Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



samkeit der Fräulein Harlowe? Denn habe ich
irgend etwas begangen, das eine neue Beleidi-
gung wäre? Wollte ich nicht gern unter ihr be-
liebigen Bedingungen ihre Gunst wieder erlan-
gen: wenn ich könnte? Jst es recht, mich für
etwas zu strafen, was mein Unglück, nicht mein
Versehen ist? Solche alberne Richter, die bloß
nach dem Ausgange der Sache urtheilen, muß
ich zu meinen Verwandten haben! Jch schäme
mich ihrer aller.

Jn dem Briefe von der Fräulein Howe war
ein anderer eingeschlossen, der an sie selbst von
der Fräulein Harlowe (*) in der Absicht geschrie-
ben worden, daß er an meine Basen geschickt
werden sollte. Jn demselben verwirft sie mich
gänzlich; und zwar in sehr heftigen und nicht
zweifelhaften Ausdrückungen: giebt aber doch
vor, daß sie in dieser Verwerfung mehr durch
gute Grundsätze, als durch eine Leidenschaft
geleitet werde - - Verdammte Lügen, als jemals
eine gesagt ist! - - Zu einem Beweise davon,
schreibt sie, solle dieß dienen, daß sie mir vergeben
könne und wirklich vergebe, unter der einzigen
Bedingung, wofern ich ihr niemals mehr be-
schwerlich fallen wolle. Der ganze Brief ist so
geschrieben, daß sie deswegen mehr bewundert,
ich mehr verabscheuet werde.

Was man uns von den Bewegungen und
Bezeigungen, von dem Seufzen und Stehnen
der französischen Propheten, die vormals unter

uns
(*) Siehe den vorhergehenden LXXVI. Brief.
T t 3



ſamkeit der Fraͤulein Harlowe? Denn habe ich
irgend etwas begangen, das eine neue Beleidi-
gung waͤre? Wollte ich nicht gern unter ihr be-
liebigen Bedingungen ihre Gunſt wieder erlan-
gen: wenn ich koͤnnte? Jſt es recht, mich fuͤr
etwas zu ſtrafen, was mein Ungluͤck, nicht mein
Verſehen iſt? Solche alberne Richter, die bloß
nach dem Ausgange der Sache urtheilen, muß
ich zu meinen Verwandten haben! Jch ſchaͤme
mich ihrer aller.

Jn dem Briefe von der Fraͤulein Howe war
ein anderer eingeſchloſſen, der an ſie ſelbſt von
der Fraͤulein Harlowe (*) in der Abſicht geſchrie-
ben worden, daß er an meine Baſen geſchickt
werden ſollte. Jn demſelben verwirft ſie mich
gaͤnzlich; und zwar in ſehr heftigen und nicht
zweifelhaften Ausdruͤckungen: giebt aber doch
vor, daß ſie in dieſer Verwerfung mehr durch
gute Grundſaͤtze, als durch eine Leidenſchaft
geleitet werde ‒ ‒ Verdammte Luͤgen, als jemals
eine geſagt iſt! ‒ ‒ Zu einem Beweiſe davon,
ſchreibt ſie, ſolle dieß dienen, daß ſie mir vergeben
koͤnne und wirklich vergebe, unter der einzigen
Bedingung, wofern ich ihr niemals mehr be-
ſchwerlich fallen wolle. Der ganze Brief iſt ſo
geſchrieben, daß ſie deswegen mehr bewundert,
ich mehr verabſcheuet werde.

Was man uns von den Bewegungen und
Bezeigungen, von dem Seufzen und Stehnen
der franzoͤſiſchen Propheten, die vormals unter

