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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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"Lieber Gott!

Ich grüße dich und schreibe dir eine Neuig-
keit. Heute ist mein Vater gestorben. Er ist schon
zwei Jahre krank gewesen. Die Leut' sagen, es ist
ein rechtes Glück, daß er gestorben. Die Muhme-
Lies sagt es auch. Jetzt haben sie den Vater schon
fortgetragen. Der Leib kommt in die Todtenkammer,
die Seel' geht durch das Fegfeuer in den Himmel
hinauf. Lieber Gott, und da hätt ich jetzt recht
eine schöne Bitt'. Schick meinem Vater einen Engel
entgegen, der ihn weist. Für den Engel leg ich
mein Pathengeld bei; es sind drei Groschen. Mein
Vater wird recht eine Freud' haben im Himmel,
und führ ihn gleich zu meiner Mutter. -- Ich
grüße dich tausendmal, lieber Gott, den Vater
und meine Mutter.

Andreas Erdmann.

Salzburg,
im 1797-ger Jahr, am Apostel Simonitag."


Rosegger: Waldschulmeister. 3

Lieber Gott!

Ich grüße dich und ſchreibe dir eine Neuig-
keit. Heute iſt mein Vater geſtorben. Er iſt ſchon
zwei Jahre krank geweſen. Die Leut’ ſagen, es iſt
ein rechtes Glück, daß er geſtorben. Die Muhme-
Lies ſagt es auch. Jetzt haben ſie den Vater ſchon
fortgetragen. Der Leib kommt in die Todtenkammer,
die Seel’ geht durch das Fegfeuer in den Himmel
hinauf. Lieber Gott, und da hätt ich jetzt recht
eine ſchöne Bitt’. Schick meinem Vater einen Engel
entgegen, der ihn weiſt. Für den Engel leg ich
mein Pathengeld bei; es ſind drei Groſchen. Mein
Vater wird recht eine Freud’ haben im Himmel,
und führ ihn gleich zu meiner Mutter. — Ich
grüße dich tauſendmal, lieber Gott, den Vater
und meine Mutter.

Andreas Erdmann.

Salzburg,
im 1797-ger Jahr, am Apoſtel Simonitag.“


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[33/0043] „Lieber Gott! Ich grüße dich und ſchreibe dir eine Neuig- keit. Heute iſt mein Vater geſtorben. Er iſt ſchon zwei Jahre krank geweſen. Die Leut’ ſagen, es iſt ein rechtes Glück, daß er geſtorben. Die Muhme- Lies ſagt es auch. Jetzt haben ſie den Vater ſchon fortgetragen. Der Leib kommt in die Todtenkammer, die Seel’ geht durch das Fegfeuer in den Himmel hinauf. Lieber Gott, und da hätt ich jetzt recht eine ſchöne Bitt’. Schick meinem Vater einen Engel entgegen, der ihn weiſt. Für den Engel leg ich mein Pathengeld bei; es ſind drei Groſchen. Mein Vater wird recht eine Freud’ haben im Himmel, und führ ihn gleich zu meiner Mutter. — Ich grüße dich tauſendmal, lieber Gott, den Vater und meine Mutter. Andreas Erdmann. Salzburg, im 1797-ger Jahr, am Apoſtel Simonitag.“ Roſegger: Waldſchulmeiſter. 3

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/43>, abgerufen am 27.04.2024.