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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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Stellung und der Einfluß der beiden Czartoryski war damals
fest begründet, sie bedurften seiner Unterstützung nicht mehr,
und fingen an solche auch nicht mehr zu wünschen 1).

Wie verschieden auch der Character der Brüder war, so
waren sie doch beide -- auch die Gegner erkennen dies an --
von selten hoher Begabung und ragten an Bildung nicht nur
über die Masse des vorurtheilsvollen und unaufgeklärten Adels,
sondern auch über ihre besseren Standesgenossen weit hinaus.
Von Jugend auf nicht genußsüchtig und verschwenderisch wie
diese, sondern arbeitsam und sparsam, hielten sie ihre Finanzen
in Ordnung und brachten ihre Güter empor, während die
Mehrzahl der anderen "Herren" bei all ihrem Reichthum in
der Regel in ungeordneten Vermögensverhältnissen, vielseitig
verschuldet lebte. Vornämlich der jüngere Bruder, der Woi-
wode von Rußland, war ein vorzüglicher Wirth. Er widmete
sich unausgesetzt mit großer Einsicht der Verwaltung seiner
durch seine Heirath erworbenen zahlreichen Güter, und mit
solchem Erfolge, daß man allgemein annahm, er habe über
eine Million Dukaten auf ihnen lastender Schulden abgezahlt
und daneben doch ihre Einkünfte verdoppelt. Grade hiedurch
hatte er stets die finanziellen Mittel bereit, deren die Familie
für die Durchsetzung ihrer politischen Zwecke nothwendig be-
durfte. Hiefür hatte er stets eine offene Kasse, weil er der
"Herr und nicht der Sclave des Geldes war"; wie denn
überhaupt beide Brüder bei all ihrer wirthschaftlichen Ordnung
und Sparsamkeit ihrem Stande und ihrer hohen Stellung
gemäß lebten, eine glänzende Gastfreundschaft übten und, wenn
es ihnen darauf ankam, in hohem Maaße sich freigebig erwiesen.
Es war ein Hebel ihrer Politik, junge Leute von Talent zu
suchen, an sich zu ziehen, für ihre Bildung sie reichlich zu unter-
stützen und für ihr weiteres Fortkommen zu sorgen. Auch
hiefür war der Woiwode besonders begabt. Mit scharfem und
raschem Blick verstand er es vortrefflich die Menschen zu er-
kennen, ihren Character, ihre Vorzüge und ihre Mängel zu

1) Stanislaw Poniatowski, Pam., p. 678.

Stellung und der Einfluß der beiden Czartoryski war damals
feſt begründet, ſie bedurften ſeiner Unterſtützung nicht mehr,
und fingen an ſolche auch nicht mehr zu wünſchen 1).

