Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



sie gemacht, und der Unruhe, die sie mir verur-
sachet hatte.

Jch komme, sprach sie, deine mir abscheuli-
che Gegenwart zu ertragen: weil ich es nicht
ändern kann. Aber warum soll ich hier in Ge-
fangenschaft seyn? - - Ob gleich vergebens; ich
kann nicht helfen - -

Allerliebste Fräulein, fiel ich ihr in die Rede,
geben sie nicht so vieler Heftigkeit Raum. Sie
müssen wissen, daß sie ganz und gar in keiner an-
dern Absicht hier aufbehalten werden, als weil ich
das größte Verlangen trage, mein Vergehen auf
alle mir mögliche Art bey ihnen wieder gut zu
machen; und das so wohl ihretwegen, als um
mein selbst willen - - Gewiß es ist noch ein
Mittel übrig, das Unrecht, welches sie gelitten
haben, zu ersetzen - -

Kannst du die vergangene Woche aus der
Zeit herausreißen? Verschiedne schon verstri-
chene Wochen, sollte ich sagen: selbst von der
Zeit an, da ich bey dir gewesen bin. Kannst du
die Zeit wieder zurückrufen? - - Wo du
kannst - -

Gewiß, gnädige Fräulein, fiel ich ihr noch
einmal ins Wort, gewiß, wenn es mir erlaubet
ist, sie nach den Gesetzen die Meinige zu nen-
nen: so hätte ich ja nur vorläuf - - -

Du Bösewicht! Sage mir nicht ein Wort
mehr davon. Als du zu Hampstead gelobetest,
als du versprachest: so war ich fast auf die Ge-
danken gekommen, daß ich die Deinige werden

müßte.
U u 3



ſie gemacht, und der Unruhe, die ſie mir verur-
ſachet hatte.

Jch komme, ſprach ſie, deine mir abſcheuli-
che Gegenwart zu ertragen: weil ich es nicht
aͤndern kann. Aber warum ſoll ich hier in Ge-
fangenſchaft ſeyn? ‒ ‒ Ob gleich vergebens; ich
kann nicht helfen ‒ ‒

Allerliebſte Fraͤulein, fiel ich ihr in die Rede,
geben ſie nicht ſo vieler Heftigkeit Raum. Sie
muͤſſen wiſſen, daß ſie ganz und gar in keiner an-
dern Abſicht hier aufbehalten werden, als weil ich
das groͤßte Verlangen trage, mein Vergehen auf
alle mir moͤgliche Art bey ihnen wieder gut zu
machen; und das ſo wohl ihretwegen, als um
mein ſelbſt willen ‒ ‒ Gewiß es iſt noch ein
Mittel uͤbrig, das Unrecht, welches ſie gelitten
haben, zu erſetzen ‒ ‒

Kannſt du die vergangene Woche aus der
Zeit herausreißen? Verſchiedne ſchon verſtri-
chene Wochen, ſollte ich ſagen: ſelbſt von der
Zeit an, da ich bey dir geweſen bin. Kannſt du
die Zeit wieder zuruͤckrufen? ‒ ‒ Wo du
kannſt ‒ ‒

Gewiß, gnaͤdige Fraͤulein, fiel ich ihr noch
einmal ins Wort, gewiß, wenn es mir erlaubet
iſt, ſie nach den Geſetzen die Meinige zu nen-
nen: ſo haͤtte ich ja nur vorlaͤuf ‒ ‒ ‒

Du Boͤſewicht! Sage mir nicht ein Wort
mehr davon. Als du zu Hampſtead gelobeteſt,
als du verſpracheſt: ſo war ich faſt auf die Ge-
danken gekommen, daß ich die Deinige werden

