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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von Complimens.
Höfen hingegen gelten die Neu-Jahrs-Compli-
mens
heutiges Tages wenig oder nichts. Man
müste an grossen Höfen viel zu thun haben, wenn
man alle Leute mit einer solennen Neu-Jahrs-Gra-
tulation
beehren wolte.

§. 20. Hat ein junger Cavalier die Gnade, ei-
ner Königlichen, Chur-Fürstlichen oder Fürstlichen
Person den Reverence zu machen, so muß er vor-
her anfragen, ob er wohl bey der ersten Entree die
Erlaubniß habe, ein mündlich Compliment zu ma-
chen. Man kan hiervon ebenfalls keine gewisse
Vorschrifft geben. Einige Fürstliche und noch
höhere Standes-Personen, die sehr gnädig und
leutselig, lassen sich dergleichen Anreden, wenn sie
kurtz und gut sind, gantz wohl gefallen; andere hin-
gegen die etwas hautoriren, würden glauben, als
ob dergleichen wider ihren Respect wäre, und ei-
nem jungen Menschen seine Oratorie, ob er sie
schon noch so zierlich vorbringen würde, verdencken.
Bey diesem letztern Fall muß ein junger Cavalier,
bloß mit sehr tieffen Reverences, einer Königlichen,
Chur-Fürstlichen oder Fürstlichen Person den
Rock küssen, und sich alsdenn einige Schritte weit
von ihr postiren, damit er ihr nicht gar zu nahe über
den Hals stehe, jedoch auch ihre Worte, was sie
ihn fragt, bequem vernehmen möge.

§. 21. Die Handlungen und Complimens sind
nach dem Unterscheid der Zeiten und Provintzien
gar sehr von einander unterschieden. Zu dieser Zeit
und an diesem Ort wird eine gewisse Handlung vor

hono-

Von Complimens.
Hoͤfen hingegen gelten die Neu-Jahrs-Compli-
mens
heutiges Tages wenig oder nichts. Man
muͤſte an groſſen Hoͤfen viel zu thun haben, wenn
man alle Leute mit einer ſolennen Neu-Jahrs-Gra-
tulation
beehren wolte.

§. 20. Hat ein junger Cavalier die Gnade, ei-
ner Koͤniglichen, Chur-Fuͤrſtlichen oder Fuͤrſtlichen
Perſon den Reverence zu machen, ſo muß er vor-
her anfragen, ob er wohl bey der erſten Entrée die
Erlaubniß habe, ein muͤndlich Compliment zu ma-
chen. Man kan hiervon ebenfalls keine gewiſſe
Vorſchrifft geben. Einige Fuͤrſtliche und noch
hoͤhere Standes-Perſonen, die ſehr gnaͤdig und
leutſelig, laſſen ſich dergleichen Anreden, wenn ſie
kurtz und gut ſind, gantz wohl gefallen; andere hin-
gegen die etwas hautoriren, wuͤrden glauben, als
ob dergleichen wider ihren Reſpect waͤre, und ei-
nem jungen Menſchen ſeine Oratorie, ob er ſie
ſchon noch ſo zierlich vorbringen wuͤrde, verdencken.
Bey dieſem letztern Fall muß ein junger Cavalier,
bloß mit ſehr tieffen Reverences, einer Koͤniglichen,
Chur-Fuͤrſtlichen oder Fuͤrſtlichen Perſon den
Rock kuͤſſen, und ſich alsdenn einige Schritte weit
von ihr poſtiren, damit er ihr nicht gar zu nahe uͤber
den Hals ſtehe, jedoch auch ihre Worte, was ſie
ihn fragt, bequem vernehmen moͤge.

§. 21. Die Handlungen und Complimens ſind
nach dem Unterſcheid der Zeiten und Provintzien
gar ſehr von einander unterſchieden. Zu dieſer Zeit
und an dieſem Ort wird eine gewiſſe Handlung vor

hono-
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[157/0177] Von Complimens. Hoͤfen hingegen gelten die Neu-Jahrs-Compli- mens heutiges Tages wenig oder nichts. Man muͤſte an groſſen Hoͤfen viel zu thun haben, wenn man alle Leute mit einer ſolennen Neu-Jahrs-Gra- tulation beehren wolte. §. 20. Hat ein junger Cavalier die Gnade, ei- ner Koͤniglichen, Chur-Fuͤrſtlichen oder Fuͤrſtlichen Perſon den Reverence zu machen, ſo muß er vor- her anfragen, ob er wohl bey der erſten Entrée die Erlaubniß habe, ein muͤndlich Compliment zu ma- chen. Man kan hiervon ebenfalls keine gewiſſe Vorſchrifft geben. Einige Fuͤrſtliche und noch hoͤhere Standes-Perſonen, die ſehr gnaͤdig und leutſelig, laſſen ſich dergleichen Anreden, wenn ſie kurtz und gut ſind, gantz wohl gefallen; andere hin- gegen die etwas hautoriren, wuͤrden glauben, als ob dergleichen wider ihren Reſpect waͤre, und ei- nem jungen Menſchen ſeine Oratorie, ob er ſie ſchon noch ſo zierlich vorbringen wuͤrde, verdencken. Bey dieſem letztern Fall muß ein junger Cavalier, bloß mit ſehr tieffen Reverences, einer Koͤniglichen, Chur-Fuͤrſtlichen oder Fuͤrſtlichen Perſon den Rock kuͤſſen, und ſich alsdenn einige Schritte weit von ihr poſtiren, damit er ihr nicht gar zu nahe uͤber den Hals ſtehe, jedoch auch ihre Worte, was ſie ihn fragt, bequem vernehmen moͤge. §. 21. Die Handlungen und Complimens ſind nach dem Unterſcheid der Zeiten und Provintzien gar ſehr von einander unterſchieden. Zu dieſer Zeit und an dieſem Ort wird eine gewiſſe Handlung vor hono-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/177>, abgerufen am 30.04.2024.