Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



gen, daß er da wäre: und sein Besuch ward an-
genommen.

Weil ich fürchtete, es möchte viele Schwie-
rigkeit haben, euer ungestümes Gemüth zu ge-
winnen, daß ihr euch nicht bey ihren Todesstun-
den zudrünget, und mich vor der tödtlichen Angst,
worinn sie ein solcher Ueberfall setzen würde, scheue-
te: so glaubte ich, daß der Besuch dieses recht-
schaffenen Mannes eine bequeme Gelegenheit gä-
be, die Unterredung über die Sache wieder zu er-
neuren. Nachdem ich sie also um Erlaubniß ge-
beten hatte: sagte ich ihnen, wovon wir eben ge-
redet hätten.

Der fromme Geistliche stellte vor, daß man
gemeiniglich bey diesen feyerlichen Gelegenheiten
von so frommen Seelen, als sie hätte, wenn sie
sich selbst auch noch so vollkommen Genüge ge-
than haben möchten, einige gefällige Herablassun-
gen erwartete, um zu einem Beyspiel zu dienen
und der Welt zu zeigen, daß aller Unwillen gegen
diejenigen, welche sie am meisten beleidiget hätten,
gänzlich unterdrückt wäre: und wenn sie ein so auf-
richtig reuevolles Herz, wie ich den Herrn Love-
lace vorgestellet, würdigen wollte, ihm in Person
die Verzeihung, warum ich gebeten, zu ertheilen;
so würde keine Vermuthung Raum haben, daß
der geringste versteckte Unwillen übrig wäre; und
bey dem Cavallier könnte es sehr glückliche Wir-
kungen haben.

Jch hege keinen versteckten Unwillen, mein
Herr, war ihre Antwort - - Dieß ist nicht die

Zeit



gen, daß er da waͤre: und ſein Beſuch ward an-
genommen.

Weil ich fuͤrchtete, es moͤchte viele Schwie-
rigkeit haben, euer ungeſtuͤmes Gemuͤth zu ge-
winnen, daß ihr euch nicht bey ihren Todesſtun-
den zudruͤnget, und mich vor der toͤdtlichen Angſt,
worinn ſie ein ſolcher Ueberfall ſetzen wuͤrde, ſcheue-
te: ſo glaubte ich, daß der Beſuch dieſes recht-
ſchaffenen Mannes eine bequeme Gelegenheit gaͤ-
be, die Unterredung uͤber die Sache wieder zu er-
neuren. Nachdem ich ſie alſo um Erlaubniß ge-
beten hatte: ſagte ich ihnen, wovon wir eben ge-
redet haͤtten.

Der fromme Geiſtliche ſtellte vor, daß man
gemeiniglich bey dieſen feyerlichen Gelegenheiten
von ſo frommen Seelen, als ſie haͤtte, wenn ſie
ſich ſelbſt auch noch ſo vollkommen Genuͤge ge-
than haben moͤchten, einige gefaͤllige Herablaſſun-
gen erwartete, um zu einem Beyſpiel zu dienen
und der Welt zu zeigen, daß aller Unwillen gegen
diejenigen, welche ſie am meiſten beleidiget haͤtten,
gaͤnzlich unterdruͤckt waͤre: und wenn ſie ein ſo auf-
richtig reuevolles Herz, wie ich den Herrn Love-
lace vorgeſtellet, wuͤrdigen wollte, ihm in Perſon
die Verzeihung, warum ich gebeten, zu ertheilen;
ſo wuͤrde keine Vermuthung Raum haben, daß
der geringſte verſteckte Unwillen uͤbrig waͤre; und
bey dem Cavallier koͤnnte es ſehr gluͤckliche Wir-
kungen haben.

Jch hege keinen verſteckten Unwillen, mein
Herr, war ihre Antwort ‒ ‒ Dieß iſt nicht die