muͤßte.
U u 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0683" n="677"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;ie gemacht, und der Unruhe, die &#x017F;ie mir verur-<lb/>
&#x017F;achet hatte.</p><lb/>
          <p>Jch komme, &#x017F;prach &#x017F;ie, deine mir ab&#x017F;cheuli-<lb/>
che Gegenwart zu ertragen: weil ich es nicht<lb/>
a&#x0364;ndern kann. Aber warum &#x017F;oll ich hier in Ge-<lb/>
fangen&#x017F;chaft &#x017F;eyn? &#x2012; &#x2012; Ob gleich vergebens; ich<lb/>
kann nicht helfen &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Allerlieb&#x017F;te Fra&#x0364;ulein, fiel ich ihr in die Rede,<lb/>
geben &#x017F;ie nicht &#x017F;o vieler Heftigkeit Raum. Sie<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wi&#x017F;&#x017F;en, daß &#x017F;ie ganz und gar in keiner an-<lb/>
dern Ab&#x017F;icht hier aufbehalten werden, als weil ich<lb/>
das gro&#x0364;ßte Verlangen trage, mein Vergehen auf<lb/>
alle mir mo&#x0364;gliche Art bey ihnen wieder gut zu<lb/>
machen; und das &#x017F;o wohl <hi rendition="#fr">ihretwegen,</hi> als um<lb/><hi rendition="#fr">mein &#x017F;elb&#x017F;t</hi> willen &#x2012; &#x2012; Gewiß es i&#x017F;t noch ein<lb/>
Mittel u&#x0364;brig, das Unrecht, welches &#x017F;ie gelitten<lb/>
haben, zu er&#x017F;etzen &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Kann&#x017F;t du die vergangene Woche aus der<lb/>
Zeit herausreißen? <hi rendition="#fr">Ver&#x017F;chiedne</hi> &#x017F;chon ver&#x017F;tri-<lb/>
chene Wochen, &#x017F;ollte ich &#x017F;agen: &#x017F;elb&#x017F;t von der<lb/>
Zeit an, da ich bey dir gewe&#x017F;en bin. Kann&#x017F;t du<lb/>
die Zeit wieder zuru&#x0364;ckrufen? &#x2012; &#x2012; Wo du<lb/>
kann&#x017F;t &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Gewiß, gna&#x0364;dige Fra&#x0364;ulein, fiel ich ihr noch<lb/>
einmal ins Wort, gewiß, wenn es mir erlaubet<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;ie <hi rendition="#fr">nach den Ge&#x017F;etzen</hi> die Meinige zu nen-<lb/>
nen: &#x017F;o ha&#x0364;tte ich ja nur vorla&#x0364;uf &#x2012; &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Du Bo&#x0364;&#x017F;ewicht! Sage mir nicht ein Wort<lb/>
mehr davon. Als du zu Hamp&#x017F;tead gelobete&#x017F;t,<lb/>
als du ver&#x017F;prache&#x017F;t: &#x017F;o war ich fa&#x017F;t auf die Ge-<lb/>
danken gekommen, daß ich die Deinige werden<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">U u 3</fw><fw place="bottom" type="catch">mu&#x0364;ßte.</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[677/0683] ſie gemacht, und der Unruhe, die ſie mir verur- ſachet hatte. Jch komme, ſprach ſie, deine mir abſcheuli- che Gegenwart zu ertragen: weil ich es nicht aͤndern kann. Aber warum ſoll ich hier in Ge- fangenſchaft ſeyn? ‒ ‒ Ob gleich vergebens; ich kann nicht helfen ‒ ‒ Allerliebſte Fraͤulein, fiel ich ihr in die Rede, geben ſie nicht ſo vieler Heftigkeit Raum. Sie muͤſſen wiſſen, daß ſie ganz und gar in keiner an- dern Abſicht hier aufbehalten werden, als weil ich das groͤßte Verlangen trage, mein Vergehen auf alle mir moͤgliche Art bey ihnen wieder gut zu machen; und das ſo wohl ihretwegen, als um mein ſelbſt willen ‒ ‒ Gewiß es iſt noch ein Mittel uͤbrig, das Unrecht, welches ſie gelitten haben, zu erſetzen ‒ ‒ Kannſt du die vergangene Woche aus der Zeit herausreißen? Verſchiedne ſchon verſtri- chene Wochen, ſollte ich ſagen: ſelbſt von der Zeit an, da ich bey dir geweſen bin. Kannſt du die Zeit wieder zuruͤckrufen? ‒ ‒ Wo du kannſt ‒ ‒ Gewiß, gnaͤdige Fraͤulein, fiel ich ihr noch einmal ins Wort, gewiß, wenn es mir erlaubet iſt, ſie nach den Geſetzen die Meinige zu nen- nen: ſo haͤtte ich ja nur vorlaͤuf ‒ ‒ ‒ Du Boͤſewicht! Sage mir nicht ein Wort mehr davon. Als du zu Hampſtead gelobeteſt, als du verſpracheſt: ſo war ich faſt auf die Ge- danken gekommen, daß ich die Deinige werden muͤßte. U u 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/683
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 677. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/683>, abgerufen am 29.04.2024.