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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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4. Persisches.

Wir begegnen also in der altpersichen Pflanzenornamentik einer
bereits wohlbekannten Formensprache, ohne neue fruchtbare Ansätze:
weder in Bezug auf die Einzelmotive (Lotus, Palmette), noch in Be-
zug auf ihre Verbindung unter einander (Bogenlinien mit Hefteln und
Volutenkelch). Auch haben wir es in der persischen Kunst bereits viel-
fach mit griechischem Einfluss zu thun, was ganz natürlich erscheint,
wenn man bedenkt, dass die Aufrichtung der persischen Weltmacht
erst vom Jahre 538 v. Ch. datirt. Dass den Griechen die Perser als
Inbegriff alles Orientalischen gegolten haben, ist nur aus dem Umstande
zu erklären, dass die Perser die alleinigen Universalerben ihrer Kultur-

[Abbildung] Fig. 44.

Persischer Palmettenbaum. Emailziegel-Dekoration aus Susa.

vorfahren auf asiatischem Boden gewesen sind, -- freilich Erben die
das empfangene Talent nicht gemehrt, sondern eher gemindert haben.
An den Vorzügen und dauernden Errungenschaften der altorientali-
schen Künste haben unter allen Kulturvölkern des Alterthums die
Perser den geringsten Antheil gehabt. Sie waren eben so glücklich,
Zeitgenossen der griechischen Kunstblüthe zu sein, durch die sie ver-
ewigt und den späteren Geschlechtern traditionell als Typen alles orien-
talischen Wesens überliefert worden sind. Die Wirkung davon ist noch
in der römischen Kaiserzeit zu spüren, und mag auch ein Wesentliches
beigetragen haben zur landläufigen Ueberschätzung, deren sich die
sassanidische Kultur und Kunst zu erfreuen hat.


4. Persisches.

Wir begegnen also in der altpersichen Pflanzenornamentik einer
bereits wohlbekannten Formensprache, ohne neue fruchtbare Ansätze:
weder in Bezug auf die Einzelmotive (Lotus, Palmette), noch in Be-
zug auf ihre Verbindung unter einander (Bogenlinien mit Hefteln und
Volutenkelch). Auch haben wir es in der persischen Kunst bereits viel-
fach mit griechischem Einfluss zu thun, was ganz natürlich erscheint,
wenn man bedenkt, dass die Aufrichtung der persischen Weltmacht
erst vom Jahre 538 v. Ch. datirt. Dass den Griechen die Perser als
Inbegriff alles Orientalischen gegolten haben, ist nur aus dem Umstande
zu erklären, dass die Perser die alleinigen Universalerben ihrer Kultur-

[Abbildung] Fig. 44.

Persischer Palmettenbaum. Emailziegel-Dekoration aus Susa.

vorfahren auf asiatischem Boden gewesen sind, — freilich Erben die
das empfangene Talent nicht gemehrt, sondern eher gemindert haben.
An den Vorzügen und dauernden Errungenschaften der altorientali-
schen Künste haben unter allen Kulturvölkern des Alterthums die
Perser den geringsten Antheil gehabt. Sie waren eben so glücklich,
Zeitgenossen der griechischen Kunstblüthe zu sein, durch die sie ver-
ewigt und den späteren Geschlechtern traditionell als Typen alles orien-
talischen Wesens überliefert worden sind. Die Wirkung davon ist noch
in der römischen Kaiserzeit zu spüren, und mag auch ein Wesentliches
beigetragen haben zur landläufigen Ueberschätzung, deren sich die
sassanidische Kultur und Kunst zu erfreuen hat.


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[111/0137] 4. Persisches. Wir begegnen also in der altpersichen Pflanzenornamentik einer bereits wohlbekannten Formensprache, ohne neue fruchtbare Ansätze: weder in Bezug auf die Einzelmotive (Lotus, Palmette), noch in Be- zug auf ihre Verbindung unter einander (Bogenlinien mit Hefteln und Volutenkelch). Auch haben wir es in der persischen Kunst bereits viel- fach mit griechischem Einfluss zu thun, was ganz natürlich erscheint, wenn man bedenkt, dass die Aufrichtung der persischen Weltmacht erst vom Jahre 538 v. Ch. datirt. Dass den Griechen die Perser als Inbegriff alles Orientalischen gegolten haben, ist nur aus dem Umstande zu erklären, dass die Perser die alleinigen Universalerben ihrer Kultur- [Abbildung Fig. 44. Persischer Palmettenbaum. Emailziegel-Dekoration aus Susa.] vorfahren auf asiatischem Boden gewesen sind, — freilich Erben die das empfangene Talent nicht gemehrt, sondern eher gemindert haben. An den Vorzügen und dauernden Errungenschaften der altorientali- schen Künste haben unter allen Kulturvölkern des Alterthums die Perser den geringsten Antheil gehabt. Sie waren eben so glücklich, Zeitgenossen der griechischen Kunstblüthe zu sein, durch die sie ver- ewigt und den späteren Geschlechtern traditionell als Typen alles orien- talischen Wesens überliefert worden sind. Die Wirkung davon ist noch in der römischen Kaiserzeit zu spüren, und mag auch ein Wesentliches beigetragen haben zur landläufigen Ueberschätzung, deren sich die sassanidische Kultur und Kunst zu erfreuen hat.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/137>, abgerufen am 26.04.2024.