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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729.

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Von dem Carneval und Masqueraden.
wenn man schon in den sichersten Frieden lebt, und
auf viel Meilen kein Soldat weder zu sehen noch
zu hören ist. Ob aber die Jtaliäner leben können,
wenn sie sich ein gantz Jahr nicht masquirt hätten,
und ob sie die Fasten-Zeit über in den Paßions-
Predigten mit rechter Andacht auf das Hertze klopf-
fen können, wenn sie nicht zuvor etzliche Wochen
tausenderley Thorheiten begangen, will ich nicht
entscheiden. Wenn es auch gleich einigen Päb-
sten ein Ernst wäre, daß sie diese und andere der-
gleichen Lustbarkeiten auf eine Zeitlang abgestellt
wissen wollten, so finden sich doch bißweilen eini-
ge barmhertzige Cardinaele, die durch ihre künfftige
Intercessionalien, die sie vor die Lustbarkeiten des
Carnevals einlegen, Se. Päbstliche Heiligkeit nicht
selten auf andere Gedancken bringen. Bißwei-
len bekommen sie aber auch eine abschlägige Ant-
wort. An. 1708 verboth Pabst Clemens XI.
alle Lustbarkeiten des Carnevals. Weil nun viel
Kaufleute, Künstler und Handwercks-Leute durch
dieses löbliche Verboth an ihrer Nahrung gekrän-
cket wurden, so erwegte dieses dem Cardinal Mare-
scotti
zu einem solchen Mitleyden, daß er den aller-
heiligsten Vater zu überreden suchte, nur einige die-
ser Lustbarkeiten zum Trost der Künstler und
Handwercks-Leute zu verstatten, er muste sich aber
mit einer abschlägigen Antwort seine übel ge-
gründete Liebe des Nächsten vergehen lassen.
S. den 24. Theil der Europäischen Famae-
pag.
79.

§. 3.
F f f

Von dem Carneval und Maſqueraden.
wenn man ſchon in den ſicherſten Frieden lebt, und
auf viel Meilen kein Soldat weder zu ſehen noch
zu hoͤren iſt. Ob aber die Jtaliaͤner leben koͤnnen,
wenn ſie ſich ein gantz Jahr nicht maſquirt haͤtten,
und ob ſie die Faſten-Zeit uͤber in den Paßions-
Predigten mit rechter Andacht auf das Hertze klopf-
fen koͤnnen, wenn ſie nicht zuvor etzliche Wochen
tauſenderley Thorheiten begangen, will ich nicht
entſcheiden. Wenn es auch gleich einigen Paͤb-
ſten ein Ernſt waͤre, daß ſie dieſe und andere der-
gleichen Luſtbarkeiten auf eine Zeitlang abgeſtellt
wiſſen wollten, ſo finden ſich doch bißweilen eini-
ge barmhertzige Cardinæle, die durch ihre kuͤnfftige
Interceſſionalien, die ſie vor die Luſtbarkeiten des
Carnevals einlegen, Se. Paͤbſtliche Heiligkeit nicht
ſelten auf andere Gedancken bringen. Bißwei-
len bekommen ſie aber auch eine abſchlaͤgige Ant-
wort. An. 1708 verboth Pabſt Clemens XI.
alle Luſtbarkeiten des Carnevals. Weil nun viel
Kaufleute, Kuͤnſtler und Handwercks-Leute durch
dieſes loͤbliche Verboth an ihrer Nahrung gekraͤn-
cket wurden, ſo erwegte dieſes dem Cardinal Mare-
ſcotti
zu einem ſolchen Mitleyden, daß er den aller-
heiligſten Vater zu uͤberreden ſuchte, nur einige die-
ſer Luſtbarkeiten zum Troſt der Kuͤnſtler und
Handwercks-Leute zu verſtatten, er muſte ſich aber
mit einer abſchlaͤgigen Antwort ſeine uͤbel ge-
gruͤndete Liebe des Naͤchſten vergehen laſſen.
S. den 24. Theil der Europaͤiſchen Famæ-
pag.
79.

§. 3.
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[817/0841] Von dem Carneval und Maſqueraden. wenn man ſchon in den ſicherſten Frieden lebt, und auf viel Meilen kein Soldat weder zu ſehen noch zu hoͤren iſt. Ob aber die Jtaliaͤner leben koͤnnen, wenn ſie ſich ein gantz Jahr nicht maſquirt haͤtten, und ob ſie die Faſten-Zeit uͤber in den Paßions- Predigten mit rechter Andacht auf das Hertze klopf- fen koͤnnen, wenn ſie nicht zuvor etzliche Wochen tauſenderley Thorheiten begangen, will ich nicht entſcheiden. Wenn es auch gleich einigen Paͤb- ſten ein Ernſt waͤre, daß ſie dieſe und andere der- gleichen Luſtbarkeiten auf eine Zeitlang abgeſtellt wiſſen wollten, ſo finden ſich doch bißweilen eini- ge barmhertzige Cardinæle, die durch ihre kuͤnfftige Interceſſionalien, die ſie vor die Luſtbarkeiten des Carnevals einlegen, Se. Paͤbſtliche Heiligkeit nicht ſelten auf andere Gedancken bringen. Bißwei- len bekommen ſie aber auch eine abſchlaͤgige Ant- wort. An. 1708 verboth Pabſt Clemens XI. alle Luſtbarkeiten des Carnevals. Weil nun viel Kaufleute, Kuͤnſtler und Handwercks-Leute durch dieſes loͤbliche Verboth an ihrer Nahrung gekraͤn- cket wurden, ſo erwegte dieſes dem Cardinal Mare- ſcotti zu einem ſolchen Mitleyden, daß er den aller- heiligſten Vater zu uͤberreden ſuchte, nur einige die- ſer Luſtbarkeiten zum Troſt der Kuͤnſtler und Handwercks-Leute zu verſtatten, er muſte ſich aber mit einer abſchlaͤgigen Antwort ſeine uͤbel ge- gruͤndete Liebe des Naͤchſten vergehen laſſen. S. den 24. Theil der Europaͤiſchen Famæ- pag. 79. §. 3. F f f

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 817. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/841>, abgerufen am 14.05.2024.