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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 7. Berlin, Wien, 1915.

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wird, die Anwendung wesentlich größerer Radstände, die den Ersatz der festen Achse durch die L. erheischten.

Wenn die Verbindung der Hinterachse mit dem Rahmenbau eine gegenseitige Verschiebung in der Längsrichtung des Wagens zuläßt, so vollzieht sich hauptsächlich hierin die radiale Einstellung, und wird infolgedessen die ungünstige Einwirkung des. Rahmenbaues auf die Vorderachse wie sie bei steif gelagerter Hinterachse auftritt, abgeschwächt. Es wird hiernach durch die ermöglichte vollständige radiale Einstellung der Hinterachse gegen den Rahmenbau auch eine gegenüber steifachsigen Wagen günstigere Stellung der Vorderachse gegen die äußere Bogenschiene herbeigeführt, die ein vollständiges Abrollen der in der Spurkranzhohlkehle des äußeren Vorderrads liegenden größeren Laufkreise begünstigt. Durch Verbindung letzterer mit den auch bei ausgelaufenen Radreifen stets kleineren Laufkreisdurchmessern der äußeren, auf der Innenschiene laufenden Teile, kann eine Kegelfläche abrollen, die eine Ablenkung der Vorderachse im radialen Sinn hervorruft. Da eine solche zum Abrollen kommende Kegelfläche der Vorderachsräder aber in keinem Zusammenhang mit der Größe des Krümmungshalbmessers steht, so tritt auch die radiale Einstellung der Vorderachse unabhängig von dem Krümmungshalbmesser, und zwar erfahrungsgemäß insbesondere in schärferen Bahnkrümmungen unter 300 m Halbmesser, in unvollständigem Maß auf. In diesen scheint infolge der starken Überhöhung der äußeren Schiene der wagerechte Druck des Spurkranzes gegen letztere nicht zu genügen, um ein vollständiges Abrollen der in seiner Hohlkehle liegenden größeren Laufkreisdurchmesser herbeizuführen.

Derartige, unabhängig voneinander und durch verschiedene Einwirkungen in Bahnkrümmungen sich radial einstellende Endachsen eines Eisenbahnfahrzeugs werden "freie L." genannt und finden auch bei dreiachsigen Wagen Anwendung. In letzterem Fall wirkt der in einer Bahnkrümmung führende Spurkranz des äußeren Vorderrads sowohl auf eine radiale Einstellung der Hinterachse wie der Mittelachse ein, auf erstere wegen des größeren Hebelarms im Rahmenbau indes im stärkeren Maß wie auf letztere. Um den zwanglosen Lauf der Mittelachse in der Krümmung zu sichern, muß bei größerem Radstande der Endachsen die Mittelachse eine entsprechende Querverschiebbarkeit im Rahmenbau aufweisen.

Die unvollständige und in scharfen Bahnkrümmungen selbst ganz unterbleibende radiale Einstellung einer vorlaufenden freien L. gegen den Rahmenbau hat man dadurch zu beseitigen versucht, daß man die erheblich größere Energie der Hinterachse zur radialen Einstellung auch auf eine entsprechende Verschiebung der Vorderachse einwirken läßt. Es bedarf dazu einer Einrichtung, die die Verschiebung der beiden hinteren Achsbüchsen in entgegengesetzter Richtung auf die gegenüberstehenden Achsbüchsen der Vorderachse überträgt, und besteht diese bei zweiachsigen Wagen in der Regel in der Anordnung eines am Rahmenbau befestigen zweiarmigen Hebels zwischen den Achsen, dessen nach entgegengesetzter Richtung ausschlagende Angriffspunkte durch Lenkstangen mit den beiden Achsbüchsen einer Seite verbunden sind. Bei dreiachsigen Wagen wird dagegen meist die Mittelachse durch Lenkstangen derart mit den Endachsen verbunden, daß sich letztere gleichzeitig in radialer Richtung gegeneinander verschieben, während die Mittelachse eine Querverschiebung erleidet. In beiden Fällen findet also eine Verbindung der einzelnen Endachsbüchsen untereinander statt, die nur deren gleichzeitige Verschiebung u. zw. auf jeder Wagenseite im entgegengesetzten Sinn gestattet.

Solche durch Hebelwerke miteinander verbundene L. werden gekuppelte oder zwangläufige L. genannt.

