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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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Ermordeter, die man sich in besonders unruhiger Bewegung
dachte, bildete sich eine eigene Art unheimlicher Mythologie,

er betritt; daher kommen aphoriai und dustukheis praxeis über die Stadt.
Die Richter haben das dringendste Interesse, durch sühnendes Gericht
diese Befleckung abzuwenden. S. Tetr. 1 a, 10. Orat. 5, 11. 82. Tetr.
1 a, 3; 1 g, 9. 11; 3 g, 6. 7. Es kommt aber darauf an, den wirklichen
Thäter auszufinden und zu bestrafen. Wird von Seiten der Verwandten
des Ermordeten ein anderer als der Thäter gerichtlich verfolgt, so trifft
sie, nicht die etwa den Unrechten verurtheilenden Richter der Groll des
Todten und der Rachegeister: Tetr. 1 a, 3; 3 a, 4; 3 d, 10; denn dem
Ermordeten ist auf diese Weise seine timoria nicht zu Theil geworden:
Tetr. 3 a, 4. Auf ungerechte Zeugen und Richter fällt aber doch auch
ein miasma, welches sie dann in ihre eigenen Häuser einschleppen: Tetr.
3 a, 3; wenigstens bei falscher Verurtheilung, nicht bei falscher Frei-
sprechung (vgl. or. 5, 91) des Angeklagten trifft sie nach Tetr. 3 b, 8 to
menima ton aliterion -- nämlich des ungerecht Verurtheilten (während
der Ermordete sich immer noch an seine Verwandten hält). Bei wissent-
lich
ungerechter Freisprechung des Mörders wird der Ermordete dem
Richter, nicht seinen Verwandten, enthumios. Tetr. 1 g, 10. -- Als der-
jenige, von welchem der Groll ausgeht, wird bezeichnet der Todte selbst:
prostropaios o apothanon. Tetr. 1 g, 10; ebenso 3 d, 10. Dort steht diesem
parallel: to menima ton aliterion. Der Gemordete hinterlässt ten ton
aliterion dusmeneian (und diese -- nicht, wie Neuere bisweilen sich vor-
stellen, irgend eine "sittliche" Befleckung ist, wie dort ganz deutlich
gesagt wird, das miasma: ten ton al. dusmeneian, en -- -- miasma -- eisa-
gontai): Tetr. 3 a, 3. Vgl. noch 3 b, 8; 3 g, 7. Hier schieben sich statt
der Seele des Todten selbst Rachegeister unter (ebenso, wenn von einem
prostropaios tou apothanontos die Rede ist: s. oben S. 241). Die prostro-
paioi ton apothanonton werden selbst zu deinoi aliterioi der säumigen Ver-
wandten: Tetr. 3 a, 4. Zwischen beiden ist kein wesentlicher Unterschied
(vgl. Pollux 5, 131). Anderswo ist doch wieder von to prostropaion, als
Eigenschaft, Stimmung des Ermordeten selbst, die Rede: Tetr. 2 d, 9
So wechselt auch: enthumios o apothanon (1 g, 10) und to enthumion (2 a, 2;
2 d, 9). In diesem Vorstellungskreis bedeutet offenbar enthumion (als fest-
geprägter Ausdruck für solche Superstitionen) das zürnende Gedenken,
das Racheverlangen des Ermordeten. (-- enthumion esto Damatros kai Kouras.
Collitz, Dialektins. 3541, 8.) Man wird sich dieses Wortes erinnern, um
zu erklären, inwiefern die den Todten und der Hekate hingestellten Mahle,
auch die (hiermit fast identischen) Reinigungsopfer, die man nach ge-
schehener religiöser Reinigung des Hauses auf die Dreiwege warf, oxuthumia
hiessen (Harpocrat. s. v. Phot. s. oxuth. Art. 1. 2. 3. Bekk. anecd. 287,
24; 288, 7; Etym. M. 626, 44 ff.). Sie sind bestimmt, den leicht ge-
neigten Zorn der Seelen (und ihrer Herrin Hekate), ihr oxuthumon, eine
Steigerung des enthumion, durch apotropäische Opfer zu beschwichtigen.

Ermordeter, die man sich in besonders unruhiger Bewegung
dachte, bildete sich eine eigene Art unheimlicher Mythologie,

er betritt; daher kommen ἀφορίαι und δυστυχεῖς πράξεις über die Stadt.
