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Gustav Rose: Reise nach dem Ural, dem Altai und dem Kaspischen Meere. Band 1. Berlin, 1837.

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Weniger gut erhaltene Ueberreste von Gebäuden N002
als die beschriebenen findet man, zum Theil mit Schutt N003
und Rasen bedeckt, ausser ihnen noch in grosser Menge, N004
sowohl innerhalb als ausserhalb des Walles. Leider N005
werden dieselben immer unbedeutender, da die Bauern N006
sich der Bruchsteine aus den alten Mauern zu ihren N007
Bauten bedienen, und auch die steinerne Kirche des N008
Dorfes ganz von den Bausteinen der alten Stadt und N009
den in der Gegend gefundenen Grabsteinen aufgeführt N010
ist. Es wäre ein grosser Verlust, wenn diese alten N011
Denkmäler einer dunklen Zeit ganz vernichtet würden. N012
Schon Erdmann sah vieles von dem nicht mehr, was N013
Pallas und Lepechin 48 Jahr vor ihm beschrieben, N014
und spätere Reisende werden vielleicht noch weniger N015
finden, wenn von der Russischen Regierung der Zer- N016
störung dieser Trümmer kein Einhalt gethan wird. N017
Aber die Verführung ist gross, ein tauglicher Baustein N018
ist nicht in der Nähe und kann aus den Trümmern N019
mit Leichtigkeit genommen werden. -- Unter dem N020
Schutte der Ruinen findet man noch häufig silberne und N021
kupferne Münzen, kupferne Ringe, Ohrgehänge und N022
andere Gegenstände, die uns von den Bauerkindern N023
auch häufig zum Kauf angeboten wurden. In einem N024
der Gebäude des alten Bulghars sollen mehrere tata- N025
rische Heilige begraben liegen, daher von den Gläu- N026
bigen auch noch zu diesen Ruinen gewallfahrtet wird. N027
So sahen wir einen tatarischen Mollah während wir N028
die Ruinen besahen, in und vor mehreren derselben N029
seine Andachtsübungen verrichten, die im Herbeten von N030
Formeln mit häufigen Neigungen des Körpers bestan- N031
den, ohne dass er sich im geringsten durch uns stören N032
liess. Da die Ruinen ziemlich entfernt von einander N033
liegen, fuhren wir in kleinen Wagen von der einen N034
zur andern. Das benutzte der Mollah; er setzte sich N035
mit unserer Erlaubniss auf einen unserer Wagen, und N036
fuhr auf diese Weise zu allen Ruinen hin, indem er N037
sich immer so einrichtete, dass er früher seine Andacht-

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Weniger gut erhaltene Ueberreste von Gebäuden N002
als die beschriebenen findet man, zum Theil mit Schutt N003
und Rasen bedeckt, ausser ihnen noch in grosser Menge, N004
sowohl innerhalb als ausserhalb des Walles. Leider N005
werden dieselben immer unbedeutender, da die Bauern N006
sich der Bruchsteine aus den alten Mauern zu ihren N007
Bauten bedienen, und auch die steinerne Kirche des N008
Dorfes ganz von den Bausteinen der alten Stadt und N009
den in der Gegend gefundenen Grabsteinen aufgeführt N010
ist. Es wäre ein grosser Verlust, wenn diese alten N011
Denkmäler einer dunklen Zeit ganz vernichtet würden. N012
Schon Erdmann sah vieles von dem nicht mehr, was N013
Pallas und Lepechin 48 Jahr vor ihm beschrieben, N014
und spätere Reisende werden vielleicht noch weniger N015
finden, wenn von der Russischen Regierung der Zer- N016
störung dieser Trümmer kein Einhalt gethan wird. N017
Aber die Verführung ist gross, ein tauglicher Baustein N018
ist nicht in der Nähe und kann aus den Trümmern N019
mit Leichtigkeit genommen werden. — Unter dem N020
Schutte der Ruinen findet man noch häufig silberne und N021
kupferne Münzen, kupferne Ringe, Ohrgehänge und N022
andere Gegenstände, die uns von den Bauerkindern N023
auch häufig zum Kauf angeboten wurden. In einem N024
der Gebäude des alten Bulghars sollen mehrere tata- N025
rische Heilige begraben liegen, daher von den Gläu- N026
bigen auch noch zu diesen Ruinen gewallfahrtet wird. N027
So sahen wir einen tatarischen Mollah während wir N028
die Ruinen besahen, in und vor mehreren derselben N029
seine Andachtsübungen verrichten, die im Herbeten von N030
Formeln mit häufigen Neigungen des Körpers bestan- N031
den, ohne dass er sich im geringsten durch uns stören N032
liess. Da die Ruinen ziemlich entfernt von einander N033
liegen, fuhren wir in kleinen Wagen von der einen N034
zur andern. Das benutzte der Mollah; er setzte sich N035
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[100/0134] N001 Weniger gut erhaltene Ueberreste von Gebäuden N002 als die beschriebenen findet man, zum Theil mit Schutt N003 und Rasen bedeckt, ausser ihnen noch in grosser Menge, N004 sowohl innerhalb als ausserhalb des Walles. Leider N005 werden dieselben immer unbedeutender, da die Bauern N006 sich der Bruchsteine aus den alten Mauern zu ihren N007 Bauten bedienen, und auch die steinerne Kirche des N008 Dorfes ganz von den Bausteinen der alten Stadt und N009 den in der Gegend gefundenen Grabsteinen aufgeführt N010 ist. Es wäre ein grosser Verlust, wenn diese alten N011 Denkmäler einer dunklen Zeit ganz vernichtet würden. N012 Schon Erdmann sah vieles von dem nicht mehr, was N013 Pallas und Lepechin 48 Jahr vor ihm beschrieben, N014 und spätere Reisende werden vielleicht noch weniger N015 finden, wenn von der Russischen Regierung der Zer- N016 störung dieser Trümmer kein Einhalt gethan wird. N017 Aber die Verführung ist gross, ein tauglicher Baustein N018 ist nicht in der Nähe und kann aus den Trümmern N019 mit Leichtigkeit genommen werden. — Unter dem N020 Schutte der Ruinen findet man noch häufig silberne und N021 kupferne Münzen, kupferne Ringe, Ohrgehänge und N022 andere Gegenstände, die uns von den Bauerkindern N023 auch häufig zum Kauf angeboten wurden. In einem N024 der Gebäude des alten Bulghars sollen mehrere tata- N025 rische Heilige begraben liegen, daher von den Gläu- N026 bigen auch noch zu diesen Ruinen gewallfahrtet wird. N027 So sahen wir einen tatarischen Mollah während wir N028 die Ruinen besahen, in und vor mehreren derselben N029 seine Andachtsübungen verrichten, die im Herbeten von N030 Formeln mit häufigen Neigungen des Körpers bestan- N031 den, ohne dass er sich im geringsten durch uns stören N032 liess. Da die Ruinen ziemlich entfernt von einander N033 liegen, fuhren wir in kleinen Wagen von der einen N034 zur andern. Das benutzte der Mollah; er setzte sich N035 mit unserer Erlaubniss auf einen unserer Wagen, und N036 fuhr auf diese Weise zu allen Ruinen hin, indem er N037 sich immer so einrichtete, dass er früher seine Andacht-

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Zitationshilfe: Gustav Rose: Reise nach dem Ural, dem Altai und dem Kaspischen Meere. Band 1. Berlin, 1837, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rose_ural01_1837/134>, abgerufen am 27.05.2024.