Die Schwierigkeiten, die sich anfangs beim Übergang der mit L. ausgerüsteten Wagen auf fremde Strecken ergaben und ihre Ursache darin fanden, daß verschiedene, zum Teil noch wenig ausgebildete und erprobte Lenkachsbauarten in Verkehr gesetzt wurden, bewogen den VDEV., eine einheitliche Regelung der Frage der L. in Angriff zu nehmen.

Im Jahre 1882 wurde zum erstenmal durch einen Vereinsbeschluß festgesetzt, daß Wagen mit durch die technische Kommission des Vereins genehmigten Einrichtungen, die eine radiale Einstellung der Endachsen in den Krümmungen gestatten, zuzulassen sind.

Bemerkenswert ist, daß damals im Gegensatze zu den derzeitigen Anschauungen den gekuppelten L. der Vorzug vor den freien L. gegeben wurde; die Anwendung der letzteren erweckte insbesondere bei Wagen für höhere Fahrgeschwindigkeiten und bei Bremswagen Bedenken.

Im Jahre 1886 wird zum erstenmal die Bezeichnung "Vereins-Lenkachsen" gebraucht.

Der Begriff der "Vereins-Lenkachse" wird wie folgt festgesetzt:

"Unter Vereins-Lenkachse sind solche Wagenachsen zu verstehen, deren Verbindung mit den Wagengestell eine Einstellung nach dem Krümmungsmittelpunkt in allen Bahnkrümmungen bis zu einem bestimmten kleinsten

wird, die Anwendung wesentlich größerer Radstände, die den Ersatz der festen Achse durch die L. erheischten.

Wenn die Verbindung der Hinterachse mit dem Rahmenbau eine gegenseitige Verschiebung in der Längsrichtung des Wagens zuläßt, so vollzieht sich hauptsächlich hierin die radiale Einstellung, und wird infolgedessen die ungünstige Einwirkung des. Rahmenbaues auf die Vorderachse wie sie bei steif gelagerter Hinterachse auftritt, abgeschwächt. Es wird hiernach durch die ermöglichte vollständige radiale Einstellung der Hinterachse gegen den Rahmenbau auch eine gegenüber steifachsigen Wagen günstigere Stellung der Vorderachse gegen die äußere Bogenschiene herbeigeführt, die ein vollständiges Abrollen der in der Spurkranzhohlkehle des äußeren Vorderrads liegenden größeren Laufkreise begünstigt. Durch Verbindung letzterer mit den auch bei ausgelaufenen Radreifen stets kleineren Laufkreisdurchmessern der äußeren, auf der Innenschiene laufenden Teile, kann eine Kegelfläche abrollen, die eine Ablenkung der Vorderachse im radialen Sinn hervorruft. Da eine solche zum Abrollen kommende Kegelfläche der Vorderachsräder aber in keinem Zusammenhang mit der Größe des Krümmungshalbmessers steht, so tritt auch die radiale Einstellung der Vorderachse unabhängig von dem Krümmungshalbmesser, und zwar erfahrungsgemäß insbesondere in schärferen Bahnkrümmungen unter 300 m Halbmesser, in unvollständigem Maß auf. In diesen scheint infolge der starken Überhöhung der äußeren Schiene der wagerechte Druck des Spurkranzes gegen letztere nicht zu genügen, um ein vollständiges Abrollen der in seiner Hohlkehle liegenden größeren Laufkreisdurchmesser herbeizuführen.

Derartige, unabhängig voneinander und durch verschiedene Einwirkungen in Bahnkrümmungen sich radial einstellende Endachsen eines Eisenbahnfahrzeugs werden „freie L.“ genannt und finden auch bei dreiachsigen Wagen Anwendung. In letzterem Fall wirkt der in einer Bahnkrümmung führende Spurkranz des äußeren Vorderrads sowohl auf eine radiale Einstellung der Hinterachse wie der Mittelachse ein, auf erstere wegen des größeren Hebelarms im Rahmenbau indes im stärkeren Maß wie auf letztere. Um den zwanglosen Lauf der Mittelachse in der Krümmung zu sichern, muß bei größerem Radstande der Endachsen die Mittelachse eine entsprechende Querverschiebbarkeit im Rahmenbau aufweisen.