uns
(*) Siehe den vorhergehenden LXXVI. Brief.
T t 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0667" n="661"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;amkeit der Fra&#x0364;ulein Harlowe? Denn habe ich<lb/>
irgend etwas begangen, das eine <hi rendition="#fr">neue</hi> Beleidi-<lb/>
gung wa&#x0364;re? Wollte ich nicht gern unter ihr be-<lb/>
liebigen Bedingungen ihre Gun&#x017F;t wieder erlan-<lb/>
gen: wenn ich ko&#x0364;nnte? J&#x017F;t es recht, mich fu&#x0364;r<lb/>
etwas zu &#x017F;trafen, was mein Unglu&#x0364;ck, nicht mein<lb/>
Ver&#x017F;ehen i&#x017F;t? Solche alberne Richter, die bloß<lb/>
nach dem Ausgange der Sache urtheilen, muß<lb/>
ich zu meinen Verwandten haben! Jch &#x017F;cha&#x0364;me<lb/>
mich ihrer aller.</p><lb/>
          <p>Jn dem Briefe von der Fra&#x0364;ulein Howe war<lb/>
ein anderer einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, der an <hi rendition="#fr">&#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t</hi> von<lb/>
der Fra&#x0364;ulein Harlowe <note place="foot" n="(*)">Siehe den vorhergehenden <hi rendition="#aq">LXXVI.</hi> Brief.</note> in der Ab&#x017F;icht ge&#x017F;chrie-<lb/>
ben worden, daß er an meine Ba&#x017F;en ge&#x017F;chickt<lb/>
werden &#x017F;ollte. Jn dem&#x017F;elben verwirft &#x017F;ie mich<lb/>
ga&#x0364;nzlich; und zwar in &#x017F;ehr heftigen und nicht<lb/>
zweifelhaften Ausdru&#x0364;ckungen: giebt aber doch<lb/>
vor, daß &#x017F;ie in die&#x017F;er Verwerfung mehr durch<lb/><hi rendition="#fr">gute Grund&#x017F;a&#x0364;tze,</hi> als durch eine <hi rendition="#fr">Leiden&#x017F;chaft</hi><lb/>
geleitet werde &#x2012; &#x2012; Verdammte Lu&#x0364;gen, als jemals<lb/>
eine ge&#x017F;agt i&#x017F;t! &#x2012; &#x2012; Zu einem Bewei&#x017F;e davon,<lb/>
&#x017F;chreibt &#x017F;ie, &#x017F;olle dieß dienen, daß &#x017F;ie mir vergeben<lb/><hi rendition="#fr">ko&#x0364;nne</hi> und <hi rendition="#fr">wirklich</hi> vergebe, unter der einzigen<lb/>
Bedingung, wofern ich ihr niemals mehr be-<lb/>
&#x017F;chwerlich fallen wolle. Der ganze Brief i&#x017F;t &#x017F;o<lb/>
ge&#x017F;chrieben, daß <hi rendition="#fr">&#x017F;ie</hi> deswegen <hi rendition="#fr">mehr</hi> bewundert,<lb/><hi rendition="#fr">ich mehr</hi> verab&#x017F;cheuet werde.</p><lb/>
          <p>Was man uns von den Bewegungen und<lb/>
Bezeigungen, von dem Seufzen und Stehnen<lb/>
der franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Propheten, die vormals unter<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">T t 3</fw><fw place="bottom" type="catch">uns</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[661/0667] ſamkeit der Fraͤulein Harlowe? Denn habe ich irgend etwas begangen, das eine neue Beleidi- gung waͤre? Wollte ich nicht gern unter ihr be- liebigen Bedingungen ihre Gunſt wieder erlan- gen: wenn ich koͤnnte? Jſt es recht, mich fuͤr etwas zu ſtrafen, was mein Ungluͤck, nicht mein Verſehen iſt? Solche alberne Richter, die bloß nach dem Ausgange der Sache urtheilen, muß ich zu meinen Verwandten haben! Jch ſchaͤme mich ihrer aller. Jn dem Briefe von der Fraͤulein Howe war ein anderer eingeſchloſſen, der an ſie ſelbſt von der Fraͤulein Harlowe (*) in der Abſicht geſchrie- ben worden, daß er an meine Baſen geſchickt werden ſollte. Jn demſelben verwirft ſie mich gaͤnzlich; und zwar in ſehr heftigen und nicht zweifelhaften Ausdruͤckungen: giebt aber doch vor, daß ſie in dieſer Verwerfung mehr durch gute Grundſaͤtze, als durch eine Leidenſchaft geleitet werde ‒ ‒ Verdammte Luͤgen, als jemals eine geſagt iſt! ‒ ‒ Zu einem Beweiſe davon, ſchreibt ſie, ſolle dieß dienen, daß ſie mir vergeben koͤnne und wirklich vergebe, unter der einzigen Bedingung, wofern ich ihr niemals mehr be- ſchwerlich fallen wolle. Der ganze Brief iſt ſo geſchrieben, daß ſie deswegen mehr bewundert, ich mehr verabſcheuet werde. Was man uns von den Bewegungen und Bezeigungen, von dem Seufzen und Stehnen der franzoͤſiſchen Propheten, die vormals unter uns (*) Siehe den vorhergehenden LXXVI. Brief. T t 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/667
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 661. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/667>, abgerufen am 30.04.2024.