lich wohl euphemistisch gemeinte Anrufung des Seelengeistes, der seine Macht auch benutzen könnte, um das Gegentheil der ihm hiemit zugetrauten Güte auszuüben, eben die Macht des also Angeredeten, als eines nun in eine höhere Natur Hinauf- gehobenen, scheu verehrend bezeichnend soll 1).
2.
Deutlicher und bewusster spricht sich die Vorstellung einer Erhebung des abgeschiedenen Geistes zu höherer Würde und Macht aus, wo der Verstorbene ein Heros genannt wird.
Jenes Reich der Zwischennaturen, auf die Grenze der Menschheit und der Gottheit gestellt, die Welt der Heroen, entschwand auch in dieser Periode griechischem Glauben keines- wegs. Die Vorstellungsweise, die einzelne, aus dem sichtbaren Leben ausgeschiedene Seelen in ein bevorzugtes Geisterdasein erhoben denken konnte, erhielt sich in Kraft, selbst in fort- zeugender Kraft.
Seinem wahren und urprünglichen Sinne nach bezeichnet der Name eines "Heros" niemals einen einzeln für sich stehen- den Geist. "Archegetes", der Anführer, der Anfänger, ist seine eigentlich kennzeichnende Benennung. Der Heros steht an der Spitze einer mit ihm anhebenden Reihe von Sterblichen, die er führt, als ihr "Ahn." Ahnen einer Familie, eines Ge- schlechts, wirkliche oder nur gedachte, sind die ächten Heroen; Archegeten der Gemeinden, der Stämme, ja ganzer Völker, wenn auch nur postulirte, verehren in den "Heroen", nach denen
geborenen dieses Beiwort nicht gegeben zu werden pflegt, folgt indessen noch nichts für die Vorstellung der Athener von ihren Todten (etwa als eine weniger verklärende). Das Wort war einmal nicht herkömmlich in Attika für diese Verwendung. Dagegen specifisch attisch war z. B. das Wort makarites als Bezeichnung für die Verstorbenen (s. oben p. 283, 1), das ja ganz unzweideutig von der auch in Attika verbreiteten Vorstellung der Todten als "Seliger" Zeugniss giebt.
1) khreston theon. Herodot. 8, 111. -- o eros (Protesilaos), khrestos on, xugkhorei (dass man in seinem temenos sich hinsetze) Philostrat. Heroic. p. 134, 4 Ks. -- Andere begütigende Anrufungen der Todten sind: alupe, khreste kai alupe, ariste khaire (z. B. Inscr. of Cos 165. 263. 279).
lich wohl euphemistisch gemeinte Anrufung des Seelengeistes, der seine Macht auch benutzen könnte, um das Gegentheil der ihm hiemit zugetrauten Güte auszuüben, eben die Macht des also Angeredeten, als eines nun in eine höhere Natur Hinauf- gehobenen, scheu verehrend bezeichnend soll 1).
2.
Deutlicher und bewusster spricht sich die Vorstellung einer Erhebung des abgeschiedenen Geistes zu höherer Würde und Macht aus, wo der Verstorbene ein Heros genannt wird.
Jenes Reich der Zwischennaturen, auf die Grenze der Menschheit und der Gottheit gestellt, die Welt der Heroen, entschwand auch in dieser Periode griechischem Glauben keines- wegs. Die Vorstellungsweise, die einzelne, aus dem sichtbaren Leben ausgeschiedene Seelen in ein bevorzugtes Geisterdasein erhoben denken konnte, erhielt sich in Kraft, selbst in fort- zeugender Kraft.
