gemeinde, so nun den grossen Schaaren der in die eleusinische Festgemeinde Aufgenommenen, als höchster Gewinn der Be- theiligung an diesem Cultacte sonder Gleichen, verkündigt wurde 1), was der Hymnus als solchen geradezu bezeichnet: die besondere Gnade der Unterweltsgötter und ein zukünftiges seliges Leben in ihrem Reiche. Die Standbilder der Göttinnen wurden in strahlendem Lichte sichtbar 2); der Gläubige ahnte, an diesem Gnadenfeste der Erinnerung an ihre Leiden, ihr Glück und ihre Wohlthaten, ihre unsichtbare Gegenwart. Die Verheissungen zukünftiger Seligkeit schienen von ihnen selbst verbürgt zu sein.
5.
Wir haben, trotz mancher hyperbolischen Angaben aus dem Alterthum, keine Mittel zu beurtheilen, wie weit in Wahrheit sich die Theilnahme an den eleusinischen Mysterien (in Eleusis selbst und späterhin auch in den zahlreichen Filialen von Eleusis) ausgebreitet haben mag. Immerhin ist es glaublich, dass grosse Schaaren von Athenern nicht allein, sondern von Griechen aller Stämme in den zu Eleusis verheissenen Gnadenstand zu treten sich beeiferten, und so die belebtere Vorstellung von dem Da- sein der Seelen im Jenseits allmählich fast zu einem Gemein- besitz griechischer Phantasie wurde.
Im Uebrigen wird man sich hüten müssen, von der Wir- kung dieser Mysterien eine zu grosse Meinung zu fassen. Von einer sittlichen Wirkung wird kaum zu reden sein; die Alten selbst, bei aller Ueberschwänglichkeit im Preise der Mysterien und ihres Werthes, wissen davon so gut wie nichts 3), und man
1) Solche Verkündigung könnte zu den ierophantou Reseis (Sopater, diair. zetem., Walz, Rhet. gr. 8, 123, 29. Vgl. Lobeck, Agl. 189) gehören.
2) S. Lobeck, Agl. 52. 58 f.
3) Von irgend welcher moralischen Verpflichtung in den Mysterien und demgemäss moralischer Wirkung der Feier redet eigentlich nur An- docides, de myst. 31: memuesthe kai eorakate toin theoin ta iera, ina timo- resete men tous asebountas, sozete de tous meden adikountas. Wie das gemeint ist, bleibt unklar. Bei Aristoph. Ran. 455 ff. steht das osoi memuemetha nur lose neben dem: eusebe diegomen tropon peri tous xenous
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gemeinde, so nun den grossen Schaaren der in die eleusinische Festgemeinde Aufgenommenen, als höchster Gewinn der Be- theiligung an diesem Cultacte sonder Gleichen, verkündigt wurde 1), was der Hymnus als solchen geradezu bezeichnet: die besondere Gnade der Unterweltsgötter und ein zukünftiges seliges Leben in ihrem Reiche. Die Standbilder der Göttinnen wurden in strahlendem Lichte sichtbar 2); der Gläubige ahnte, an diesem Gnadenfeste der Erinnerung an ihre Leiden, ihr Glück und ihre Wohlthaten, ihre unsichtbare Gegenwart. Die Verheissungen zukünftiger Seligkeit schienen von ihnen selbst verbürgt zu sein.
5.
Wir haben, trotz mancher hyperbolischen Angaben aus dem Alterthum, keine Mittel zu beurtheilen, wie weit in Wahrheit sich die Theilnahme an den eleusinischen Mysterien (in Eleusis selbst und späterhin auch in den zahlreichen Filialen von Eleusis) ausgebreitet haben mag. Immerhin ist es glaublich, dass grosse Schaaren von Athenern nicht allein, sondern von Griechen aller Stämme in den zu Eleusis verheissenen Gnadenstand zu treten sich beeiferten, und so die belebtere Vorstellung von dem Da- sein der Seelen im Jenseits allmählich fast zu einem Gemein- besitz griechischer Phantasie wurde.
