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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, Wien, 1912.

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Wittenberge fest. Der Anschluß an die Hamburg-Bergedorfer Bahn wurde durch einen Pachtvertrag geregelt.

Es war von vornherein eine reichliche Ausstattung der Bahn geplant. So sah man von Anfang an für die Strecke Hamburg-Wittenberge zwei Gleise vor. Steigungs- und Krümmungsverhältnisse, ebenso die Widerstandsfähigkeit des Oberbaues waren sehr günstig. Für den Berliner Bahnhof wurde sogleich eine völlige Trennung des Personenverkehrs vom Güterverkehr durchgeführt. Im Frühjahr 1844 wurde die Bauausführung begonnen. Der Betrieb wurde am 15. Oktober 1845 von Berlin bis Boitzenburg und am 15. Dezember desselben Jahres auf der ganzen Linie von Berlin bis Hamburg eröffnet. Hierdurch erhielt Berlin eine durchgehende Eisenbahnverbindung mit Glückstadt, Kiel und Rendsburg, und Hamburg erhielt Anschluß nach dem Westen und Süden Deutschlands und mit Österreich. Im Jahre 1847 kam der Anschluß auch nach Schwerin, 1848 nach Wismar, 1850 nach Rostock, 1851 nach Lübeck zu stande. 1866 war, abgesehen von der Havelbrücke bei Spandau, das zweite Gleis überall verlegt. Der Wettbewerb mit der Magdeburg-Halberstädter und mit der Köln-Mindener Bahn veranlaßte den Bau der Zweigbahn von Wittenberge nach Lüneburg, die am 31. Dezember 1874 vollständig eröffnet wurde. 1876 bis 1879 entstand der neue große Güter- und Rangierbahnhof in Berlin. Am 1. Juni 1882 wurde die Anschlußstrecke an die Berliner Stadtbahn von Ruhleben nach Charlottenburg in Betrieb genommen.

Die Verfassung der Berlin-Hamburger Eisenbahngesellschaft sah eine Direktion mit einem Vorsitzenden und sechs Mitgliedern vor, von denen je eines von der mecklenburgischen und hamburgischen Regierung ernannt wurde. Die Verwaltung und Kontrolle war zwischen einer Berliner und einer Hamburger Deputation geteilt.

Die Verkehrsergebnisse der B. waren im Anfang recht schwach; jedoch stiegen die Einnahmen, namentlich aus dem Güterverkehr sehr rasch. Dieser brachte im Jahre 1850 bereits etwa 2 Mill. M., 1860 über 5 Mill. M., 1870 etwa 82/3 und 1880 über 12 Mill. M. Der Personenverkehr trat demgegenüber zurück. Die Einnahmen aus der Personenbeförderung betrugen in den letzten Jahren zwischen 4 und 41/2 Mill. M. So gestaltete sich die Finanzlage der Hamburger Bahn zu einer sehr glänzenden. Umfangreiche Verbesserungen konnten aus den Erträgnissen des Betriebes bestritten werden. Sie machten einen Anlagewert von insgesamt über 34 Mill. M. aus. In den letzten Jahren der Privatbahnverwaltung wurden sehr hohe Dividenden gezahlt, 1880 : 141/2%, 1881 : 171/2%, 1882 : 191/2%. Bei der Verstaatlichung (1884) erhielten die Aktionäre eine feste Rente von 16·9%. Der Gesamtkaufpreis stellte sich darnach auf 1121/2 Mill. M.

Das Aktienkapital hatte ursprünglich aus 40.000 Stammaktien gleich 24 Mill. M. bestanden. Hiervon waren jedoch bei der Verstaatlichung die von Mecklenburg-Schwerin und von Hamburg übernommenen 9 Mill. M. bereits zurückgezahlt. Die Prioritätsanleihen und alle sonstigen Schulden der Gesellschaft übernahm der Staat als Selbstschuldner.

Der Verstaatlichungsvertrag ist am 29. März 1884 abgeschlossen und durch Gesetz vom 17. Mai desselben Jahres bestätigt. Damit übernahm der preußische Staat unter Ankauf der Hamburg-Bergedorfer Bahn die Verwaltung und den Betrieb der gesamten Berlin-Hamburger Eisenbahn und schloß die Verstaatlichung der großen Berliner Fernbahnen ab.