Die Richter haben das dringendste Interesse, durch sühnendes Gericht
diese Befleckung abzuwenden. S. Tetr. 1 α, 10. Orat. 5, 11. 82. Tetr.
1 α, 3; 1 γ, 9. 11; 3 γ, 6. 7. Es kommt aber darauf an, den wirklichen
Thäter auszufinden und zu bestrafen. Wird von Seiten der Verwandten
des Ermordeten ein anderer als der Thäter gerichtlich verfolgt, so trifft
sie, nicht die etwa den Unrechten verurtheilenden Richter der Groll des
Todten und der Rachegeister: Tetr. 1 α, 3; 3 α, 4; 3 δ, 10; denn dem
Ermordeten ist auf diese Weise seine τιμωρία nicht zu Theil geworden:
Tetr. 3 α, 4. Auf ungerechte Zeugen und Richter fällt aber doch auch
ein μίασμα, welches sie dann in ihre eigenen Häuser einschleppen: Tetr.
3 α, 3; wenigstens bei falscher Verurtheilung, nicht bei falscher Frei-
sprechung (vgl. or. 5, 91) des Angeklagten trifft sie nach Tetr. 3 β, 8 τὸ
μήνιμα τῶν ἀλιτηρίων — nämlich des ungerecht Verurtheilten (während
der Ermordete sich immer noch an seine Verwandten hält). Bei wissent-
lich
ungerechter Freisprechung des Mörders wird der Ermordete dem
Richter, nicht seinen Verwandten, ἐνϑύμιος. Tetr. 1 γ, 10. — Als der-
jenige, von welchem der Groll ausgeht, wird bezeichnet der Todte selbst:
προςτρόπαιος ὁ ἀποϑανών. Tetr. 1 γ, 10; ebenso 3 δ, 10. Dort steht diesem
parallel: τὸ μήνιμα τῶν ἀλιτηρίων. Der Gemordete hinterlässt τὴν τῶν
ἀλιτηρίων δυσμένειαν (und diese — nicht, wie Neuere bisweilen sich vor-
stellen, irgend eine „sittliche“ Befleckung ist, wie dort ganz deutlich
gesagt wird, das μίασμα: τὴν τῶν ἀλ. δυσμένειαν, ἣν — — μίασμα — εἰςά-
γονται): Tetr. 3 α, 3. Vgl. noch 3 β, 8; 3 γ, 7. Hier schieben sich statt
der Seele des Todten selbst Rachegeister unter (ebenso, wenn von einem
προςτρόπαιος τοῦ ἀποϑανόντος die Rede ist: s. oben S. 241). Die προςτρό-
παιοι τῶν ἀποϑανόντων werden selbst zu δεινοὶ ἀλιτήριοι der säumigen Ver-
wandten: Tetr. 3 α, 4. Zwischen beiden ist kein wesentlicher Unterschied
(vgl. Pollux 5, 131). Anderswo ist doch wieder von τὸ προςτρόπαιον, als
Eigenschaft, Stimmung des Ermordeten selbst, die Rede: Tetr. 2 δ, 9
So wechselt auch: ἐνϑύμιος ὁ ἀποϑανών (1 γ, 10) und τὸ ἐνϑύμιον (2 α, 2;
2 δ, 9). In diesem Vorstellungskreis bedeutet offenbar ἐνϑύμιον (als fest-
geprägter Ausdruck für solche Superstitionen) das zürnende Gedenken,
das Racheverlangen des Ermordeten. (— ἐνϑύμιον ἔστω Δάματρος καὶ Κούρας.
Collitz, Dialektins. 3541, 8.) Man wird sich dieses Wortes erinnern, um
zu erklären, inwiefern die den Todten und der Hekate hingestellten Mahle,
auch die (hiermit fast identischen) Reinigungsopfer, die man nach ge-
schehener religiöser Reinigung des Hauses auf die Dreiwege warf, ὀξυϑύμια
hiessen (Harpocrat. s. v. Phot. s. ὀξυϑ. Art. 1. 2. 3. Bekk. anecd. 287,
24; 288, 7; Etym. M. 626, 44 ff.). Sie sind bestimmt, den leicht ge-
neigten Zorn der Seelen (und ihrer Herrin Hekate), ihr ὀξύϑυμον, eine
Steigerung des ἐνϑύμιον, durch apotropäische Opfer zu beschwichtigen.