Zeit
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0401" n="395"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
gen, daß er da wa&#x0364;re: und &#x017F;ein Be&#x017F;uch ward an-<lb/>
genommen.</p><lb/>
            <p>Weil ich fu&#x0364;rchtete, es mo&#x0364;chte viele Schwie-<lb/>
rigkeit haben, euer unge&#x017F;tu&#x0364;mes Gemu&#x0364;th zu ge-<lb/>
winnen, daß ihr euch nicht bey ihren Todes&#x017F;tun-<lb/>
den zudru&#x0364;nget, und mich vor der to&#x0364;dtlichen Ang&#x017F;t,<lb/>
worinn &#x017F;ie ein &#x017F;olcher Ueberfall &#x017F;etzen wu&#x0364;rde, &#x017F;cheue-<lb/>
te: &#x017F;o glaubte ich, daß der Be&#x017F;uch die&#x017F;es recht-<lb/>
&#x017F;chaffenen Mannes eine bequeme Gelegenheit ga&#x0364;-<lb/>
be, die Unterredung u&#x0364;ber die Sache wieder zu er-<lb/>
neuren. Nachdem ich &#x017F;ie al&#x017F;o um Erlaubniß ge-<lb/>
beten hatte: &#x017F;agte ich ihnen, wovon wir eben ge-<lb/>
redet ha&#x0364;tten.</p><lb/>
            <p>Der fromme Gei&#x017F;tliche &#x017F;tellte vor, daß man<lb/>
gemeiniglich bey die&#x017F;en feyerlichen Gelegenheiten<lb/>
von &#x017F;o frommen Seelen, als &#x017F;ie ha&#x0364;tte, wenn &#x017F;ie<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t</hi> auch noch &#x017F;o vollkommen Genu&#x0364;ge ge-<lb/>
than haben mo&#x0364;chten, einige gefa&#x0364;llige Herabla&#x017F;&#x017F;un-<lb/>
gen erwartete, um zu einem <hi rendition="#fr">Bey&#x017F;piel</hi> zu dienen<lb/>
und der <hi rendition="#fr">Welt</hi> zu zeigen, daß aller Unwillen gegen<lb/>
diejenigen, welche &#x017F;ie am mei&#x017F;ten beleidiget ha&#x0364;tten,<lb/>
ga&#x0364;nzlich unterdru&#x0364;ckt wa&#x0364;re: und wenn &#x017F;ie ein &#x017F;o auf-<lb/>
richtig reuevolles Herz, wie ich den Herrn Love-<lb/>
lace vorge&#x017F;tellet, wu&#x0364;rdigen wollte, ihm in <hi rendition="#fr">Per&#x017F;on</hi><lb/>
die Verzeihung, warum ich gebeten, zu ertheilen;<lb/>
&#x017F;o wu&#x0364;rde keine Vermuthung Raum haben, daß<lb/>
der gering&#x017F;te ver&#x017F;teckte Unwillen u&#x0364;brig wa&#x0364;re; und<lb/>
bey dem Cavallier ko&#x0364;nnte es &#x017F;ehr glu&#x0364;ckliche Wir-<lb/>
kungen haben.</p><lb/>
            <p>Jch hege keinen ver&#x017F;teckten Unwillen, mein<lb/>
Herr, war ihre Antwort &#x2012; &#x2012; Dieß i&#x017F;t nicht die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Zeit</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[395/0401] gen, daß er da waͤre: und ſein Beſuch ward an- genommen. Weil ich fuͤrchtete, es moͤchte viele Schwie- rigkeit haben, euer ungeſtuͤmes Gemuͤth zu ge- winnen, daß ihr euch nicht bey ihren Todesſtun- den zudruͤnget, und mich vor der toͤdtlichen Angſt, worinn ſie ein ſolcher Ueberfall ſetzen wuͤrde, ſcheue- te: ſo glaubte ich, daß der Beſuch dieſes recht- ſchaffenen Mannes eine bequeme Gelegenheit gaͤ- be, die Unterredung uͤber die Sache wieder zu er- neuren. Nachdem ich ſie alſo um Erlaubniß ge- beten hatte: ſagte ich ihnen, wovon wir eben ge- redet haͤtten. Der fromme Geiſtliche ſtellte vor, daß man gemeiniglich bey dieſen feyerlichen Gelegenheiten von ſo frommen Seelen, als ſie haͤtte, wenn ſie ſich ſelbſt auch noch ſo vollkommen Genuͤge ge- than haben moͤchten, einige gefaͤllige Herablaſſun- gen erwartete, um zu einem Beyſpiel zu dienen und der Welt zu zeigen, daß aller Unwillen gegen diejenigen, welche ſie am meiſten beleidiget haͤtten, gaͤnzlich unterdruͤckt waͤre: und wenn ſie ein ſo auf- richtig reuevolles Herz, wie ich den Herrn Love- lace vorgeſtellet, wuͤrdigen wollte, ihm in Perſon die Verzeihung, warum ich gebeten, zu ertheilen; ſo wuͤrde keine Vermuthung Raum haben, daß der geringſte verſteckte Unwillen uͤbrig waͤre; und bey dem Cavallier koͤnnte es ſehr gluͤckliche Wir- kungen haben. Jch hege keinen verſteckten Unwillen, mein Herr, war ihre Antwort ‒ ‒ Dieß iſt nicht die Zeit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/401
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/401>, abgerufen am 17.06.2024.