rest: so muß ich sagen, daß die zusammengesetzte Bosheit von zehen Teuffeln, die eine vollkommene Gewalt über unschuldige Kinder bekommen, nicht so viel Unglück anrichte, als du alleine.
Man saget sonsten, daß kein König auf seinem Thron sicher sey, so bald es so verruchte Gemüther giebt, die nichts nach ihrem Leben fragen. Allein mit eben dem Recht kann man behaupten, daß die allerreineste Tugend nicht sicher ist, sobald es Leute giebt, die nach ihrer Ehre nichts fragen, und mit ihren Eyd-Schwüren und Gelübden einen Schertz treiben.
Du bist in der Liebe ärger als ein See-Räuber: es kann seyn, daß du durch List und Betrug ein Frau- enzimmer überwindest, das so sehr verstricket ist, und das von andern nicht den geringsten Schutz hat. Allein bedencke, ob es nicht edler und gerechter ge- gen sie gehandelt ist, und dir mehr Ehre bringet, wenn du dich selbst überwindest.
Jch sage es nochmahls, es kommt mir nicht dar- auf an, ob meine jetzigen oder künftigen Handlun- gen mit meiner Predigt (wie du vielleicht meinen Brief nennen wirst) übereinkommen: allein das verspreche ich dir, daß ich meinem eigenen Rath fol- gen, und heyrathen will, so bald ich ein Frauenzim- mer finde, das nur halb so viel Vollkommenheiten besitzt als die Fräulein Clarissa Harlowe, und mich würdigen will, mir ihr Ja-Wort zu geben. Jch will noch weiter gehen: ich will mit Gefahr meiner eigenen Ehre ihre Ehre auf die Probe setzen: das ist, ich will sie nehmen, ohne ein so unvergleichliches
Frauen-
reſt: ſo muß ich ſagen, daß die zuſammengeſetzte Bosheit von zehen Teuffeln, die eine vollkommene Gewalt uͤber unſchuldige Kinder bekommen, nicht ſo viel Ungluͤck anrichte, als du alleine.
Man ſaget ſonſten, daß kein Koͤnig auf ſeinem Thron ſicher ſey, ſo bald es ſo verruchte Gemuͤther giebt, die nichts nach ihrem Leben fragen. Allein mit eben dem Recht kann man behaupten, daß die allerreineſte Tugend nicht ſicher iſt, ſobald es Leute giebt, die nach ihrer Ehre nichts fragen, und mit ihren Eyd-Schwuͤren und Geluͤbden einen Schertz treiben.
Du biſt in der Liebe aͤrger als ein See-Raͤuber: es kann ſeyn, daß du durch Liſt und Betrug ein Frau- enzimmer uͤberwindeſt, das ſo ſehr verſtricket iſt, und das von andern nicht den geringſten Schutz hat. Allein bedencke, ob es nicht edler und gerechter ge- gen ſie gehandelt iſt, und dir mehr Ehre bringet, wenn du dich ſelbſt uͤberwindeſt.
Jch ſage es nochmahls, es kommt mir nicht dar- auf an, ob meine jetzigen oder kuͤnftigen Handlun- gen mit meiner Predigt (wie du vielleicht meinen Brief nennen wirſt) uͤbereinkommen: allein das verſpreche ich dir, daß ich meinem eigenen Rath fol- gen, und heyrathen will, ſo bald ich ein Frauenzim- mer finde, das nur halb ſo viel Vollkommenheiten beſitzt als die Fraͤulein Clariſſa Harlowe, und mich wuͤrdigen will, mir ihr Ja-Wort zu geben. Jch will noch weiter gehen: ich will mit Gefahr meiner eigenen Ehre ihre Ehre auf die Probe ſetzen: das iſt, ich will ſie nehmen, ohne ein ſo unvergleichliches
Frauen-
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reſt: ſo muß ich ſagen, daß die zuſammengeſetzte
Bosheit von zehen Teuffeln, die eine vollkommene
Gewalt uͤber unſchuldige Kinder bekommen, nicht
ſo viel Ungluͤck anrichte, als du alleine.
Man ſaget ſonſten, daß kein Koͤnig auf ſeinem
Thron ſicher ſey, ſo bald es ſo verruchte Gemuͤther
giebt, die nichts nach ihrem Leben fragen. Allein
mit eben dem Recht kann man behaupten, daß die
allerreineſte Tugend nicht ſicher iſt, ſobald es Leute
giebt, die nach ihrer Ehre nichts fragen, und mit
ihren Eyd-Schwuͤren und Geluͤbden einen Schertz
treiben.
Du biſt in der Liebe aͤrger als ein See-Raͤuber:
es kann ſeyn, daß du durch Liſt und Betrug ein Frau-
enzimmer uͤberwindeſt, das ſo ſehr verſtricket iſt,
und das von andern nicht den geringſten Schutz hat.
Allein bedencke, ob es nicht edler und gerechter ge-
gen ſie gehandelt iſt, und dir mehr Ehre bringet,
wenn du dich ſelbſt uͤberwindeſt.
Jch ſage es nochmahls, es kommt mir nicht dar-
auf an, ob meine jetzigen oder kuͤnftigen Handlun-
gen mit meiner Predigt (wie du vielleicht meinen
Brief nennen wirſt) uͤbereinkommen: allein das
verſpreche ich dir, daß ich meinem eigenen Rath fol-
gen, und heyrathen will, ſo bald ich ein Frauenzim-
mer finde, das nur halb ſo viel Vollkommenheiten
beſitzt als die Fraͤulein Clariſſa Harlowe, und
mich wuͤrdigen will, mir ihr Ja-Wort zu geben. Jch
will noch weiter gehen: ich will mit Gefahr meiner
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/118>, abgerufen am 08.10.2024.
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