Die Bedeutung des Erwerbes war ebenso groß wie die Schwierigkeiten, die sich ihm in den staatsrechtlichen Verhältnissen der zu einem Viertel ihrer Länge außerhalb Preußens gelegenen Bahn, in ihrer engen Verbindung mit den im hamburgischen Staatseigentum stehenden Eisenbahnen sowie in der ungewöhnlich günstigen Finanzlage der Gesellschaft entgegenstellten. Diese hatte es ermöglicht, daß umfangreiche Meliorationen, wie die Herstellung des größten Teils des zweiten Gleises, aus den Erträgnissen des Betriebes ausgeführt worden waren, und daß das zu verzinsende Anlagekapital einen außerordentlich niedrigen Stand behauptete. Daneben wurden, wie erwähnt, sehr hohe und gerade in den letzten Jahren stark steigende Dividenden gezahlt. Mit Mecklenburg-Schwerin und mit Hamburg mußten besondere Auseinandersetzungsverträge geschlossen werden. Bei diesen handelte es sich besonders um die Abfindung der beteiligten Staaten für ihren Verzicht auf ihre Anteile an der Eisenbahnabgabe, für die Befreiung von Kommunalsteuern u. s. w. Ferner waren von der Stadt Hamburg die von der Berlin-Hamburger Eisenbahngesellschaft gepachtete Hamburg-Bergedorfer Eisenbahn, der hamburgische Teil der Verbindungsbahn und die Hamburger Kaigleise zu erwerben. Demgegenüber waren aber auch die Vorteile des Erwerbes sehr bedeutende, ja der Erwerb war eine unabweisliche Folge der gesamten Staatsbahnpolitik; kam doch der Staat durch ihn in den Besitz der Verbindung zwischen der Hauptstadt

Wittenberge fest. Der Anschluß an die Hamburg-Bergedorfer Bahn wurde durch einen Pachtvertrag geregelt.

Es war von vornherein eine reichliche Ausstattung der Bahn geplant. So sah man von Anfang an für die Strecke Hamburg-Wittenberge zwei Gleise vor. Steigungs- und Krümmungsverhältnisse, ebenso die Widerstandsfähigkeit des Oberbaues waren sehr günstig. Für den Berliner Bahnhof wurde sogleich eine völlige Trennung des Personenverkehrs vom Güterverkehr durchgeführt. Im Frühjahr 1844 wurde die Bauausführung begonnen. Der Betrieb wurde am 15. Oktober 1845 von Berlin bis Boitzenburg und am 15. Dezember desselben Jahres auf der ganzen Linie von Berlin bis Hamburg eröffnet. Hierdurch erhielt Berlin eine durchgehende Eisenbahnverbindung mit Glückstadt, Kiel und Rendsburg, und Hamburg erhielt Anschluß nach dem Westen und Süden Deutschlands und mit Österreich. Im Jahre 1847 kam der Anschluß auch nach Schwerin, 1848 nach Wismar, 1850 nach Rostock, 1851 nach Lübeck zu stande. 1866 war, abgesehen von der Havelbrücke bei Spandau, das zweite Gleis überall verlegt. Der Wettbewerb mit der Magdeburg-Halberstädter und mit der Köln-Mindener Bahn veranlaßte den Bau der Zweigbahn von Wittenberge nach Lüneburg, die am 31. Dezember 1874 vollständig eröffnet wurde. 1876 bis 1879 entstand der neue große Güter- und Rangierbahnhof in Berlin. Am 1. Juni 1882 wurde die Anschlußstrecke an die Berliner Stadtbahn von Ruhleben nach Charlottenburg in Betrieb genommen.

Die Verfassung der Berlin-Hamburger Eisenbahngesellschaft sah eine Direktion mit einem Vorsitzenden und sechs Mitgliedern vor, von denen je eines von der mecklenburgischen und hamburgischen Regierung ernannt wurde. Die Verwaltung und Kontrolle war zwischen einer Berliner und einer Hamburger Deputation geteilt.

Die Verkehrsergebnisse der B. waren im Anfang recht schwach; jedoch stiegen die Einnahmen, namentlich aus dem Güterverkehr sehr rasch. Dieser brachte im Jahre 1850 bereits etwa 2 Mill. M., 1860 über 5 Mill. M., 1870 etwa 82/3 und 1880 über 12 Mill. M. Der Personenverkehr trat demgegenüber zurück. Die Einnahmen aus der Personenbeförderung betrugen in den letzten Jahren zwischen 4 und 41/2 Mill. M. So gestaltete sich die Finanzlage der Hamburger Bahn zu einer sehr glänzenden. Umfangreiche Verbesserungen konnten aus den Erträgnissen des Betriebes bestritten werden. Sie machten einen Anlagewert von insgesamt über 34 Mill. M. aus. In den letzten Jahren der Privatbahnverwaltung wurden sehr hohe Dividenden gezahlt, 1880 : 141/2%, 1881 : 171/2%, 1882 : 191/2%. Bei der Verstaatlichung (1884) erhielten die Aktionäre eine feste Rente von 16·9%. Der Gesamtkaufpreis stellte sich darnach auf 1121/2 Mill. M.