Die unvollständige und in scharfen Bahnkrümmungen selbst ganz unterbleibende radiale Einstellung einer vorlaufenden freien L. gegen den Rahmenbau hat man dadurch zu beseitigen versucht, daß man die erheblich größere Energie der Hinterachse zur radialen Einstellung auch auf eine entsprechende Verschiebung der Vorderachse einwirken läßt. Es bedarf dazu einer Einrichtung, die die Verschiebung der beiden hinteren Achsbüchsen in entgegengesetzter Richtung auf die gegenüberstehenden Achsbüchsen der Vorderachse überträgt, und besteht diese bei zweiachsigen Wagen in der Regel in der Anordnung eines am Rahmenbau befestigen zweiarmigen Hebels zwischen den Achsen, dessen nach entgegengesetzter Richtung ausschlagende Angriffspunkte durch Lenkstangen mit den beiden Achsbüchsen einer Seite verbunden sind. Bei dreiachsigen Wagen wird dagegen meist die Mittelachse durch Lenkstangen derart mit den Endachsen verbunden, daß sich letztere gleichzeitig in radialer Richtung gegeneinander verschieben, während die Mittelachse eine Querverschiebung erleidet. In beiden Fällen findet also eine Verbindung der einzelnen Endachsbüchsen untereinander statt, die nur deren gleichzeitige Verschiebung u. zw. auf jeder Wagenseite im entgegengesetzten Sinn gestattet.

Solche durch Hebelwerke miteinander verbundene L. werden gekuppelte oder zwangläufige L. genannt.

Die Schwierigkeiten, die sich anfangs beim Übergang der mit L. ausgerüsteten Wagen auf fremde Strecken ergaben und ihre Ursache darin fanden, daß verschiedene, zum Teil noch wenig ausgebildete und erprobte Lenkachsbauarten in Verkehr gesetzt wurden, bewogen den VDEV., eine einheitliche Regelung der Frage der L. in Angriff zu nehmen.

Im Jahre 1882 wurde zum erstenmal durch einen Vereinsbeschluß festgesetzt, daß Wagen mit durch die technische Kommission des Vereins genehmigten Einrichtungen, die eine radiale Einstellung der Endachsen in den Krümmungen gestatten, zuzulassen sind.

Bemerkenswert ist, daß damals im Gegensatze zu den derzeitigen Anschauungen den gekuppelten L. der Vorzug vor den freien L. gegeben wurde; die Anwendung der letzteren erweckte insbesondere bei Wagen für höhere Fahrgeschwindigkeiten und bei Bremswagen Bedenken.

Im Jahre 1886 wird zum erstenmal die Bezeichnung „Vereins-Lenkachsen“ gebraucht.

Der Begriff der „Vereins-Lenkachse“ wird wie folgt festgesetzt:

