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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. II. Capitul.
Nothwendigkeit mit sich bringt, vor einen Narren
achten lassen, und ziehet die Ehre und die Freund-
schafft bey GOtt seiner eigenen Ehre, und der
Freundschafft der Welt vor.

§. 22. Bey den unschuldigen und zuläßigen Mo-
d
en, das, ist, durch welche, wenn man sie überhaupt
ansiehet, der Zustand eines Menschen weder voll-
kommner noch unvollkommner wird, erweget er, ob
er in Ansehung seiner Umstände, darinnen er sich be-
findet, ein Stück seiner zeitlichen Glückseeligkeit be-
fördern kan, wenn er die Mode nachahmet oder
nicht. Bey jenem Fall macht er die Mode mit,
denn er wird durch einen tüchtigen Bewegungs-
Grund hiezu veranlaßt, bey diesem aber wartet er,
biß sie allgemeiner wird. Also ist ein Hof-Mann,
der sich an einen galanten Hofe aufhält, viel eher
verbunden, eine neu aufgekommene Mode in der
Kleidung nachzuahmen, weil er sich hiedurch bey
seiner Herrschafft in beßern Credit setzen kan, als ein
Cavalier auf dem Lande, der sein eigner Herr
ist.

§. 23. Jst eine unschuldige und zuläßige Mode
allgemein worden, das ist, von sehr vielen, die sich
mit ihnen in einerley oder doch ähnlichen Umstän-
den befinden, angenommen, so weiß er, daß er nicht
allein nach den Regeln der gesunden Vernunfft,
sondern auch nach den Regeln der Offenbahrung
verbunden sey, dieselbe Mode nachzuahmen. Als
ein vernünfftiger Mensch muß er sich bemühen, so
viel Ehre und Hochachtung bey den Menschen zu

erlan-

I. Theil. II. Capitul.
Nothwendigkeit mit ſich bringt, vor einen Narren
achten laſſen, und ziehet die Ehre und die Freund-
ſchafft bey GOtt ſeiner eigenen Ehre, und der
Freundſchafft der Welt vor.

§. 22. Bey den unſchuldigen und zulaͤßigen Mo-
d
en, das, iſt, durch welche, wenn man ſie uͤberhaupt
anſiehet, der Zuſtand eines Menſchen weder voll-
kommner noch unvollkommner wird, erweget er, ob
er in Anſehung ſeiner Umſtaͤnde, darinnen er ſich be-
findet, ein Stuͤck ſeiner zeitlichen Gluͤckſeeligkeit be-
foͤrdern kan, wenn er die Mode nachahmet oder
nicht. Bey jenem Fall macht er die Mode mit,
denn er wird durch einen tuͤchtigen Bewegungs-
Grund hiezu veranlaßt, bey dieſem aber wartet er,
biß ſie allgemeiner wird. Alſo iſt ein Hof-Mann,
der ſich an einen galanten Hofe aufhaͤlt, viel eher
verbunden, eine neu aufgekommene Mode in der
Kleidung nachzuahmen, weil er ſich hiedurch bey
ſeiner Herrſchafft in beßern Credit ſetzen kan, als ein
Cavalier auf dem Lande, der ſein eigner Herr
iſt.

§. 23. Jſt eine unſchuldige und zulaͤßige Mode
allgemein worden, das iſt, von ſehr vielen, die ſich
mit ihnen in einerley oder doch aͤhnlichen Umſtaͤn-
den befinden, angenommen, ſo weiß er, daß er nicht
allein nach den Regeln der geſunden Vernunfft,
ſondern auch nach den Regeln der Offenbahrung
verbunden ſey, dieſelbe Mode nachzuahmen. Als
ein vernuͤnfftiger Menſch muß er ſich bemuͤhen, ſo
viel Ehre und Hochachtung bey den Menſchen zu

erlan-
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[52/0072] I. Theil. II. Capitul. Nothwendigkeit mit ſich bringt, vor einen Narren achten laſſen, und ziehet die Ehre und die Freund- ſchafft bey GOtt ſeiner eigenen Ehre, und der Freundſchafft der Welt vor. §. 22. Bey den unſchuldigen und zulaͤßigen Mo- den, das, iſt, durch welche, wenn man ſie uͤberhaupt anſiehet, der Zuſtand eines Menſchen weder voll- kommner noch unvollkommner wird, erweget er, ob er in Anſehung ſeiner Umſtaͤnde, darinnen er ſich be- findet, ein Stuͤck ſeiner zeitlichen Gluͤckſeeligkeit be- foͤrdern kan, wenn er die Mode nachahmet oder nicht. Bey jenem Fall macht er die Mode mit, denn er wird durch einen tuͤchtigen Bewegungs- Grund hiezu veranlaßt, bey dieſem aber wartet er, biß ſie allgemeiner wird. Alſo iſt ein Hof-Mann, der ſich an einen galanten Hofe aufhaͤlt, viel eher verbunden, eine neu aufgekommene Mode in der Kleidung nachzuahmen, weil er ſich hiedurch bey ſeiner Herrſchafft in beßern Credit ſetzen kan, als ein Cavalier auf dem Lande, der ſein eigner Herr iſt. §. 23. Jſt eine unſchuldige und zulaͤßige Mode allgemein worden, das iſt, von ſehr vielen, die ſich mit ihnen in einerley oder doch aͤhnlichen Umſtaͤn- den befinden, angenommen, ſo weiß er, daß er nicht allein nach den Regeln der geſunden Vernunfft, ſondern auch nach den Regeln der Offenbahrung verbunden ſey, dieſelbe Mode nachzuahmen. Als ein vernuͤnfftiger Menſch muß er ſich bemuͤhen, ſo viel Ehre und Hochachtung bey den Menſchen zu erlan-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/72>, abgerufen am 26.04.2024.