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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

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nen ungerechten Absichten gegen seine Nachbarn,
oder gegen seine unterdrückte Unterthanen dienet:
thut nicht selbst der Rechtsgelehrte, der um ei-
nes schnöden Gewinnstes willen eine schwarze
Sache weiß zu machen, und gegen einen andern,
von dem er weiß, daß er fromm und rechtschaffen
ist, zu vertheidigen unternimmt, eben das, was
Dorcas gethan hat? Und sind nicht beyde in al-
len Stücken eben so strafwürdig? Dennoch wird
der eine zu einem Helden und Ritter geschlagen:
der andere zu einem vortrefflichen Manne ge-
macht werden; zu einem Manne, um den sich
alle Clienten zanken; und seine zweydeutige Ge-
schicklichkeit wird ihn mit Ruhm und Beyfall
durch alle große Ehrenstellen in den Rechten hin-
durchführen.

Genug hievon. Was ist aber zu thun: da
die Fräulein so fest darauf bestehet, fortzugehen?
- - Jst kein Mittel, daß man ihr willfahren,
und doch ihr Unternehmen selbst zur Beförde-
rung meiner Absichten lenken könnte? - - Jch
bilde mir ein, daß ein solches Mittel ausfündig
zu machen sey.

Jch will darauf sinnen - -

Gesetzt, ich leide es, daß sie die Flucht nimmt.
Jhr ganzes Herze ist darauf gerichtet. Setzet
sie es nun wirklich ins Werk: so wird der Sieg,
den sie dadurch über mich erhalten wird, alles,
was sie gelitten hat, überwiegen.

Jch will ihr darinn zu Gefallen seyn: wo es
möglich ist.

Der



nen ungerechten Abſichten gegen ſeine Nachbarn,
oder gegen ſeine unterdruͤckte Unterthanen dienet:
thut nicht ſelbſt der Rechtsgelehrte, der um ei-
nes ſchnoͤden Gewinnſtes willen eine ſchwarze
Sache weiß zu machen, und gegen einen andern,
von dem er weiß, daß er fromm und rechtſchaffen
iſt, zu vertheidigen unternimmt, eben das, was
Dorcas gethan hat? Und ſind nicht beyde in al-
len Stuͤcken eben ſo ſtrafwuͤrdig? Dennoch wird
der eine zu einem Helden und Ritter geſchlagen:
der andere zu einem vortrefflichen Manne ge-
macht werden; zu einem Manne, um den ſich
alle Clienten zanken; und ſeine zweydeutige Ge-
ſchicklichkeit wird ihn mit Ruhm und Beyfall
durch alle große Ehrenſtellen in den Rechten hin-
durchfuͤhren.

Genug hievon. Was iſt aber zu thun: da
die Fraͤulein ſo feſt darauf beſtehet, fortzugehen?
‒ ‒ Jſt kein Mittel, daß man ihr willfahren,
und doch ihr Unternehmen ſelbſt zur Befoͤrde-
rung meiner Abſichten lenken koͤnnte? ‒ ‒ Jch
bilde mir ein, daß ein ſolches Mittel ausfuͤndig
zu machen ſey.

Jch will darauf ſinnen ‒ ‒

Geſetzt, ich leide es, daß ſie die Flucht nimmt.
Jhr ganzes Herze iſt darauf gerichtet. Setzet
ſie es nun wirklich ins Werk: ſo wird der Sieg,
den ſie dadurch uͤber mich erhalten wird, alles,
was ſie gelitten hat, uͤberwiegen.

Jch will ihr darinn zu Gefallen ſeyn: wo es
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Der
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[716/0722] nen ungerechten Abſichten gegen ſeine Nachbarn, oder gegen ſeine unterdruͤckte Unterthanen dienet: thut nicht ſelbſt der Rechtsgelehrte, der um ei- nes ſchnoͤden Gewinnſtes willen eine ſchwarze Sache weiß zu machen, und gegen einen andern, von dem er weiß, daß er fromm und rechtſchaffen iſt, zu vertheidigen unternimmt, eben das, was Dorcas gethan hat? Und ſind nicht beyde in al- len Stuͤcken eben ſo ſtrafwuͤrdig? Dennoch wird der eine zu einem Helden und Ritter geſchlagen: der andere zu einem vortrefflichen Manne ge- macht werden; zu einem Manne, um den ſich alle Clienten zanken; und ſeine zweydeutige Ge- ſchicklichkeit wird ihn mit Ruhm und Beyfall durch alle große Ehrenſtellen in den Rechten hin- durchfuͤhren. Genug hievon. Was iſt aber zu thun: da die Fraͤulein ſo feſt darauf beſtehet, fortzugehen? ‒ ‒ Jſt kein Mittel, daß man ihr willfahren, und doch ihr Unternehmen ſelbſt zur Befoͤrde- rung meiner Abſichten lenken koͤnnte? ‒ ‒ Jch bilde mir ein, daß ein ſolches Mittel ausfuͤndig zu machen ſey. Jch will darauf ſinnen ‒ ‒ Geſetzt, ich leide es, daß ſie die Flucht nimmt. Jhr ganzes Herze iſt darauf gerichtet. Setzet ſie es nun wirklich ins Werk: ſo wird der Sieg, den ſie dadurch uͤber mich erhalten wird, alles, was ſie gelitten hat, uͤberwiegen. Jch will ihr darinn zu Gefallen ſeyn: wo es moͤglich iſt. Der

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 716. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/722>, abgerufen am 28.04.2024.