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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

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Er wünscht, daß morgen sein glücklicher
Tag seyn möchte, und daß er nicht Zeit hät-
te, jemanden zur Hochzeit zu bitten!
Der
Schelm: Eben hatte er selbst den Vorschlag gethan,
seinen Onckle zur Hochzeit zu bitten. Er scheint
Jhnen den Verzug beyzumessen! Was für ein
Mensch! Jch ärgere mich nur über ihn!

Wiewohl, bey der Verhältniß, in der Sie jetzt
mit einander stehen, sollte ich billig meinen Unwil-
len verbergen: und dennoch weiß ich nicht, was ich
thun soll. Denn ein Frauenzimmer kann nicht un-
glücklicher seyn, als wenn es einen Mann nehmen
muß, den es verachtet. Sie können nicht anders,
als ihn bisweilen verachten. Jch wünschte übrigens,
daß die Faust, damit er sich vor den Kopf schlug,
ein Beil in der Hand seines ärgsten Feindes gewe-
sen seyn möchte.

Jch werde darauf dencken, wie ich Sie aus seinen
Händen befreyen, und Jhnen eine Zuflucht verschaf-
fen möge, in der Sie die Ankunft des Obristen
Morden sicher erwarten können. Sie mögen mei-
nen Vorschlag unter ihren Papieren behalten,
bis er bey Gelegenheit ausgeführt werden kann.
Sie wissen doch gewiß, daß Sie nach eigenem Be-
lieben ausgehen können, und daß unser Brief-
wechsel geheim ist? Jndessen kann ich Jhnen um
Jhrer eigenen Ehre willen nicht rathen, ihn zu ver-
lassen, so lange Sie keine Ursache haben, ein Mis-
trauen in die Aufrichtigkeit seiner Absichten zu setzen.
Jch weiß aber, daß Jhr Hertz leichter seyn wird,
wenn Sie auf alle Fälle eine sichere Zuflucht wissen.

Jch


Er wuͤnſcht, daß morgen ſein gluͤcklicher
Tag ſeyn moͤchte, und daß er nicht Zeit haͤt-
te, jemanden zur Hochzeit zu bitten!
Der
Schelm: Eben hatte er ſelbſt den Vorſchlag gethan,
ſeinen Onckle zur Hochzeit zu bitten. Er ſcheint
Jhnen den Verzug beyzumeſſen! Was fuͤr ein
Menſch! Jch aͤrgere mich nur uͤber ihn!

Wiewohl, bey der Verhaͤltniß, in der Sie jetzt
mit einander ſtehen, ſollte ich billig meinen Unwil-
len verbergen: und dennoch weiß ich nicht, was ich
thun ſoll. Denn ein Frauenzimmer kann nicht un-
gluͤcklicher ſeyn, als wenn es einen Mann nehmen
muß, den es verachtet. Sie koͤnnen nicht anders,
als ihn bisweilen verachten. Jch wuͤnſchte uͤbrigens,
daß die Fauſt, damit er ſich vor den Kopf ſchlug,
ein Beil in der Hand ſeines aͤrgſten Feindes gewe-
ſen ſeyn moͤchte.

Jch werde darauf dencken, wie ich Sie aus ſeinen
Haͤnden befreyen, und Jhnen eine Zuflucht verſchaf-
fen moͤge, in der Sie die Ankunft des Obriſten
Morden ſicher erwarten koͤnnen. Sie moͤgen mei-
nen Vorſchlag unter ihren Papieren behalten,
bis er bey Gelegenheit ausgefuͤhrt werden kann.
Sie wiſſen doch gewiß, daß Sie nach eigenem Be-
lieben ausgehen koͤnnen, und daß unſer Brief-
wechſel geheim iſt? Jndeſſen kann ich Jhnen um
Jhrer eigenen Ehre willen nicht rathen, ihn zu ver-
laſſen, ſo lange Sie keine Urſache haben, ein Mis-
trauen in die Aufrichtigkeit ſeiner Abſichten zu ſetzen.
Jch weiß aber, daß Jhr Hertz leichter ſeyn wird,
wenn Sie auf alle Faͤlle eine ſichere Zuflucht wiſſen.

Jch
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[107/0113] Er wuͤnſcht, daß morgen ſein gluͤcklicher Tag ſeyn moͤchte, und daß er nicht Zeit haͤt- te, jemanden zur Hochzeit zu bitten! Der Schelm: Eben hatte er ſelbſt den Vorſchlag gethan, ſeinen Onckle zur Hochzeit zu bitten. Er ſcheint Jhnen den Verzug beyzumeſſen! Was fuͤr ein Menſch! Jch aͤrgere mich nur uͤber ihn! Wiewohl, bey der Verhaͤltniß, in der Sie jetzt mit einander ſtehen, ſollte ich billig meinen Unwil- len verbergen: und dennoch weiß ich nicht, was ich thun ſoll. Denn ein Frauenzimmer kann nicht un- gluͤcklicher ſeyn, als wenn es einen Mann nehmen muß, den es verachtet. Sie koͤnnen nicht anders, als ihn bisweilen verachten. Jch wuͤnſchte uͤbrigens, daß die Fauſt, damit er ſich vor den Kopf ſchlug, ein Beil in der Hand ſeines aͤrgſten Feindes gewe- ſen ſeyn moͤchte. Jch werde darauf dencken, wie ich Sie aus ſeinen Haͤnden befreyen, und Jhnen eine Zuflucht verſchaf- fen moͤge, in der Sie die Ankunft des Obriſten Morden ſicher erwarten koͤnnen. Sie moͤgen mei- nen Vorſchlag unter ihren Papieren behalten, bis er bey Gelegenheit ausgefuͤhrt werden kann. Sie wiſſen doch gewiß, daß Sie nach eigenem Be- lieben ausgehen koͤnnen, und daß unſer Brief- wechſel geheim iſt? Jndeſſen kann ich Jhnen um Jhrer eigenen Ehre willen nicht rathen, ihn zu ver- laſſen, ſo lange Sie keine Urſache haben, ein Mis- trauen in die Aufrichtigkeit ſeiner Abſichten zu ſetzen. Jch weiß aber, daß Jhr Hertz leichter ſeyn wird, wenn Sie auf alle Faͤlle eine ſichere Zuflucht wiſſen. Jch

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/113>, abgerufen am 27.04.2024.