Wie verſchieden auch der Character der Brüder war, ſo
waren ſie doch beide — auch die Gegner erkennen dies an —
von ſelten hoher Begabung und ragten an Bildung nicht nur
über die Maſſe des vorurtheilsvollen und unaufgeklärten Adels,
ſondern auch über ihre beſſeren Standesgenoſſen weit hinaus.
Von Jugend auf nicht genußſüchtig und verſchwenderiſch wie
dieſe, ſondern arbeitſam und ſparſam, hielten ſie ihre Finanzen
in Ordnung und brachten ihre Güter empor, während die
Mehrzahl der anderen „Herren“ bei all ihrem Reichthum in
der Regel in ungeordneten Vermögensverhältniſſen, vielſeitig
verſchuldet lebte. Vornämlich der jüngere Bruder, der Woi-
wode von Rußland, war ein vorzüglicher Wirth. Er widmete
ſich unausgeſetzt mit großer Einſicht der Verwaltung ſeiner
durch ſeine Heirath erworbenen zahlreichen Güter, und mit
ſolchem Erfolge, daß man allgemein annahm, er habe über
eine Million Dukaten auf ihnen laſtender Schulden abgezahlt
und daneben doch ihre Einkünfte verdoppelt. Grade hiedurch
hatte er ſtets die finanziellen Mittel bereit, deren die Familie
für die Durchſetzung ihrer politiſchen Zwecke nothwendig be-
durfte. Hiefür hatte er ſtets eine offene Kaſſe, weil er der
„Herr und nicht der Sclave des Geldes war“; wie denn
überhaupt beide Brüder bei all ihrer wirthſchaftlichen Ordnung
und Sparſamkeit ihrem Stande und ihrer hohen Stellung
gemäß lebten, eine glänzende Gaſtfreundſchaft übten und, wenn
es ihnen darauf ankam, in hohem Maaße ſich freigebig erwieſen.
Es war ein Hebel ihrer Politik, junge Leute von Talent zu
ſuchen, an ſich zu ziehen, für ihre Bildung ſie reichlich zu unter-
ſtützen und für ihr weiteres Fortkommen zu ſorgen. Auch
hiefür war der Woiwode beſonders begabt. Mit ſcharfem und
raſchem Blick verſtand er es vortrefflich die Menſchen zu er-
kennen, ihren Character, ihre Vorzüge und ihre Mängel zu

1) Stanislaw Poniatowski, Pam., p. 678.
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[50/0064] Stellung und der Einfluß der beiden Czartoryski war damals feſt begründet, ſie bedurften ſeiner Unterſtützung nicht mehr, und fingen an ſolche auch nicht mehr zu wünſchen 1). Wie verſchieden auch der Character der Brüder war, ſo waren ſie doch beide — auch die Gegner erkennen dies an — von ſelten hoher Begabung und ragten an Bildung nicht nur über die Maſſe des vorurtheilsvollen und unaufgeklärten Adels, ſondern auch über ihre beſſeren Standesgenoſſen weit hinaus. Von Jugend auf nicht genußſüchtig und verſchwenderiſch wie dieſe, ſondern arbeitſam und ſparſam, hielten ſie ihre Finanzen in Ordnung und brachten ihre Güter empor, während die Mehrzahl der anderen „Herren“ bei all ihrem Reichthum in der Regel in ungeordneten Vermögensverhältniſſen, vielſeitig verſchuldet lebte. Vornämlich der jüngere Bruder, der Woi- wode von Rußland, war ein vorzüglicher Wirth. Er widmete ſich unausgeſetzt mit großer Einſicht der Verwaltung ſeiner durch ſeine Heirath erworbenen zahlreichen Güter, und mit ſolchem Erfolge, daß man allgemein annahm, er habe über eine Million Dukaten auf ihnen laſtender Schulden abgezahlt und daneben doch ihre Einkünfte verdoppelt. Grade hiedurch hatte er ſtets die finanziellen Mittel bereit, deren die Familie für die Durchſetzung ihrer politiſchen Zwecke nothwendig be- durfte. Hiefür hatte er ſtets eine offene Kaſſe, weil er der „Herr und nicht der Sclave des Geldes war“; wie denn überhaupt beide Brüder bei all ihrer wirthſchaftlichen Ordnung und Sparſamkeit ihrem Stande und ihrer hohen Stellung gemäß lebten, eine glänzende Gaſtfreundſchaft übten und, wenn es ihnen darauf ankam, in hohem Maaße ſich freigebig erwieſen. Es war ein Hebel ihrer Politik, junge Leute von Talent zu ſuchen, an ſich zu ziehen, für ihre Bildung ſie reichlich zu unter- ſtützen und für ihr weiteres Fortkommen zu ſorgen. Auch hiefür war der Woiwode beſonders begabt. Mit ſcharfem und raſchem Blick verſtand er es vortrefflich die Menſchen zu er- kennen, ihren Character, ihre Vorzüge und ihre Mängel zu 1) Stanislaw Poniatowski, Pam., p. 678.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/64>, abgerufen am 28.04.2024.