Das Aktienkapital hatte ursprünglich aus 40.000 Stammaktien gleich 24 Mill. M. bestanden. Hiervon waren jedoch bei der Verstaatlichung die von Mecklenburg-Schwerin und von Hamburg übernommenen 9 Mill. M. bereits zurückgezahlt. Die Prioritätsanleihen und alle sonstigen Schulden der Gesellschaft übernahm der Staat als Selbstschuldner.

Der Verstaatlichungsvertrag ist am 29. März 1884 abgeschlossen und durch Gesetz vom 17. Mai desselben Jahres bestätigt. Damit übernahm der preußische Staat unter Ankauf der Hamburg-Bergedorfer Bahn die Verwaltung und den Betrieb der gesamten Berlin-Hamburger Eisenbahn und schloß die Verstaatlichung der großen Berliner Fernbahnen ab.

Die Bedeutung des Erwerbes war ebenso groß wie die Schwierigkeiten, die sich ihm in den staatsrechtlichen Verhältnissen der zu einem Viertel ihrer Länge außerhalb Preußens gelegenen Bahn, in ihrer engen Verbindung mit den im hamburgischen Staatseigentum stehenden Eisenbahnen sowie in der ungewöhnlich günstigen Finanzlage der Gesellschaft entgegenstellten. Diese hatte es ermöglicht, daß umfangreiche Meliorationen, wie die Herstellung des größten Teils des zweiten Gleises, aus den Erträgnissen des Betriebes ausgeführt worden waren, und daß das zu verzinsende Anlagekapital einen außerordentlich niedrigen Stand behauptete. Daneben wurden, wie erwähnt, sehr hohe und gerade in den letzten Jahren stark steigende Dividenden gezahlt. Mit Mecklenburg-Schwerin und mit Hamburg mußten besondere Auseinandersetzungsverträge geschlossen werden. Bei diesen handelte es sich besonders um die Abfindung der beteiligten Staaten für ihren Verzicht auf ihre Anteile an der Eisenbahnabgabe, für die Befreiung von Kommunalsteuern u. s. w. Ferner waren von der Stadt Hamburg die von der Berlin-Hamburger Eisenbahngesellschaft gepachtete Hamburg-Bergedorfer Eisenbahn, der hamburgische Teil der Verbindungsbahn und die Hamburger Kaigleise zu erwerben. Demgegenüber waren aber auch die Vorteile des Erwerbes sehr bedeutende, ja der Erwerb war eine unabweisliche Folge der gesamten Staatsbahnpolitik; kam doch der Staat durch ihn in den Besitz der Verbindung zwischen der Hauptstadt

