Ward hernach der Mensch erschaffen; Nach des Menschen holdem Bildniß Schuf er gar nachher die Affen.
Satan sah dem zu lachte:
Ei! der Herr copirt sich selber! Nach dem Bilde seiner Ochsen Macht er noch am Ende Kälber!
Jedermann erkennt aus diesen Versen sofort die Satire auf Religionen, in welchen der Thierdienst herrschte, auf das goldene Kalb, welches selbst die Israeliten umtanzten. Nun könnte man das Verlachen Gottes durch den Satan frivol finden: allein das Gedicht besteht aus vier kleinern, im zweiten entgegnet Gott:
Und der Gott sprach zu dem Teufel
Ich der Herr copir mich selber, Nach der Sonne mach' ich Sterne, Nach den Ochsen mach' ich Kälber, Nach den Löwen mit den Tatzen Mach' ich kleine, liebe Katzen, Nach den Menschen mach' ich Affen: Aber du kannst gar nichts schaffen.
Diese Antwort gebührt dem Satan und muß zu seinem Spott als dessen göttliche Negation hinzugenommen werden. Um nun aber die Heinesche Malice recht zu fassen, muß man auf den Schluß des Ganzen sehen; im vierten Gedicht dieses kleinen Cyklus, worin er von Größerem immer auf Kleineres übergeht, läßt er Gott zuletzt sagen:
Das Schaffen selbst ist eitel Bewegung,
Das stümpert sich leicht in kurzer Frist.
Zur Bevölkerung der Wildniß
Ward hernach der Menſch erſchaffen; Nach des Menſchen holdem Bildniß Schuf er gar nachher die Affen.
Satan ſah dem zu lachte:
Ei! der Herr copirt ſich ſelber! Nach dem Bilde ſeiner Ochſen Macht er noch am Ende Kälber!
Jedermann erkennt aus dieſen Verſen ſofort die Satire auf Religionen, in welchen der Thierdienſt herrſchte, auf das goldene Kalb, welches ſelbſt die Israeliten umtanzten. Nun könnte man das Verlachen Gottes durch den Satan frivol finden: allein das Gedicht beſteht aus vier kleinern, im zweiten entgegnet Gott:
Und der Gott ſprach zu dem Teufel
Ich der Herr copir mich ſelber, Nach der Sonne mach' ich Sterne, Nach den Ochſen mach' ich Kälber, Nach den Löwen mit den Tatzen Mach' ich kleine, liebe Katzen, Nach den Menſchen mach' ich Affen: Aber du kannſt gar nichts ſchaffen.
Dieſe Antwort gebührt dem Satan und muß zu ſeinem Spott als deſſen göttliche Negation hinzugenommen werden. Um nun aber die Heineſche Malice recht zu faſſen, muß man auf den Schluß des Ganzen ſehen; im vierten Gedicht dieſes kleinen Cyklus, worin er von Größerem immer auf Kleineres übergeht, läßt er Gott zuletzt ſagen:
Das Schaffen ſelbſt iſt eitel Bewegung,
Das ſtümpert ſich leicht in kurzer Friſt.
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Zur Bevölkerung der Wildniß
Ward hernach der Menſch erſchaffen;
Nach des Menſchen holdem Bildniß
Schuf er gar nachher die Affen.
Satan ſah dem zu lachte:
Ei! der Herr copirt ſich ſelber!
Nach dem Bilde ſeiner Ochſen
Macht er noch am Ende Kälber!
Jedermann erkennt aus dieſen Verſen ſofort die Satire
auf Religionen, in welchen der Thierdienſt herrſchte, auf das
goldene Kalb, welches ſelbſt die Israeliten umtanzten. Nun
könnte man das Verlachen Gottes durch den Satan frivol
finden: allein das Gedicht beſteht aus vier kleinern, im
zweiten entgegnet Gott:
Und der Gott ſprach zu dem Teufel
Ich der Herr copir mich ſelber,
Nach der Sonne mach' ich Sterne,
Nach den Ochſen mach' ich Kälber,
Nach den Löwen mit den Tatzen
Mach' ich kleine, liebe Katzen,
Nach den Menſchen mach' ich Affen:
Aber du kannſt gar nichts ſchaffen.
Dieſe Antwort gebührt dem Satan und muß zu ſeinem
Spott als deſſen göttliche Negation hinzugenommen werden.
Um nun aber die Heineſche Malice recht zu faſſen, muß
man auf den Schluß des Ganzen ſehen; im vierten Gedicht
dieſes kleinen Cyklus, worin er von Größerem immer auf
Kleineres übergeht, läßt er Gott zuletzt ſagen:
Das Schaffen ſelbſt iſt eitel Bewegung,
Das ſtümpert ſich leicht in kurzer Friſt.
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/293>, abgerufen am 17.06.2024.
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