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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Vom Range.
so kan man sich eine kurtze Zeit über desto leichter be-
ruhigen, das gute Gewissen kan einem einen Trost
zusprechen, weil man nichts begangen, dadurch man
sich eine rechtmäßige Ungnade über den Hals ge-
zogen, man ist versichert, daß einem alle rechtschaffe-
ne Leute beklagen, und einem diejenige Ehre, die sie
dem andern äusserlich beylegen müssen, im Hertzen
zuschreiben. Man kan sich mit der tröstlichen Hoff-
nung schmeicheln, daß man in kurtzem wieder zur
vorigen Ehre gelangen, und diese kleine Verdun-
ckelung einem zu desto grössern Glantz gereichen
werde.

§. 34. Bey diesem Fall ist zwar wohl das beste,
wenn man sich gedultig und gelassen erweist, und
alle hitzige Affecten beyseite setzt, wie ich in dem vo-
rigen § angerathen, man muß sich aber auch hier-
bey nicht gantz unempfindlich anstellen. Der Hof
kan nicht vertragen, wenn man stürmt, tobt, lästert
und poltert, immassen man hiedurch nur übel ärger
machen würde. Eine kleinere Ungnade dürffte
nachgehends gar bald in eine grössere verwandelt
werden, und eine Herrschafft hat allezeit Mittel und
Wege, einem mißvergnügten Hof-Mann, ihre
schwere Hand empfinden zu lassen, oder seiner wohl
gantz und gar loß zu werden. Es taugt aber auch
nichts, wenn man sich allzu kaltsinnig hierbey er-
weist.

§. 35. Aus einer allzu grossen Kaltsinnigkeit ent-
stehen mancherley schädliche Würckungen. (1) Jst
zu befürchten, daß die Ungnade noch empfindlicher

wer-
J 3

Vom Range.
ſo kan man ſich eine kurtze Zeit uͤber deſto leichter be-
ruhigen, das gute Gewiſſen kan einem einen Troſt
zuſprechen, weil man nichts begangen, dadurch man
ſich eine rechtmaͤßige Ungnade uͤber den Hals ge-
zogen, man iſt verſichert, daß einem alle rechtſchaffe-
ne Leute beklagen, und einem diejenige Ehre, die ſie
dem andern aͤuſſerlich beylegen muͤſſen, im Hertzen
zuſchreiben. Man kan ſich mit der troͤſtlichen Hoff-
nung ſchmeicheln, daß man in kurtzem wieder zur
vorigen Ehre gelangen, und dieſe kleine Verdun-
ckelung einem zu deſto groͤſſern Glantz gereichen
werde.

§. 34. Bey dieſem Fall iſt zwar wohl das beſte,
wenn man ſich gedultig und gelaſſen erweiſt, und
alle hitzige Affecten beyſeite ſetzt, wie ich in dem vo-
rigen § angerathen, man muß ſich aber auch hier-
bey nicht gantz unempfindlich anſtellen. Der Hof
kan nicht vertragen, wenn man ſtuͤrmt, tobt, laͤſtert
und poltert, immaſſen man hiedurch nur uͤbel aͤrger
machen wuͤrde. Eine kleinere Ungnade duͤrffte
nachgehends gar bald in eine groͤſſere verwandelt
werden, und eine Herrſchafft hat allezeit Mittel und
Wege, einem mißvergnuͤgten Hof-Mann, ihre
ſchwere Hand empfinden zu laſſen, oder ſeiner wohl
gantz und gar loß zu werden. Es taugt aber auch
nichts, wenn man ſich allzu kaltſinnig hierbey er-
weiſt.

§. 35. Aus einer allzu groſſen Kaltſinnigkeit ent-
ſtehen mancherley ſchaͤdliche Wuͤrckungen. (1) Jſt
zu befuͤrchten, daß die Ungnade noch empfindlicher

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J 3
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[133/0153] Vom Range. ſo kan man ſich eine kurtze Zeit uͤber deſto leichter be- ruhigen, das gute Gewiſſen kan einem einen Troſt zuſprechen, weil man nichts begangen, dadurch man ſich eine rechtmaͤßige Ungnade uͤber den Hals ge- zogen, man iſt verſichert, daß einem alle rechtſchaffe- ne Leute beklagen, und einem diejenige Ehre, die ſie dem andern aͤuſſerlich beylegen muͤſſen, im Hertzen zuſchreiben. Man kan ſich mit der troͤſtlichen Hoff- nung ſchmeicheln, daß man in kurtzem wieder zur vorigen Ehre gelangen, und dieſe kleine Verdun- ckelung einem zu deſto groͤſſern Glantz gereichen werde. §. 34. Bey dieſem Fall iſt zwar wohl das beſte, wenn man ſich gedultig und gelaſſen erweiſt, und alle hitzige Affecten beyſeite ſetzt, wie ich in dem vo- rigen § angerathen, man muß ſich aber auch hier- bey nicht gantz unempfindlich anſtellen. Der Hof kan nicht vertragen, wenn man ſtuͤrmt, tobt, laͤſtert und poltert, immaſſen man hiedurch nur uͤbel aͤrger machen wuͤrde. Eine kleinere Ungnade duͤrffte nachgehends gar bald in eine groͤſſere verwandelt werden, und eine Herrſchafft hat allezeit Mittel und Wege, einem mißvergnuͤgten Hof-Mann, ihre ſchwere Hand empfinden zu laſſen, oder ſeiner wohl gantz und gar loß zu werden. Es taugt aber auch nichts, wenn man ſich allzu kaltſinnig hierbey er- weiſt. §. 35. Aus einer allzu groſſen Kaltſinnigkeit ent- ſtehen mancherley ſchaͤdliche Wuͤrckungen. (1) Jſt zu befuͤrchten, daß die Ungnade noch empfindlicher wer- J 3

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/153>, abgerufen am 30.04.2024.