhaft iſt.

Vergeben Sie mir, daß ich mich bey einem Ne-
ben-Umſtande ſo weitlaͤufftig aufgehalten habe.
Jch komme wieder auf die Unterredung meines
Onckles mit meinen Geſchwiſtern: Er ſagte noch
weiter: Herr Lovelace habe auſſer ſeinem
Stamm-Gute noch ſehr ſchoͤne Erbſchaff-
ten zu erwarten. Als er um Arabellen ange-
halten/ habe ihm der
Lord M. geſagt/ was
ſowohl er ſelbſt als ſeine beyden Halbſchwe-
ſtern fuͤr ihn zu thun geſinnet waͤren/ um
ihn deſto mehr in den Stand zu ſetzen/
daß er ſich dereinſt dem Titel gemaͤß auffuͤh-
ren koͤnnte/ der durch den Tod des
Lord
M. verloͤſcht/ und den ſie nachher auf ihn
zu bringen hoffen. Ja ſie haͤtten noch

groͤſſere
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p>
          <pb facs="#f0147" n="127"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a.</hi> </hi> </fw><lb/> <hi rendition="#fr">dem Gottes-Dien&#x017F;t bey mir vorlieb<lb/>
nimmt.</hi> </p><lb/>
        <p>Dis gefiel mir &#x017F;ehr wol, weil er in die&#x017F;er<lb/>
Handlung &#x017F;ich freygebig und doch auch ver&#x017F;ta&#x0364;ndig<lb/>
auffu&#x0364;hrte, und, wie mein Onckle &#x017F;ehr richtig an-<lb/>
merckte, die ja&#x0364;hrliche Pacht des Gutes nicht her-<lb/>
unter&#x017F;etzte. Dem ohngeachtet &#x017F;chlug mir das Hertz<lb/>
nicht dabey, und ich bekam keine Ro&#x0364;the ins Ge-<lb/>
&#x017F;icht. Sie ko&#x0364;nnen mir auf <hi rendition="#fr">mein Wort</hi> glau-<lb/>
ben. Aber das muß ich Jhnen ge&#x017F;tehen, daß ich<lb/>
heimlich zu mir &#x017F;agte: wenn es mein Verha&#x0364;ngniß<lb/>
wa&#x0364;re, die&#x017F;en Mann zu kriegen, &#x017F;o wu&#x0364;rde er mich<lb/>
nicht abhalten mir durch Wohlthaten ein Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen zu machen. Es i&#x017F;t Schade, daß ein<lb/>
Herr, der &#x017F;o viel gutes an &#x017F;ich hat, nicht in<lb/>
allen Stu&#x0364;cken tugendhaft i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Vergeben Sie mir, daß ich mich bey einem Ne-<lb/>
ben-Um&#x017F;tande &#x017F;o weitla&#x0364;ufftig aufgehalten habe.<lb/>
Jch komme wieder auf die Unterredung meines<lb/>
Onckles mit meinen Ge&#x017F;chwi&#x017F;tern: Er &#x017F;agte noch<lb/>
weiter: <hi rendition="#fr">Herr</hi> L<hi rendition="#fr">ovelace habe au&#x017F;&#x017F;er &#x017F;einem<lb/>
Stamm-Gute noch &#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;ne Erb&#x017F;chaff-<lb/>
ten zu erwarten. Als er um Arabellen ange-<lb/>
halten/ habe ihm der</hi> L<hi rendition="#fr">ord M. ge&#x017F;agt/ was<lb/>
&#x017F;owohl er &#x017F;elb&#x017F;t als &#x017F;eine beyden Halb&#x017F;chwe-<lb/>
&#x017F;tern fu&#x0364;r ihn zu thun ge&#x017F;innet wa&#x0364;ren/ um<lb/>
ihn de&#x017F;to mehr in den Stand zu &#x017F;etzen/<lb/>
daß er &#x017F;ich derein&#x017F;t dem Titel gema&#x0364;ß auffu&#x0364;h-<lb/>
ren ko&#x0364;nnte/ der durch den Tod des</hi> L<hi rendition="#fr">ord<lb/>
M. verlo&#x0364;&#x017F;cht/ und den &#x017F;ie nachher auf ihn<lb/>
zu bringen hoffen. Ja &#x017F;ie ha&#x0364;tten noch</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0147] der Clariſſa. dem Gottes-Dienſt bey mir vorlieb nimmt. Dis gefiel mir ſehr wol, weil er in dieſer Handlung ſich freygebig und doch auch verſtaͤndig auffuͤhrte, und, wie mein Onckle ſehr richtig an- merckte, die jaͤhrliche Pacht des Gutes nicht her- unterſetzte. Dem ohngeachtet ſchlug mir das Hertz nicht dabey, und ich bekam keine Roͤthe ins Ge- ſicht. Sie koͤnnen mir auf mein Wort glau- ben. Aber das muß ich Jhnen geſtehen, daß ich heimlich zu mir ſagte: wenn es mein Verhaͤngniß waͤre, dieſen Mann zu kriegen, ſo wuͤrde er mich nicht abhalten mir durch Wohlthaten ein Ver- gnuͤgen zu machen. Es iſt Schade, daß ein Herr, der ſo viel gutes an ſich hat, nicht in allen Stuͤcken tugendhaft iſt. Vergeben Sie mir, daß ich mich bey einem Ne- ben-Umſtande ſo weitlaͤufftig aufgehalten habe. Jch komme wieder auf die Unterredung meines Onckles mit meinen Geſchwiſtern: Er ſagte noch weiter: Herr Lovelace habe auſſer ſeinem Stamm-Gute noch ſehr ſchoͤne Erbſchaff- ten zu erwarten. Als er um Arabellen ange- halten/ habe ihm der Lord M. geſagt/ was ſowohl er ſelbſt als ſeine beyden Halbſchwe- ſtern fuͤr ihn zu thun geſinnet waͤren/ um ihn deſto mehr in den Stand zu ſetzen/ daß er ſich dereinſt dem Titel gemaͤß auffuͤh- ren koͤnnte/ der durch den Tod des Lord M. verloͤſcht/ und den ſie nachher auf ihn zu bringen hoffen. Ja ſie haͤtten noch groͤſſere

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/147
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/147>, abgerufen am 06.05.2024.