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[234/0244] Wittenberge fest. Der Anschluß an die Hamburg-Bergedorfer Bahn wurde durch einen Pachtvertrag geregelt. Es war von vornherein eine reichliche Ausstattung der Bahn geplant. So sah man von Anfang an für die Strecke Hamburg-Wittenberge zwei Gleise vor. Steigungs- und Krümmungsverhältnisse, ebenso die Widerstandsfähigkeit des Oberbaues waren sehr günstig. Für den Berliner Bahnhof wurde sogleich eine völlige Trennung des Personenverkehrs vom Güterverkehr durchgeführt. Im Frühjahr 1844 wurde die Bauausführung begonnen. Der Betrieb wurde am 15. Oktober 1845 von Berlin bis Boitzenburg und am 15. Dezember desselben Jahres auf der ganzen Linie von Berlin bis Hamburg eröffnet. Hierdurch erhielt Berlin eine durchgehende Eisenbahnverbindung mit Glückstadt, Kiel und Rendsburg, und Hamburg erhielt Anschluß nach dem Westen und Süden Deutschlands und mit Österreich. Im Jahre 1847 kam der Anschluß auch nach Schwerin, 1848 nach Wismar, 1850 nach Rostock, 1851 nach Lübeck zu stande. 1866 war, abgesehen von der Havelbrücke bei Spandau, das zweite Gleis überall verlegt. Der Wettbewerb mit der Magdeburg-Halberstädter und mit der Köln-Mindener Bahn veranlaßte den Bau der Zweigbahn von Wittenberge nach Lüneburg, die am 31. Dezember 1874 vollständig eröffnet wurde. 1876 bis 1879 entstand der neue große Güter- und Rangierbahnhof in Berlin. Am 1. Juni 1882 wurde die Anschlußstrecke an die Berliner Stadtbahn von Ruhleben nach Charlottenburg in Betrieb genommen. Die Verfassung der Berlin-Hamburger Eisenbahngesellschaft sah eine Direktion mit einem Vorsitzenden und sechs Mitgliedern vor, von denen je eines von der mecklenburgischen und hamburgischen Regierung ernannt wurde. Die Verwaltung und Kontrolle war zwischen einer Berliner und einer Hamburger Deputation geteilt. Die Verkehrsergebnisse der B. waren im Anfang recht schwach; jedoch stiegen die Einnahmen, namentlich aus dem Güterverkehr sehr rasch. Dieser brachte im Jahre 1850 bereits etwa 2 Mill. M., 1860 über 5 Mill. M., 1870 etwa 82/3 und 1880 über 12 Mill. M. Der Personenverkehr trat demgegenüber zurück. Die Einnahmen aus der Personenbeförderung betrugen in den letzten Jahren zwischen 4 und 41/2 Mill. M. So gestaltete sich die Finanzlage der Hamburger Bahn zu einer sehr glänzenden. Umfangreiche Verbesserungen konnten aus den Erträgnissen des Betriebes bestritten werden. Sie machten einen Anlagewert von insgesamt über 34 Mill. M. aus. In den letzten Jahren der Privatbahnverwaltung wurden sehr hohe Dividenden gezahlt, 1880 : 141/2%, 1881 : 171/2%, 1882 : 191/2%. Bei der Verstaatlichung (1884) erhielten die Aktionäre eine feste Rente von 16·9%. Der Gesamtkaufpreis stellte sich darnach auf 1121/2 Mill. M. Das Aktienkapital hatte ursprünglich aus 40.000 Stammaktien gleich 24 Mill. M. bestanden. Hiervon waren jedoch bei der Verstaatlichung die von Mecklenburg-Schwerin und von Hamburg übernommenen 9 Mill. M. bereits zurückgezahlt. Die Prioritätsanleihen und alle sonstigen Schulden der Gesellschaft übernahm der Staat als Selbstschuldner. Der Verstaatlichungsvertrag ist am 29. März 1884 abgeschlossen und durch Gesetz vom 17. Mai desselben Jahres bestätigt. Damit übernahm der preußische Staat unter Ankauf der Hamburg-Bergedorfer Bahn die Verwaltung und den Betrieb der gesamten Berlin-Hamburger Eisenbahn und schloß die Verstaatlichung der großen Berliner Fernbahnen ab. Die Bedeutung des Erwerbes war ebenso groß wie die Schwierigkeiten, die sich ihm in den staatsrechtlichen Verhältnissen der zu einem Viertel ihrer Länge außerhalb Preußens gelegenen Bahn, in ihrer engen Verbindung mit den im hamburgischen Staatseigentum stehenden Eisenbahnen sowie in der ungewöhnlich günstigen Finanzlage der Gesellschaft entgegenstellten. Diese hatte es ermöglicht, daß umfangreiche Meliorationen, wie die Herstellung des größten Teils des zweiten Gleises, aus den Erträgnissen des Betriebes ausgeführt worden waren, und daß das zu verzinsende Anlagekapital einen außerordentlich niedrigen Stand behauptete. Daneben wurden, wie erwähnt, sehr hohe und gerade in den letzten Jahren stark steigende Dividenden gezahlt. Mit Mecklenburg-Schwerin und mit Hamburg mußten besondere Auseinandersetzungsverträge geschlossen werden. Bei diesen handelte es sich besonders um die Abfindung der beteiligten Staaten für ihren Verzicht auf ihre Anteile an der Eisenbahnabgabe, für die Befreiung von Kommunalsteuern u. s. w. Ferner waren von der Stadt Hamburg die von der Berlin-Hamburger Eisenbahngesellschaft gepachtete Hamburg-Bergedorfer Eisenbahn, der hamburgische Teil der Verbindungsbahn und die Hamburger Kaigleise zu erwerben. Demgegenüber waren aber auch die Vorteile des Erwerbes sehr bedeutende, ja der Erwerb war eine unabweisliche Folge der gesamten Staatsbahnpolitik; kam doch der Staat durch ihn in den Besitz der Verbindung zwischen der Hauptstadt

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, Wien, 1912, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen02_1912/244>, abgerufen am 20.05.2024.