Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

es ideell, sei es reell, so realisirt, daß ihre Unendlichkeit uns
Gegenstand wird: die Größe; sodann diejenige, welche die
Unendlichkeit der Freiheit in der Macht des Schaffens oder
Zerstörens darstellt; endlich die in der Größe ihrer Schöpfung
oder Zerstörung mit ruhiger Selbstgewißheit in sich verhar¬
rende Macht: die Majestät. In der Größe erhebt sich die
Freiheit über ihre Schranken; in der Macht enfaltet sie po¬
sitiv oder negativ die Stärke ihres Wesens; in der Majestät
erscheint sie eben so groß als mächtig. Hieraus folgt, daß
das Gemeine als die Negation des Erhabenen 1. diejenige
Form des Häßlichen ist, die eine Existenz unter die Schranken
herabsetzt, welche ihr zukommen: die Kleinlichkeit; 2. die¬
jenige Form, welche eine Existenz hinter demjenigen Maaß
von Kraft zurückbleiben läßt, das ihr nach ihrem Wesen
einwohnen sollte: die Schwächlichkeit; 3. diejenige, welche
Beschränktheit und Ohnmacht mit der Unterordnung der
Freiheit unter die Unfreiheit vereinigt: die Niedrigkeit.
Es stehen sich also von Seiten des Erhabenen und Gemeinen
als Wechselbegriffe einander gegenüber das Große und
das Kleinliche; das Mächtige und das Schwächliche; das
Majestätische und das Niedrige; Gegensätze, die in concreto
nach ihren feineren Schattirungen noch mit vielen andern
Namen bezeichnet werden.


I. Das Kleinliche.

Größe (magnitudo) überhaupt ist noch nicht erhaben;
zwanzig Millionen Thaler sind ein großes Vermögen, das
zu besitzen wahrscheinlich recht angenehm ist, allein etwas
Erhabenes liegt gewiß nicht darin. So ist denn auch Klein¬

es ideell, ſei es reell, ſo realiſirt, daß ihre Unendlichkeit uns
Gegenſtand wird: die Größe; ſodann diejenige, welche die
Unendlichkeit der Freiheit in der Macht des Schaffens oder
Zerſtörens darſtellt; endlich die in der Größe ihrer Schöpfung
oder Zerſtörung mit ruhiger Selbſtgewißheit in ſich verhar¬
rende Macht: die Majeſtät. In der Größe erhebt ſich die
Freiheit über ihre Schranken; in der Macht enfaltet ſie po¬
ſitiv oder negativ die Stärke ihres Weſens; in der Majeſtät
erſcheint ſie eben ſo groß als mächtig. Hieraus folgt, daß
das Gemeine als die Negation des Erhabenen 1. diejenige
Form des Häßlichen iſt, die eine Exiſtenz unter die Schranken
herabſetzt, welche ihr zukommen: die Kleinlichkeit; 2. die¬
jenige Form, welche eine Exiſtenz hinter demjenigen Maaß
von Kraft zurückbleiben läßt, das ihr nach ihrem Weſen
einwohnen ſollte: die Schwächlichkeit; 3. diejenige, welche
Beſchränktheit und Ohnmacht mit der Unterordnung der
Freiheit unter die Unfreiheit vereinigt: die Niedrigkeit.
Es ſtehen ſich alſo von Seiten des Erhabenen und Gemeinen
als Wechſelbegriffe einander gegenüber das Große und
das Kleinliche; das Mächtige und das Schwächliche; das
Majeſtätiſche und das Niedrige; Gegenſätze, die in concreto
nach ihren feineren Schattirungen noch mit vielen andern
Namen bezeichnet werden.


