"lassen würde, wenn ich es nach und nach nä- "hern Kauff gäbe. (Der abscheuliche Kerl) Der "alte Ritter Oliver hätte die Welt vollkommen "gekannt, und hätte immer gesagt, Furcht "sey ein beßeres Mittel als die Liebe eine Frau zu "Beobachtung ihrer Schuldigkeit anzuhalten. "Er wollte inzwischen bey einer so artigen Per- "son zum wenigsten einige Wochen lang versuchen "was die Liebe ausrichten würde. Denn er "wollte das nicht gern glauben, was der alte "Herr zu sagen pflegte, daß die Liebe mehr schlim- "me als gute Weiber machte.
Was dünckt Jhnen zu einem solchen Men- schen? Der noch dazu die Sprüche des alten Fein- des aller Frauenzimmer des Ritter Olivers für göttlich hält.
Der ein und viertzigste Brief. von Fräultin Clarissa Harlowe an Fräulein Howe.
Dienstags den 21ten Märtz
Wie gern würde sich meine Mutter gütig gegen mich erzeigen, wenn es ihr nur erlaubt wäre. Jch bin gewiß verstchert, daß alle meine jetzigen Verfolgungen wegfallen würden, wenn man gegen sie die Achtung bewiese, die ihr schöner Verstand verdient. Jch weiß nicht ob ich es ihr, oder ihrer
Schwe-
Erster Theil. G g
der Clariſſa.
„laſſen wuͤrde, wenn ich es nach und nach naͤ- „hern Kauff gaͤbe. (Der abſcheuliche Kerl) Der „alte Ritter Oliver haͤtte die Welt vollkommen „gekannt, und haͤtte immer geſagt, Furcht „ſey ein beßeres Mittel als die Liebe eine Frau zu „Beobachtung ihrer Schuldigkeit anzuhalten. „Er wollte inzwiſchen bey einer ſo artigen Per- „ſon zum wenigſten einige Wochen lang verſuchen „was die Liebe ausrichten wuͤrde. Denn er „wollte das nicht gern glauben, was der alte „Herr zu ſagen pflegte, daß die Liebe mehr ſchlim- „me als gute Weiber machte.
Was duͤnckt Jhnen zu einem ſolchen Men- ſchen? Der noch dazu die Spruͤche des alten Fein- des aller Frauenzimmer des Ritter Olivers fuͤr goͤttlich haͤlt.
Der ein und viertzigſte Brief. von Fraͤultin Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe.
Dienſtags den 21ten Maͤrtz
Wie gern wuͤrde ſich meine Mutter guͤtig gegen mich erzeigen, wenn es ihr nur erlaubt waͤre. Jch bin gewiß verſtchert, daß alle meine jetzigen Verfolgungen wegfallen wuͤrden, wenn man gegen ſie die Achtung bewieſe, die ihr ſchoͤner Verſtand verdient. Jch weiß nicht ob ich es ihr, oder ihrer
Schwe-
Erſter Theil. G g
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der Clariſſa.
„laſſen wuͤrde, wenn ich es nach und nach naͤ-
„hern Kauff gaͤbe. (Der abſcheuliche Kerl) Der
„alte Ritter Oliver haͤtte die Welt vollkommen
„gekannt, und haͤtte immer geſagt, Furcht
„ſey ein beßeres Mittel als die Liebe eine Frau zu
„Beobachtung ihrer Schuldigkeit anzuhalten.
„Er wollte inzwiſchen bey einer ſo artigen Per-
„ſon zum wenigſten einige Wochen lang verſuchen
„was die Liebe ausrichten wuͤrde. Denn er
„wollte das nicht gern glauben, was der alte
„Herr zu ſagen pflegte, daß die Liebe mehr ſchlim-
„me als gute Weiber machte.
Was duͤnckt Jhnen zu einem ſolchen Men-
ſchen? Der noch dazu die Spruͤche des alten Fein-
des aller Frauenzimmer des Ritter Olivers fuͤr
goͤttlich haͤlt.
Der ein und viertzigſte Brief.
von
Fraͤultin Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.
Dienſtags den 21ten Maͤrtz
Wie gern wuͤrde ſich meine Mutter guͤtig gegen
mich erzeigen, wenn es ihr nur erlaubt waͤre.
Jch bin gewiß verſtchert, daß alle meine jetzigen
Verfolgungen wegfallen wuͤrden, wenn man gegen
ſie die Achtung bewieſe, die ihr ſchoͤner Verſtand
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/485>, abgerufen am 22.04.2021.
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