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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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bürdung verkümmerte, ihm durch übertriebene Frohndienste
das Mark aussaugte, als er ihn durch eigene Härte und
Rohheit der Behandlung hart und roh machte, als er ihn
durch seinen Stolz von sich entfremdete. Nun verstockte sich
der Bauer; nun wurde er, der als bornirt und linkisch ver¬
höhnte, bäurisch und der hohe Name: Bauer, der Gottes
Erde mit seiner Hand bauet und mit diesem wahrhaft adligen
Geschäft der ganzen bürgerlichen Gesellschaft den Grund er¬
bauet, wurde nunmehr zum Schimpfwort, vorzüglich bei der
Frivolität des Brief- und Geldadels. Insofern nun der
Begriff der Bäurischen mit dem des Niedrigen zusammen¬
hängt, müssen wir auf die frühere Abhandlung dieses Be¬
griffs zurückweisen.

In diesem Zusammenhang ist auch schon erörtert worden,
inwiefern die Unmanier im Grotesken und Burlesken lächer¬
lich wird. Das Plumpe ist für die niedere Komik ein Haupt¬
hebel; doch muß das Ungefüge der massigen Gestalt und
das Unbeholfene der Bewegung, komisch zu sein, in ge¬
wissen Grenzen bleiben; es darf nicht brutal werden. Dem
Kinde zeigt sich bei uns der komische Gegensatz des Plumpen
und Gewandten am Frühesten auf der Straße im Bären
und Affen. Wie lächerlich erscheint es dem Kinde, wenn
das wilde Raubthier zweibeinig, wie das Kind selber thut,
auf einem Stocke reitet, wenn es, wie die Magd, Wasser
zu holen, ein Queerholz über den Nacken legt! Und wie
klug und zierlich kommt ihm dagegen das rothbejackte Aeffchen
vor, das auf dem Rücken des Bären Becken schlägt, Nüsse
knabbert, ein Flintchen abschießt! Die Komiker haben
immer großen Vortheil aus der Contrastirung des Plumpen
mit dem Graziösen gezogen. Sie haben, namentlich in
Uebergangsphasen, immer den Provinzialen und Kleinstädter

bürdung verkümmerte, ihm durch übertriebene Frohndienſte
das Mark ausſaugte, als er ihn durch eigene Härte und
Rohheit der Behandlung hart und roh machte, als er ihn
durch ſeinen Stolz von ſich entfremdete. Nun verſtockte ſich
der Bauer; nun wurde er, der als bornirt und linkiſch ver¬
höhnte, bäuriſch und der hohe Name: Bauer, der Gottes
Erde mit ſeiner Hand bauet und mit dieſem wahrhaft adligen
Geſchäft der ganzen bürgerlichen Geſellſchaft den Grund er¬
bauet, wurde nunmehr zum Schimpfwort, vorzüglich bei der
Frivolität des Brief- und Geldadels. Inſofern nun der
Begriff der Bäuriſchen mit dem des Niedrigen zuſammen¬
hängt, müſſen wir auf die frühere Abhandlung dieſes Be¬
griffs zurückweiſen.

In dieſem Zuſammenhang iſt auch ſchon erörtert worden,
inwiefern die Unmanier im Grotesken und Burlesken lächer¬
lich wird. Das Plumpe iſt für die niedere Komik ein Haupt¬
hebel; doch muß das Ungefüge der maſſigen Geſtalt und
das Unbeholfene der Bewegung, komiſch zu ſein, in ge¬
wiſſen Grenzen bleiben; es darf nicht brutal werden. Dem
Kinde zeigt ſich bei uns der komiſche Gegenſatz des Plumpen
und Gewandten am Früheſten auf der Straße im Bären
und Affen. Wie lächerlich erſcheint es dem Kinde, wenn
das wilde Raubthier zweibeinig, wie das Kind ſelber thut,
auf einem Stocke reitet, wenn es, wie die Magd, Waſſer
zu holen, ein Queerholz über den Nacken legt! Und wie
klug und zierlich kommt ihm dagegen das rothbejackte Aeffchen
vor, das auf dem Rücken des Bären Becken ſchlägt, Nüſſe
knabbert, ein Flintchen abſchießt! Die Komiker haben
immer großen Vortheil aus der Contraſtirung des Plumpen
mit dem Graziöſen gezogen. Sie haben, namentlich in
Uebergangsphaſen, immer den Provinzialen und Kleinſtädter

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[288/0310] bürdung verkümmerte, ihm durch übertriebene Frohndienſte das Mark ausſaugte, als er ihn durch eigene Härte und Rohheit der Behandlung hart und roh machte, als er ihn durch ſeinen Stolz von ſich entfremdete. Nun verſtockte ſich der Bauer; nun wurde er, der als bornirt und linkiſch ver¬ höhnte, bäuriſch und der hohe Name: Bauer, der Gottes Erde mit ſeiner Hand bauet und mit dieſem wahrhaft adligen Geſchäft der ganzen bürgerlichen Geſellſchaft den Grund er¬ bauet, wurde nunmehr zum Schimpfwort, vorzüglich bei der Frivolität des Brief- und Geldadels. Inſofern nun der Begriff der Bäuriſchen mit dem des Niedrigen zuſammen¬ hängt, müſſen wir auf die frühere Abhandlung dieſes Be¬ griffs zurückweiſen. In dieſem Zuſammenhang iſt auch ſchon erörtert worden, inwiefern die Unmanier im Grotesken und Burlesken lächer¬ lich wird. Das Plumpe iſt für die niedere Komik ein Haupt¬ hebel; doch muß das Ungefüge der maſſigen Geſtalt und das Unbeholfene der Bewegung, komiſch zu ſein, in ge¬ wiſſen Grenzen bleiben; es darf nicht brutal werden. Dem Kinde zeigt ſich bei uns der komiſche Gegenſatz des Plumpen und Gewandten am Früheſten auf der Straße im Bären und Affen. Wie lächerlich erſcheint es dem Kinde, wenn das wilde Raubthier zweibeinig, wie das Kind ſelber thut, auf einem Stocke reitet, wenn es, wie die Magd, Waſſer zu holen, ein Queerholz über den Nacken legt! Und wie klug und zierlich kommt ihm dagegen das rothbejackte Aeffchen vor, das auf dem Rücken des Bären Becken ſchlägt, Nüſſe knabbert, ein Flintchen abſchießt! Die Komiker haben immer großen Vortheil aus der Contraſtirung des Plumpen mit dem Graziöſen gezogen. Sie haben, namentlich in Uebergangsphaſen, immer den Provinzialen und Kleinſtädter

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/310>, abgerufen am 28.04.2024.