Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rollenhagen, Gabriel: Vier Bücher Wunderbarlicher biß daher vnerhörter/ vnd vngleublicher Jndianischer reysen. Magdeburg, 1603.

Bild:
<< vorherige Seite

ein frembd Nest. Das vieleicht in der Natur/ darumb also ge-
ordnet ist. Damit er die kurtze zeit von Tiburtij biß auff
Johannis des Teuffers Tag sich frölich machen könte/ die
Menschen des kurtzen Sommers/ ihrer jugend vnd lebens er-
innern/ vnd von Eulen/ vnd andern Raub Vogeln/ nicht an
der stim verrahten/ vnd auff dem Nest ergriffen würde.

Wenn im Meien ein Frost einfellet/ so rufft er heiseh-
rer. Vnd denn sprechen die Bawern/ die stim sey ihm erfro-
ren. Wenn er nach S. Johannis rüfft/ achten sie es für ein
zeichen der Theuren zeit. Denn es ist eine anzeigung/ das
der anfang des Meyen kalt gewesen/ vnd der Kuckuck speth
sein gesang angefangen hat. Vnd die Raupen hernach desto
lenger bleiben. Welches Beumen vnd andern Feldfrüchten
schaden bringt.

Das er aber speien solte/ ist wieder aller Vogel Natur.
Es ist aber ein sonderlich geruffe/ damit er sein Weib oder
Mann rufft. Das nennen etliche speien/ etliche Lachen.
Vnd ist er demnach nicht ein Vater/ sondern Mörder der
Raupen. Dessen man ihn billig solt geniessen lassen.

Die Gelerten bringen auch vielmals mit in ihren gleich-
nissen. Weil Tereus der Tyran/ seiner Frawen Progne
Schwester Philomela genant/ geschendet/ vnd ihr/ das sie
es nicht nachsagen könte/ die Zung abgeschnitten habe. Vnd
endlich wie die Poeten dichten/ die Philomela sey zur Nachti-
gal worden. So habe die Nachtigal eine beschnittene Zung.
Also/ das der gehörnter spitz der Vogel Zungen/ an ihrer
Zunge nicht sey. Als auch Plinius schreibt lib. 10. cap. 29. Lin-
guis illarum tenuitas illa prima, quae caeteris auibus non
est.
Das wird auff hohen Schulen/ mit grossem ernst ge-
schrieben. Als wenn die Nachtigal ein frembder Phaenix

were

ein frembd Neſt. Das vieleicht in der Natur/ darumb alſo ge-
ordnet iſt. Damit er die kurtze zeit von Tiburtij biß auff
Johannis des Teuffers Tag ſich froͤlich machen koͤnte/ die
Menſchen des kurtzen Sommers/ ihrer jugend vnd lebens er-
innern/ vnd von Eulen/ vnd andern Raub Vogeln/ nicht an
der ſtim verrahten/ vnd auff dem Neſt ergriffen wuͤrde.

Wenn im Meien ein Froſt einfellet/ ſo rufft er heiſeh-
rer. Vnd denn ſprechen die Bawern/ die ſtim ſey ihm erfro-
ren. Wenn er nach S. Johannis ruͤfft/ achten ſie es fuͤr ein
zeichen der Theuren zeit. Denn es iſt eine anzeigung/ das
der anfang des Meyen kalt geweſen/ vnd der Kuckuck ſpeth
ſein geſang angefangen hat. Vnd die Raupen hernach deſto
lenger bleiben. Welches Beumen vnd andern Feldfruͤchten
ſchaden bringt.

Das er aber ſpeien ſolte/ iſt wieder aller Vogel Natur.
Es iſt aber ein ſonderlich geruffe/ damit er ſein Weib oder
Mann rufft. Das nennen etliche ſpeien/ etliche Lachen.
Vnd iſt er demnach nicht ein Vater/ ſondern Moͤrder der
Raupen. Deſſen man ihn billig ſolt genieſſen laſſen.

Die Gelerten bringen auch vielmals mit in ihren gleich-
niſſen. Weil Tereus der Tyran/ ſeiner Frawen Progne
Schweſter Philomela genant/ geſchendet/ vnd ihr/ das ſie
es nicht nachſagen koͤnte/ die Zung abgeſchnitten habe. Vnd
endlich wie die Poeten dichten/ die Philomela ſey zur Nachti-
gal worden. So habe die Nachtigal eine beſchnittene Zung.
Alſo/ das der gehoͤrnter ſpitz der Vogel Zungen/ an ihrer
Zunge nicht ſey. Als auch Plinius ſchreibt lib. 10. cap. 29. Lin-
guis illarum tenuitas illa prima, quæ cæteris auibus non
eſt.
Das wird auff hohen Schulen/ mit groſſem ernſt ge-
ſchrieben. Als wenn die Nachtigal ein frembder Phænix