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[252/0268] Ermordeter, die man sich in besonders unruhiger Bewegung dachte, bildete sich eine eigene Art unheimlicher Mythologie, 3) 3) er betritt; daher kommen ἀφορίαι und δυστυχεῖς πράξεις über die Stadt. Die Richter haben das dringendste Interesse, durch sühnendes Gericht diese Befleckung abzuwenden. S. Tetr. 1 α, 10. Orat. 5, 11. 82. Tetr. 1 α, 3; 1 γ, 9. 11; 3 γ, 6. 7. Es kommt aber darauf an, den wirklichen Thäter auszufinden und zu bestrafen. Wird von Seiten der Verwandten des Ermordeten ein anderer als der Thäter gerichtlich verfolgt, so trifft sie, nicht die etwa den Unrechten verurtheilenden Richter der Groll des Todten und der Rachegeister: Tetr. 1 α, 3; 3 α, 4; 3 δ, 10; denn dem Ermordeten ist auf diese Weise seine τιμωρία nicht zu Theil geworden: Tetr. 3 α, 4. Auf ungerechte Zeugen und Richter fällt aber doch auch ein μίασμα, welches sie dann in ihre eigenen Häuser einschleppen: Tetr. 3 α, 3; wenigstens bei falscher Verurtheilung, nicht bei falscher Frei- sprechung (vgl. or. 5, 91) des Angeklagten trifft sie nach Tetr. 3 β, 8 τὸ μήνιμα τῶν ἀλιτηρίων — nämlich des ungerecht Verurtheilten (während der Ermordete sich immer noch an seine Verwandten hält). Bei wissent- lich ungerechter Freisprechung des Mörders wird der Ermordete dem Richter, nicht seinen Verwandten, ἐνϑύμιος. Tetr. 1 γ, 10. — Als der- jenige, von welchem der Groll ausgeht, wird bezeichnet der Todte selbst: προςτρόπαιος ὁ ἀποϑανών. Tetr. 1 γ, 10; ebenso 3 δ, 10. Dort steht diesem parallel: τὸ μήνιμα τῶν ἀλιτηρίων. Der Gemordete hinterlässt τὴν τῶν ἀλιτηρίων δυσμένειαν (und diese — nicht, wie Neuere bisweilen sich vor- stellen, irgend eine „sittliche“ Befleckung ist, wie dort ganz deutlich gesagt wird, das μίασμα: τὴν τῶν ἀλ. δυσμένειαν, ἣν — — μίασμα — εἰςά- γονται): Tetr. 3 α, 3. Vgl. noch 3 β, 8; 3 γ, 7. Hier schieben sich statt der Seele des Todten selbst Rachegeister unter (ebenso, wenn von einem προςτρόπαιος τοῦ ἀποϑανόντος die Rede ist: s. oben S. 241). Die προςτρό- παιοι τῶν ἀποϑανόντων werden selbst zu δεινοὶ ἀλιτήριοι der säumigen Ver- wandten: Tetr. 3 α, 4. Zwischen beiden ist kein wesentlicher Unterschied (vgl. Pollux 5, 131). Anderswo ist doch wieder von τὸ προςτρόπαιον, als Eigenschaft, Stimmung des Ermordeten selbst, die Rede: Tetr. 2 δ, 9 So wechselt auch: ἐνϑύμιος ὁ ἀποϑανών (1 γ, 10) und τὸ ἐνϑύμιον (2 α, 2; 2 δ, 9). In diesem Vorstellungskreis bedeutet offenbar ἐνϑύμιον (als fest- geprägter Ausdruck für solche Superstitionen) das zürnende Gedenken, das Racheverlangen des Ermordeten. (— ἐνϑύμιον ἔστω Δάματρος καὶ Κούρας. Collitz, Dialektins. 3541, 8.) Man wird sich dieses Wortes erinnern, um zu erklären, inwiefern die den Todten und der Hekate hingestellten Mahle, auch die (hiermit fast identischen) Reinigungsopfer, die man nach ge- schehener religiöser Reinigung des Hauses auf die Dreiwege warf, ὀξυϑύμια hiessen (Harpocrat. s. v. Phot. s. ὀξυϑ. Art. 1. 2. 3. Bekk. anecd. 287, 24; 288, 7; Etym. M. 626, 44 ff.). Sie sind bestimmt, den leicht ge- neigten Zorn der Seelen (und ihrer Herrin Hekate), ihr ὀξύϑυμον, eine Steigerung des ἐνϑύμιον, durch apotropäische Opfer zu beschwichtigen.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/268>, abgerufen am 01.05.2024.