Seinem wahren und urprünglichen Sinne nach bezeichnet der Name eines „Heros“ niemals einen einzeln für sich stehen- den Geist. „Archegetes“, der Anführer, der Anfänger, ist seine eigentlich kennzeichnende Benennung. Der Heros steht an der Spitze einer mit ihm anhebenden Reihe von Sterblichen, die er führt, als ihr „Ahn.“ Ahnen einer Familie, eines Ge- schlechts, wirkliche oder nur gedachte, sind die ächten Heroen; Archegeten der Gemeinden, der Stämme, ja ganzer Völker, wenn auch nur postulirte, verehren in den „Heroen“, nach denen
geborenen dieses Beiwort nicht gegeben zu werden pflegt, folgt indessen noch nichts für die Vorstellung der Athener von ihren Todten (etwa als eine weniger verklärende). Das Wort war einmal nicht herkömmlich in Attika für diese Verwendung. Dagegen specifisch attisch war z. B. das Wort μακαρίτης als Bezeichnung für die Verstorbenen (s. oben p. 283, 1), das ja ganz unzweideutig von der auch in Attika verbreiteten Vorstellung der Todten als „Seliger“ Zeugniss giebt.
1) χρηστῶν ϑεῶν. Herodot. 8, 111. — ὁ ἥρως (Protesilaos), χρηστὸς ὤν, ξυγχωρεῖ (dass man in seinem τέμενος sich hinsetze) Philostrat. Heroic. p. 134, 4 Ks. — Andere begütigende Anrufungen der Todten sind: ἄλυπε, χρηστὲ καὶ ἄλυπε, ἄριστε χαῖρε (z. B. Inscr. of Cos 165. 263. 279).
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[636/0652]
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ihm hiemit zugetrauten Güte auszuüben, eben die Macht des
also Angeredeten, als eines nun in eine höhere Natur Hinauf-
gehobenen, scheu verehrend bezeichnend soll 1).
2.
Deutlicher und bewusster spricht sich die Vorstellung einer
Erhebung des abgeschiedenen Geistes zu höherer Würde und
Macht aus, wo der Verstorbene ein Heros genannt wird.
Jenes Reich der Zwischennaturen, auf die Grenze der
Menschheit und der Gottheit gestellt, die Welt der Heroen,
entschwand auch in dieser Periode griechischem Glauben keines-
wegs. Die Vorstellungsweise, die einzelne, aus dem sichtbaren
Leben ausgeschiedene Seelen in ein bevorzugtes Geisterdasein
erhoben denken konnte, erhielt sich in Kraft, selbst in fort-
zeugender Kraft.
Seinem wahren und urprünglichen Sinne nach bezeichnet
der Name eines „Heros“ niemals einen einzeln für sich stehen-
den Geist. „Archegetes“, der Anführer, der Anfänger, ist
seine eigentlich kennzeichnende Benennung. Der Heros steht
an der Spitze einer mit ihm anhebenden Reihe von Sterblichen,
die er führt, als ihr „Ahn.“ Ahnen einer Familie, eines Ge-
schlechts, wirkliche oder nur gedachte, sind die ächten Heroen;
Archegeten der Gemeinden, der Stämme, ja ganzer Völker, wenn
auch nur postulirte, verehren in den „Heroen“, nach denen
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1) χρηστῶν ϑεῶν. Herodot. 8, 111. — ὁ ἥρως (Protesilaos), χρηστὸς
ὤν, ξυγχωρεῖ (dass man in seinem τέμενος sich hinsetze) Philostrat. Heroic.
p. 134, 4 Ks. — Andere begütigende Anrufungen der Todten sind: ἄλυπε,
χρηστὲ καὶ ἄλυπε, ἄριστε χαῖρε (z. B. Inscr. of Cos 165. 263. 279).
7) geborenen dieses Beiwort nicht gegeben zu werden pflegt, folgt indessen
noch nichts für die Vorstellung der Athener von ihren Todten (etwa als
eine weniger verklärende). Das Wort war einmal nicht herkömmlich in
Attika für diese Verwendung. Dagegen specifisch attisch war z. B. das
Wort μακαρίτης als Bezeichnung für die Verstorbenen (s. oben p. 283, 1),
das ja ganz unzweideutig von der auch in Attika verbreiteten Vorstellung
der Todten als „Seliger“ Zeugniss giebt.
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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/652>, abgerufen am 11.12.2023.
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