were
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0260" n="250"/>
ein frembd Ne&#x017F;t. Das vieleicht in der Natur/ darumb al&#x017F;o ge-<lb/>
ordnet i&#x017F;t. Damit er die kurtze zeit von <hi rendition="#aq">Tiburtij</hi> biß auff<lb/>
Johannis des Teuffers Tag &#x017F;ich fro&#x0364;lich machen ko&#x0364;nte/ die<lb/>
Men&#x017F;chen des kurtzen Sommers/ ihrer jugend vnd lebens er-<lb/>
innern/ vnd von Eulen/ vnd andern Raub Vogeln/ nicht an<lb/>
der &#x017F;tim verrahten/ vnd auff dem Ne&#x017F;t ergriffen wu&#x0364;rde.</p><lb/>
          <p>Wenn im Meien ein Fro&#x017F;t einfellet/ &#x017F;o rufft er hei&#x017F;eh-<lb/>
rer. Vnd denn &#x017F;prechen die Bawern/ die &#x017F;tim &#x017F;ey ihm erfro-<lb/>
ren. Wenn er nach S. Johannis ru&#x0364;fft/ achten &#x017F;ie es fu&#x0364;r ein<lb/>
zeichen der Theuren zeit. Denn es i&#x017F;t eine anzeigung/ das<lb/>
der anfang des Meyen kalt gewe&#x017F;en/ vnd der Kuckuck &#x017F;peth<lb/>
&#x017F;ein ge&#x017F;ang angefangen hat. Vnd die Raupen hernach de&#x017F;to<lb/>
lenger bleiben. Welches Beumen vnd andern Feldfru&#x0364;chten<lb/>
&#x017F;chaden bringt.</p><lb/>
          <p>Das er aber &#x017F;peien &#x017F;olte/ i&#x017F;t wieder aller Vogel Natur.<lb/>
Es i&#x017F;t aber ein &#x017F;onderlich geruffe/ damit er &#x017F;ein Weib oder<lb/>
Mann rufft. Das nennen etliche &#x017F;peien/ etliche Lachen.<lb/>
Vnd i&#x017F;t er demnach nicht ein Vater/ &#x017F;ondern Mo&#x0364;rder der<lb/>
Raupen. De&#x017F;&#x017F;en man ihn billig &#x017F;olt genie&#x017F;&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Die Gelerten bringen auch vielmals mit in ihren gleich-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;en. Weil <hi rendition="#aq">Tereus</hi> der Tyran/ &#x017F;einer Frawen <hi rendition="#aq">Progne</hi><lb/>
Schwe&#x017F;ter <hi rendition="#aq">Philomela</hi> genant/ ge&#x017F;chendet/ vnd ihr/ das &#x017F;ie<lb/>
es nicht nach&#x017F;agen ko&#x0364;nte/ die Zung abge&#x017F;chnitten habe. Vnd<lb/>
endlich wie die Poeten dichten/ die <hi rendition="#aq">Philomela</hi> &#x017F;ey zur Nachti-<lb/>
gal worden. So habe die Nachtigal eine be&#x017F;chnittene Zung.<lb/>
Al&#x017F;o/ das der geho&#x0364;rnter &#x017F;pitz der Vogel Zungen/ an ihrer<lb/>
Zunge nicht &#x017F;ey. Als auch <hi rendition="#aq">Plinius</hi> &#x017F;chreibt <hi rendition="#aq">lib. 10. cap. 29. Lin-<lb/>
guis illarum tenuitas illa prima, quæ cæteris auibus non<lb/>
e&#x017F;t.</hi> Das wird auff hohen Schulen/ mit gro&#x017F;&#x017F;em ern&#x017F;t ge-<lb/>
&#x017F;chrieben. Als wenn die Nachtigal ein frembder <hi rendition="#aq">Phænix</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">were</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0260] ein frembd Neſt. Das vieleicht in der Natur/ darumb alſo ge- ordnet iſt. Damit er die kurtze zeit von Tiburtij biß auff Johannis des Teuffers Tag ſich froͤlich machen koͤnte/ die Menſchen des kurtzen Sommers/ ihrer jugend vnd lebens er- innern/ vnd von Eulen/ vnd andern Raub Vogeln/ nicht an der ſtim verrahten/ vnd auff dem Neſt ergriffen wuͤrde. Wenn im Meien ein Froſt einfellet/ ſo rufft er heiſeh- rer. Vnd denn ſprechen die Bawern/ die ſtim ſey ihm erfro- ren. Wenn er nach S. Johannis ruͤfft/ achten ſie es fuͤr ein zeichen der Theuren zeit. Denn es iſt eine anzeigung/ das der anfang des Meyen kalt geweſen/ vnd der Kuckuck ſpeth ſein geſang angefangen hat. Vnd die Raupen hernach deſto lenger bleiben. Welches Beumen vnd andern Feldfruͤchten ſchaden bringt. Das er aber ſpeien ſolte/ iſt wieder aller Vogel Natur. Es iſt aber ein ſonderlich geruffe/ damit er ſein Weib oder Mann rufft. Das nennen etliche ſpeien/ etliche Lachen. Vnd iſt er demnach nicht ein Vater/ ſondern Moͤrder der Raupen. Deſſen man ihn billig ſolt genieſſen laſſen. Die Gelerten bringen auch vielmals mit in ihren gleich- niſſen. Weil Tereus der Tyran/ ſeiner Frawen Progne Schweſter Philomela genant/ geſchendet/ vnd ihr/ das ſie es nicht nachſagen koͤnte/ die Zung abgeſchnitten habe. Vnd endlich wie die Poeten dichten/ die Philomela ſey zur Nachti- gal worden. So habe die Nachtigal eine beſchnittene Zung. Alſo/ das der gehoͤrnter ſpitz der Vogel Zungen/ an ihrer Zunge nicht ſey. Als auch Plinius ſchreibt lib. 10. cap. 29. Lin- guis illarum tenuitas illa prima, quæ cæteris auibus non eſt. Das wird auff hohen Schulen/ mit groſſem ernſt ge- ſchrieben. Als wenn die Nachtigal ein frembder Phænix were

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rollenhagen_reysen_1603
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rollenhagen_reysen_1603/260
Zitationshilfe: Rollenhagen, Gabriel: Vier Bücher Wunderbarlicher biß daher vnerhörter/ vnd vngleublicher Jndianischer reysen. Magdeburg, 1603, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rollenhagen_reysen_1603/260>, abgerufen am 29.04.2024.