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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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legte Schlingen zu fallen, und dawider zu han-
deln. Appliciren wir nun dieses auf die Rö-
mischen Rechte, die von teutschen Unterthanen
in Acht genommen werden sollen, so erken-
net man, daß es billig höchst-ungereimt und sel-
tzam sey, daß diese fremden Jura in Teutsch-
land Gesetze abgeben. Es sollen alle Unter-
thanen darnach leben, und die wenigsten von de-
nenselben verstehen sie. Viele müssen auf Uni-
versitäten einige Jahre darüber zubringen, ehe
sie dieselbigen begreiffen lernen. Alle Processe
werden in teutscher Sprache geführet, die Ur-
theile und Abschiede darinnen abgefaßt, von den
Advocaten wird in der Mutter-Sprache ver-
setzt und verfahren, und viel Gesetze sind latei-
nisch, da doch in manchen Stücken die Unge-
lehrten der Erkänntniß der Gesetze eher nöthig
haben, als die Gelehrten. Es sind alle die
übrigen Nationes klüger als wir Teutschen, in-
dem sie ihren Unterthanen die Gesetze in ihrer
Mutter-Sprache vorgeschrieben, und bey den
wenigsten gilt das Römische Recht so viel, als
bey uns. Es ist zu verwundern, da wir sonst
denen Frantzosen alles nachmachen, daß wir
nicht, wie sie, zumahl in einer Sache, welche al-
len Unterthanen zu wissen so nöthig ist, unsre
eigne Sprache fleißiger gebrauchen.

§. 2. Ferner müssen die Gesetze, wenn sie

die
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legte Schlingen zu fallen, und dawider zu han-
deln. Appliciren wir nun dieſes auf die Roͤ-
miſchen Rechte, die von teutſchen Unterthanen
in Acht genommen werden ſollen, ſo erken-
net man, daß es billig hoͤchſt-ungereimt und ſel-
tzam ſey, daß dieſe fremden Jura in Teutſch-
land Geſetze abgeben. Es ſollen alle Unter-
thanen darnach leben, und die wenigſten von de-
nenſelben verſtehen ſie. Viele muͤſſen auf Uni-
verſitaͤten einige Jahre daruͤber zubringen, ehe
ſie dieſelbigen begreiffen lernen. Alle Proceſſe
werden in teutſcher Sprache gefuͤhret, die Ur-
theile und Abſchiede darinnen abgefaßt, von den
Advocaten wird in der Mutter-Sprache ver-
ſetzt und verfahren, und viel Geſetze ſind latei-
niſch, da doch in manchen Stuͤcken die Unge-
lehrten der Erkaͤnntniß der Geſetze eher noͤthig
haben, als die Gelehrten. Es ſind alle die
uͤbrigen Nationes kluͤger als wir Teutſchen, in-
dem ſie ihren Unterthanen die Geſetze in ihrer
Mutter-Sprache vorgeſchrieben, und bey den
wenigſten gilt das Roͤmiſche Recht ſo viel, als
bey uns. Es iſt zu verwundern, da wir ſonſt
denen Frantzoſen alles nachmachen, daß wir
nicht, wie ſie, zumahl in einer Sache, welche al-
len Unterthanen zu wiſſen ſo noͤthig iſt, unſre
eigne Sprache fleißiger gebrauchen.

§. 2. Ferner muͤſſen die Geſetze, wenn ſie

die
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[567/0587] legte Schlingen zu fallen, und dawider zu han- deln. Appliciren wir nun dieſes auf die Roͤ- miſchen Rechte, die von teutſchen Unterthanen in Acht genommen werden ſollen, ſo erken- net man, daß es billig hoͤchſt-ungereimt und ſel- tzam ſey, daß dieſe fremden Jura in Teutſch- land Geſetze abgeben. Es ſollen alle Unter- thanen darnach leben, und die wenigſten von de- nenſelben verſtehen ſie. Viele muͤſſen auf Uni- verſitaͤten einige Jahre daruͤber zubringen, ehe ſie dieſelbigen begreiffen lernen. Alle Proceſſe werden in teutſcher Sprache gefuͤhret, die Ur- theile und Abſchiede darinnen abgefaßt, von den Advocaten wird in der Mutter-Sprache ver- ſetzt und verfahren, und viel Geſetze ſind latei- niſch, da doch in manchen Stuͤcken die Unge- lehrten der Erkaͤnntniß der Geſetze eher noͤthig haben, als die Gelehrten. Es ſind alle die uͤbrigen Nationes kluͤger als wir Teutſchen, in- dem ſie ihren Unterthanen die Geſetze in ihrer Mutter-Sprache vorgeſchrieben, und bey den wenigſten gilt das Roͤmiſche Recht ſo viel, als bey uns. Es iſt zu verwundern, da wir ſonſt denen Frantzoſen alles nachmachen, daß wir nicht, wie ſie, zumahl in einer Sache, welche al- len Unterthanen zu wiſſen ſo noͤthig iſt, unſre eigne Sprache fleißiger gebrauchen. §. 2. Ferner muͤſſen die Geſetze, wenn ſie die N n 4

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/587>, abgerufen am 27.04.2024.