I. Das Kleinliche.

Größe (magnitudo) überhaupt iſt noch nicht erhaben;
zwanzig Millionen Thaler ſind ein großes Vermögen, das
zu beſitzen wahrſcheinlich recht angenehm iſt, allein etwas
Erhabenes liegt gewiß nicht darin. So iſt denn auch Klein¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0202" n="180"/>
es ideell, &#x017F;ei es reell, &#x017F;o reali&#x017F;irt, daß ihre Unendlichkeit uns<lb/>
Gegen&#x017F;tand wird: die <hi rendition="#g">Größe</hi>; &#x017F;odann diejenige, welche die<lb/>
Unendlichkeit der Freiheit in der <hi rendition="#g">Macht</hi> des Schaffens oder<lb/>
Zer&#x017F;törens dar&#x017F;tellt; endlich die in der Größe ihrer Schöpfung<lb/>
oder Zer&#x017F;törung mit ruhiger Selb&#x017F;tgewißheit in &#x017F;ich verhar¬<lb/>
rende Macht: die <hi rendition="#g">Maje&#x017F;tät</hi>. In der Größe erhebt &#x017F;ich die<lb/>
Freiheit über ihre Schranken; in der Macht enfaltet &#x017F;ie po¬<lb/>
&#x017F;itiv oder negativ die Stärke ihres We&#x017F;ens; in der Maje&#x017F;tät<lb/>
er&#x017F;cheint &#x017F;ie eben &#x017F;o groß als mächtig. Hieraus folgt, daß<lb/>
das Gemeine als die Negation des Erhabenen 1. diejenige<lb/>
Form des Häßlichen i&#x017F;t, die eine Exi&#x017F;tenz unter die Schranken<lb/>
herab&#x017F;etzt, welche ihr zukommen: die <hi rendition="#g">Kleinlichkeit</hi>; 2. die¬<lb/>
jenige Form, welche eine Exi&#x017F;tenz hinter demjenigen Maaß<lb/>
von Kraft zurückbleiben läßt, das ihr nach ihrem We&#x017F;en<lb/>
einwohnen &#x017F;ollte: die <hi rendition="#g">Schwächlichkeit</hi>; 3. diejenige, welche<lb/>
Be&#x017F;chränktheit und Ohnmacht mit der Unterordnung der<lb/>
Freiheit unter die Unfreiheit vereinigt: die <hi rendition="#g">Niedrigkeit</hi>.<lb/>
Es &#x017F;tehen &#x017F;ich al&#x017F;o von Seiten des Erhabenen und Gemeinen<lb/>
als Wech&#x017F;elbegriffe einander gegenüber das Große und<lb/>
das Kleinliche; das Mächtige und das Schwächliche; das<lb/>
Maje&#x017F;täti&#x017F;che und das Niedrige; Gegen&#x017F;ätze, die <hi rendition="#aq">in concreto</hi><lb/>
nach ihren feineren Schattirungen noch mit vielen andern<lb/>
Namen bezeichnet werden.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#aq">I</hi>. <hi rendition="#g">Das Kleinliche.</hi><lb/></head>
              <p>Größe (<hi rendition="#aq">magnitudo</hi>) überhaupt i&#x017F;t noch nicht erhaben;<lb/>
zwanzig Millionen Thaler &#x017F;ind ein großes Vermögen, das<lb/>
zu be&#x017F;itzen wahr&#x017F;cheinlich recht angenehm i&#x017F;t, allein etwas<lb/>
Erhabenes liegt gewiß nicht darin. So i&#x017F;t denn auch Klein¬<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0202] es ideell, ſei es reell, ſo realiſirt, daß ihre Unendlichkeit uns Gegenſtand wird: die Größe; ſodann diejenige, welche die Unendlichkeit der Freiheit in der Macht des Schaffens oder Zerſtörens darſtellt; endlich die in der Größe ihrer Schöpfung oder Zerſtörung mit ruhiger Selbſtgewißheit in ſich verhar¬ rende Macht: die Majeſtät. In der Größe erhebt ſich die Freiheit über ihre Schranken; in der Macht enfaltet ſie po¬ ſitiv oder negativ die Stärke ihres Weſens; in der Majeſtät erſcheint ſie eben ſo groß als mächtig. Hieraus folgt, daß das Gemeine als die Negation des Erhabenen 1. diejenige Form des Häßlichen iſt, die eine Exiſtenz unter die Schranken herabſetzt, welche ihr zukommen: die Kleinlichkeit; 2. die¬ jenige Form, welche eine Exiſtenz hinter demjenigen Maaß von Kraft zurückbleiben läßt, das ihr nach ihrem Weſen einwohnen ſollte: die Schwächlichkeit; 3. diejenige, welche Beſchränktheit und Ohnmacht mit der Unterordnung der Freiheit unter die Unfreiheit vereinigt: die Niedrigkeit. Es ſtehen ſich alſo von Seiten des Erhabenen und Gemeinen als Wechſelbegriffe einander gegenüber das Große und das Kleinliche; das Mächtige und das Schwächliche; das Majeſtätiſche und das Niedrige; Gegenſätze, die in concreto nach ihren feineren Schattirungen noch mit vielen andern Namen bezeichnet werden. I. Das Kleinliche. Größe (magnitudo) überhaupt iſt noch nicht erhaben; zwanzig Millionen Thaler ſind ein großes Vermögen, das zu beſitzen wahrſcheinlich recht angenehm iſt, allein etwas Erhabenes liegt gewiß nicht darin. So iſt denn auch Klein¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/202
Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/202>, abgerufen am 28.03.2024.