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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. II. Capitul.
auf Speisen und Geträncke und dessen Zurich-
tung, und auf verschiedene andre Handlungen, in so
weit ihr äußerliches Wesen in die Augen fält. Die
Thorheit der Menschen will auch so gar bey der
äußerlichen Gestalt Moden einführen. Manche
bilden sich ein, ein blasses Angesicht sey bey der jetzi-
gen Zeit unter dem vornehmen Frauenzimmer
Mode; Da hingegen die rothe Farbe den gemeinen
Bürger-Töchtern und Bauer-Mädgen anständi-
ger wäre. Daher bemühen sich auch einige durch
mancherley Medicamenta, die rothe Farbe der
Wangen bey ihnen zu meiden. Jn den vorigen
Zeiten sind die goldgelben Haare bey dem Frauen-
zimmer als eine Schönheit angesehen, und von
manchen verliebten Poeten mit den grösten Lob-
Sprüchen beehret worden, in den heutigen Zeiten
aber werden sie vor einen Ubelstand geachtet, und
die Weibesbilder, die von der Natur damit bega-
bet, bemühen sich, den strahlenden Glantz ihrer
Haare, so viel als nur möglich, zu verbergen. Es
wäre zu wünschen, daß die Mode-Sucht nur allein
bey diesen angefuhrten Stücken geblieben wäre;
allein so hat es leyder! Satan so weit gebracht, daß
sie gar biß auf das Christenthum und die heiligsten
Handlungen eingedrungen, und ein großer Theil,
ja ich sorge, die Größten unsrer heutigen so genann-
ten Christen, will den Glauben und die Gottseelig-
keit, nicht nach den Regeln des göttlichen Wortes,
sondern nach der Mode ausüben.

§. 5. Der allgemeine Brunnqvell der Moden

ist

I. Theil. II. Capitul.
auf Speiſen und Getraͤncke und deſſen Zurich-
tung, und auf verſchiedene andre Handlungen, in ſo
weit ihr aͤußerliches Weſen in die Augen faͤlt. Die
Thorheit der Menſchen will auch ſo gar bey der
aͤußerlichen Geſtalt Moden einfuͤhren. Manche
bilden ſich ein, ein blaſſes Angeſicht ſey bey der jetzi-
gen Zeit unter dem vornehmen Frauenzimmer
Mode; Da hingegen die rothe Farbe den gemeinen
Buͤrger-Toͤchtern und Bauer-Maͤdgen anſtaͤndi-
ger waͤre. Daher bemuͤhen ſich auch einige durch
mancherley Medicamenta, die rothe Farbe der
Wangen bey ihnen zu meiden. Jn den vorigen
Zeiten ſind die goldgelben Haare bey dem Frauen-
zimmer als eine Schoͤnheit angeſehen, und von
manchen verliebten Poeten mit den groͤſten Lob-
Spruͤchen beehret worden, in den heutigen Zeiten
aber werden ſie vor einen Ubelſtand geachtet, und
die Weibesbilder, die von der Natur damit bega-
bet, bemuͤhen ſich, den ſtrahlenden Glantz ihrer
Haare, ſo viel als nur moͤglich, zu verbergen. Es
waͤre zu wuͤnſchen, daß die Mode-Sucht nur allein
bey dieſen angefuhrten Stuͤcken geblieben waͤre;
allein ſo hat es leyder! Satan ſo weit gebracht, daß
ſie gar biß auf das Chriſtenthum und die heiligſten
Handlungen eingedrungen, und ein großer Theil,
ja ich ſorge, die Groͤßten unſrer heutigen ſo genann-
ten Chriſten, will den Glauben und die Gottſeelig-
keit, nicht nach den Regeln des goͤttlichen Wortes,
ſondern nach der Mode ausuͤben.

§. 5. Der allgemeine Brunnqvell der Moden

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[36/0056] I. Theil. II. Capitul. auf Speiſen und Getraͤncke und deſſen Zurich- tung, und auf verſchiedene andre Handlungen, in ſo weit ihr aͤußerliches Weſen in die Augen faͤlt. Die Thorheit der Menſchen will auch ſo gar bey der aͤußerlichen Geſtalt Moden einfuͤhren. Manche bilden ſich ein, ein blaſſes Angeſicht ſey bey der jetzi- gen Zeit unter dem vornehmen Frauenzimmer Mode; Da hingegen die rothe Farbe den gemeinen Buͤrger-Toͤchtern und Bauer-Maͤdgen anſtaͤndi- ger waͤre. Daher bemuͤhen ſich auch einige durch mancherley Medicamenta, die rothe Farbe der Wangen bey ihnen zu meiden. Jn den vorigen Zeiten ſind die goldgelben Haare bey dem Frauen- zimmer als eine Schoͤnheit angeſehen, und von manchen verliebten Poeten mit den groͤſten Lob- Spruͤchen beehret worden, in den heutigen Zeiten aber werden ſie vor einen Ubelſtand geachtet, und die Weibesbilder, die von der Natur damit bega- bet, bemuͤhen ſich, den ſtrahlenden Glantz ihrer Haare, ſo viel als nur moͤglich, zu verbergen. Es waͤre zu wuͤnſchen, daß die Mode-Sucht nur allein bey dieſen angefuhrten Stuͤcken geblieben waͤre; allein ſo hat es leyder! Satan ſo weit gebracht, daß ſie gar biß auf das Chriſtenthum und die heiligſten Handlungen eingedrungen, und ein großer Theil, ja ich ſorge, die Groͤßten unſrer heutigen ſo genann- ten Chriſten, will den Glauben und die Gottſeelig- keit, nicht nach den Regeln des goͤttlichen Wortes, ſondern nach der Mode ausuͤben. §. 5. Der allgemeine Brunnqvell der Moden iſt

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/56>, abgerufen am 06.05.2024.