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[98/0106] wird, die Anwendung wesentlich größerer Radstände, die den Ersatz der festen Achse durch die L. erheischten. Wenn die Verbindung der Hinterachse mit dem Rahmenbau eine gegenseitige Verschiebung in der Längsrichtung des Wagens zuläßt, so vollzieht sich hauptsächlich hierin die radiale Einstellung, und wird infolgedessen die ungünstige Einwirkung des. Rahmenbaues auf die Vorderachse wie sie bei steif gelagerter Hinterachse auftritt, abgeschwächt. Es wird hiernach durch die ermöglichte vollständige radiale Einstellung der Hinterachse gegen den Rahmenbau auch eine gegenüber steifachsigen Wagen günstigere Stellung der Vorderachse gegen die äußere Bogenschiene herbeigeführt, die ein vollständiges Abrollen der in der Spurkranzhohlkehle des äußeren Vorderrads liegenden größeren Laufkreise begünstigt. Durch Verbindung letzterer mit den auch bei ausgelaufenen Radreifen stets kleineren Laufkreisdurchmessern der äußeren, auf der Innenschiene laufenden Teile, kann eine Kegelfläche abrollen, die eine Ablenkung der Vorderachse im radialen Sinn hervorruft. Da eine solche zum Abrollen kommende Kegelfläche der Vorderachsräder aber in keinem Zusammenhang mit der Größe des Krümmungshalbmessers steht, so tritt auch die radiale Einstellung der Vorderachse unabhängig von dem Krümmungshalbmesser, und zwar erfahrungsgemäß insbesondere in schärferen Bahnkrümmungen unter 300 m Halbmesser, in unvollständigem Maß auf. In diesen scheint infolge der starken Überhöhung der äußeren Schiene der wagerechte Druck des Spurkranzes gegen letztere nicht zu genügen, um ein vollständiges Abrollen der in seiner Hohlkehle liegenden größeren Laufkreisdurchmesser herbeizuführen. Derartige, unabhängig voneinander und durch verschiedene Einwirkungen in Bahnkrümmungen sich radial einstellende Endachsen eines Eisenbahnfahrzeugs werden „freie L.“ genannt und finden auch bei dreiachsigen Wagen Anwendung. In letzterem Fall wirkt der in einer Bahnkrümmung führende Spurkranz des äußeren Vorderrads sowohl auf eine radiale Einstellung der Hinterachse wie der Mittelachse ein, auf erstere wegen des größeren Hebelarms im Rahmenbau indes im stärkeren Maß wie auf letztere. Um den zwanglosen Lauf der Mittelachse in der Krümmung zu sichern, muß bei größerem Radstande der Endachsen die Mittelachse eine entsprechende Querverschiebbarkeit im Rahmenbau aufweisen. Die unvollständige und in scharfen Bahnkrümmungen selbst ganz unterbleibende radiale Einstellung einer vorlaufenden freien L. gegen den Rahmenbau hat man dadurch zu beseitigen versucht, daß man die erheblich größere Energie der Hinterachse zur radialen Einstellung auch auf eine entsprechende Verschiebung der Vorderachse einwirken läßt. Es bedarf dazu einer Einrichtung, die die Verschiebung der beiden hinteren Achsbüchsen in entgegengesetzter Richtung auf die gegenüberstehenden Achsbüchsen der Vorderachse überträgt, und besteht diese bei zweiachsigen Wagen in der Regel in der Anordnung eines am Rahmenbau befestigen zweiarmigen Hebels zwischen den Achsen, dessen nach entgegengesetzter Richtung ausschlagende Angriffspunkte durch Lenkstangen mit den beiden Achsbüchsen einer Seite verbunden sind. Bei dreiachsigen Wagen wird dagegen meist die Mittelachse durch Lenkstangen derart mit den Endachsen verbunden, daß sich letztere gleichzeitig in radialer Richtung gegeneinander verschieben, während die Mittelachse eine Querverschiebung erleidet. In beiden Fällen findet also eine Verbindung der einzelnen Endachsbüchsen untereinander statt, die nur deren gleichzeitige Verschiebung u. zw. auf jeder Wagenseite im entgegengesetzten Sinn gestattet. Solche durch Hebelwerke miteinander verbundene L. werden gekuppelte oder zwangläufige L. genannt. Die Schwierigkeiten, die sich anfangs beim Übergang der mit L. ausgerüsteten Wagen auf fremde Strecken ergaben und ihre Ursache darin fanden, daß verschiedene, zum Teil noch wenig ausgebildete und erprobte Lenkachsbauarten in Verkehr gesetzt wurden, bewogen den VDEV., eine einheitliche Regelung der Frage der L. in Angriff zu nehmen. Im Jahre 1882 wurde zum erstenmal durch einen Vereinsbeschluß festgesetzt, daß Wagen mit durch die technische Kommission des Vereins genehmigten Einrichtungen, die eine radiale Einstellung der Endachsen in den Krümmungen gestatten, zuzulassen sind. Bemerkenswert ist, daß damals im Gegensatze zu den derzeitigen Anschauungen den gekuppelten L. der Vorzug vor den freien L. gegeben wurde; die Anwendung der letzteren erweckte insbesondere bei Wagen für höhere Fahrgeschwindigkeiten und bei Bremswagen Bedenken. Im Jahre 1886 wird zum erstenmal die Bezeichnung „Vereins-Lenkachsen“ gebraucht. Der Begriff der „Vereins-Lenkachse“ wird wie folgt festgesetzt: „Unter Vereins-Lenkachse sind solche Wagenachsen zu verstehen, deren Verbindung mit den Wagengestell eine Einstellung nach dem Krümmungsmittelpunkt in allen Bahnkrümmungen bis zu einem bestimmten kleinsten

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 7. Berlin, Wien, 1915, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen07_1915/106>, abgerufen am 19.05.2024.