Im Uebrigen wird man sich hüten müssen, von der Wir- kung dieser Mysterien eine zu grosse Meinung zu fassen. Von einer sittlichen Wirkung wird kaum zu reden sein; die Alten selbst, bei aller Ueberschwänglichkeit im Preise der Mysterien und ihres Werthes, wissen davon so gut wie nichts 3), und man
1) Solche Verkündigung könnte zu den ἱεροφάντου ῥήσεις (Sopater, διαίρ. ζητημ., Walz, Rhet. gr. 8, 123, 29. Vgl. Lobeck, Agl. 189) gehören.
2) S. Lobeck, Agl. 52. 58 f.
3) Von irgend welcher moralischen Verpflichtung in den Mysterien und demgemäss moralischer Wirkung der Feier redet eigentlich nur An- docides, de myst. 31: μεμύησϑε καὶ ἑωράκατε τοῖν ϑεοῖν τὰ ἱερά, ἵνα τιμω- ρήσητε μὲν τοὺς ἀσεβοῦντας, σώζητε δὲ τοὺς μηδὲν ἀδικοῦντας. Wie das gemeint ist, bleibt unklar. Bei Aristoph. Ran. 455 ff. steht das ὅσοι μεμυήμεϑα nur lose neben dem: εὐσεβῆ διήγομεν τρόπον περὶ τοὺς ξένους
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gemeinde, so nun den grossen Schaaren der in die eleusinische
Festgemeinde Aufgenommenen, als höchster Gewinn der Be-
theiligung an diesem Cultacte sonder Gleichen, verkündigt
wurde 1), was der Hymnus als solchen geradezu bezeichnet:
die besondere Gnade der Unterweltsgötter und ein zukünftiges
seliges Leben in ihrem Reiche. Die Standbilder der Göttinnen
wurden in strahlendem Lichte sichtbar 2); der Gläubige ahnte,
an diesem Gnadenfeste der Erinnerung an ihre Leiden, ihr
Glück und ihre Wohlthaten, ihre unsichtbare Gegenwart. Die
Verheissungen zukünftiger Seligkeit schienen von ihnen selbst
verbürgt zu sein.
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Wir haben, trotz mancher hyperbolischen Angaben aus dem
Alterthum, keine Mittel zu beurtheilen, wie weit in Wahrheit
sich die Theilnahme an den eleusinischen Mysterien (in Eleusis
selbst und späterhin auch in den zahlreichen Filialen von Eleusis)
ausgebreitet haben mag. Immerhin ist es glaublich, dass grosse
Schaaren von Athenern nicht allein, sondern von Griechen aller
Stämme in den zu Eleusis verheissenen Gnadenstand zu treten
sich beeiferten, und so die belebtere Vorstellung von dem Da-
sein der Seelen im Jenseits allmählich fast zu einem Gemein-
besitz griechischer Phantasie wurde.
Im Uebrigen wird man sich hüten müssen, von der Wir-
kung dieser Mysterien eine zu grosse Meinung zu fassen. Von
einer sittlichen Wirkung wird kaum zu reden sein; die Alten
selbst, bei aller Ueberschwänglichkeit im Preise der Mysterien
und ihres Werthes, wissen davon so gut wie nichts 3), und man
1) Solche Verkündigung könnte zu den ἱεροφάντου ῥήσεις (Sopater,
διαίρ. ζητημ., Walz, Rhet. gr. 8, 123, 29. Vgl. Lobeck, Agl. 189) gehören.
2) S. Lobeck, Agl. 52. 58 f.
3) Von irgend welcher moralischen Verpflichtung in den Mysterien
und demgemäss moralischer Wirkung der Feier redet eigentlich nur An-
docides, de myst. 31: μεμύησϑε καὶ ἑωράκατε τοῖν ϑεοῖν τὰ ἱερά, ἵνα τιμω-
ρήσητε μὲν τοὺς ἀσεβοῦντας, σώζητε δὲ τοὺς μηδὲν ἀδικοῦντας. Wie das
gemeint ist, bleibt unklar. Bei Aristoph. Ran. 455 ff. steht das ὅσοι
μεμυήμεϑα nur lose neben dem: εὐσεβῆ διήγομεν τρόπον περὶ τοὺς ξένους
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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/291>, abgerufen am 05.12.2023.
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