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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von Complimens.
riechen gar nach dem Schul-Staube. Es hat
auch keine rechte Art, wenn man bey Uberreichung
eines von einem fremden Minister abgelaßenen
Schreibens, einen Minister, der sich nach des an-
dern Zustand und Ergehen erkundiget, unterthä-
nigst dancket, wegen der gütigen Nachfrage. Die-
ses Formulgen ist gar gemeine, es ist am besten,
daß man auf diese Frage also fort von des frem-
den Ministri Zustand, Nachricht ertheilt, so viel uns
davon wissend, und die Formulgen wegläst. Es
schickt sich nicht wohl, daß man einen großen Mini-
ster
gleich bey dem Eingang des Compliments
danckt, vor die gnädige Erlaubniß, ihm aufzuwar-
ten, es schickt sich eher zum Abschieds-Compliment,
als zur ersten Entree. Jch könte noch viel anderer
Fehler, die ich auch in den besten und neuesten
Complimentir-Büchern wahrgenommen, Er-
wehnung thun, es mag aber an diesen, die ich
nur beyläufftig angemerckt, genug seyn.

§. 43. Ein junger Mensch muß Complimens
und Ehren-Worte von einer bündigen Versiche-
rung und gethanen Versprechen wohl unterschei-
den lernen, denn sonst würde er nicht allein gar öff-
ters in besondere Gemüths-Unruhe gesetzt werden,
wenn er in den künfftigen Zeiten die Würckung
dieses oder jenen Compliments nicht so erfahren
würde, wie er sich nach Veranlassung des Klan-
ges der Worte wohl eingebildet, sondern sich auch
bey andern sehr lächerlich machen, wenn er auf ein
bloß Compliment seinen gantzen Grund der Hof-

nung
M

Von Complimens.
riechen gar nach dem Schul-Staube. Es hat
auch keine rechte Art, wenn man bey Uberreichung
eines von einem fremden Miniſter abgelaßenen
Schreibens, einen Miniſter, der ſich nach des an-
dern Zuſtand und Ergehen erkundiget, unterthaͤ-
nigſt dancket, wegen der guͤtigen Nachfrage. Die-
ſes Formulgen iſt gar gemeine, es iſt am beſten,
daß man auf dieſe Frage alſo fort von des frem-
den Miniſtri Zuſtand, Nachricht ertheilt, ſo viel uns
davon wiſſend, und die Formulgen weglaͤſt. Es
ſchickt ſich nicht wohl, daß man einen großen Mini-
ſter
gleich bey dem Eingang des Compliments
danckt, vor die gnaͤdige Erlaubniß, ihm aufzuwar-
ten, es ſchickt ſich eher zum Abſchieds-Compliment,
als zur erſten Entree. Jch koͤnte noch viel anderer
Fehler, die ich auch in den beſten und neueſten
Complimentir-Buͤchern wahrgenommen, Er-
wehnung thun, es mag aber an dieſen, die ich
nur beylaͤufftig angemerckt, genug ſeyn.

§. 43. Ein junger Menſch muß Complimens
und Ehren-Worte von einer buͤndigen Verſiche-
rung und gethanen Verſprechen wohl unterſchei-
den lernen, denn ſonſt wuͤrde er nicht allein gar oͤff-
ters in beſondere Gemuͤths-Unruhe geſetzt werden,
wenn er in den kuͤnfftigen Zeiten die Wuͤrckung
dieſes oder jenen Compliments nicht ſo erfahren
wuͤrde, wie er ſich nach Veranlaſſung des Klan-
ges der Worte wohl eingebildet, ſondern ſich auch
bey andern ſehr laͤcherlich machen, wenn er auf ein
bloß Compliment ſeinen gantzen Grund der Hof-

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[177/0197] Von Complimens. riechen gar nach dem Schul-Staube. Es hat auch keine rechte Art, wenn man bey Uberreichung eines von einem fremden Miniſter abgelaßenen Schreibens, einen Miniſter, der ſich nach des an- dern Zuſtand und Ergehen erkundiget, unterthaͤ- nigſt dancket, wegen der guͤtigen Nachfrage. Die- ſes Formulgen iſt gar gemeine, es iſt am beſten, daß man auf dieſe Frage alſo fort von des frem- den Miniſtri Zuſtand, Nachricht ertheilt, ſo viel uns davon wiſſend, und die Formulgen weglaͤſt. Es ſchickt ſich nicht wohl, daß man einen großen Mini- ſter gleich bey dem Eingang des Compliments danckt, vor die gnaͤdige Erlaubniß, ihm aufzuwar- ten, es ſchickt ſich eher zum Abſchieds-Compliment, als zur erſten Entree. Jch koͤnte noch viel anderer Fehler, die ich auch in den beſten und neueſten Complimentir-Buͤchern wahrgenommen, Er- wehnung thun, es mag aber an dieſen, die ich nur beylaͤufftig angemerckt, genug ſeyn. §. 43. Ein junger Menſch muß Complimens und Ehren-Worte von einer buͤndigen Verſiche- rung und gethanen Verſprechen wohl unterſchei- den lernen, denn ſonſt wuͤrde er nicht allein gar oͤff- ters in beſondere Gemuͤths-Unruhe geſetzt werden, wenn er in den kuͤnfftigen Zeiten die Wuͤrckung dieſes oder jenen Compliments nicht ſo erfahren wuͤrde, wie er ſich nach Veranlaſſung des Klan- ges der Worte wohl eingebildet, ſondern ſich auch bey andern ſehr laͤcherlich machen, wenn er auf ein bloß Compliment ſeinen gantzen Grund der Hof- nung M

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/197>, abgerufen am 30.04.2024.