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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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Wir müssen nun noch einmal zu Figur X. 1. zurückgehen, welche
uns in einem Schema deutlicher machen soll, wie nun der Baum in
seinem Holze aus lauter einzelnen Jahresschichten zusammengefügt ist.
Am einfachsten können wir es uns so denken, daß sich die einzelnen
Jahreslagen -- Jahresringe würde jetzt eine falsche Vorstellung geben --
wie Zwiebelschalen verhalten. Wir dürfen nicht vergessen, daß auch an
der größten Eiche nicht bloß der Stamm und die Aeste, sondern auch das
jüngste Reis, jede Wurzelfaser alljährlich mit einer neuen Holzschicht über-
kleidet wird, und daß diese Holzschicht über den ganzen Baum hinweg
in ununterbrochenem Zusammenhang steht. Es würde natürlich unmöglich
sein, dies an einem gespaltenen Baume, wenn wir einen spalten könnten,
der Wahrheit getreu zu zeichnen, darum muß uns unser Schema aus-
helfen. Zählen wir unten über dem Erdboden und oben am Abschnitte
an unserer Figur die Jahresringe, die hier vielmehr durch senkrechte Grenz-
linien vertreten sind, so zählen wir dort 14, hier 9. Dies ist ganz na-
türlich, denn indem der Baum höher wurde, wurde er es ja durch neue
Triebe, deren jeder einen neuen Jahresring hinzubrachte. Wir wollen
aber jetzt wie vorhin bei Fig. XI., die ja eben nur ein Schema sein soll,
unter jedem gezeichneten Jahresring deren je fünf, ein Lustrum des Baum-
lebens, denken. Demnach wäre der Baum 70 Jahre alt, oder richtiger --
blos unten so alt und oben am Abschnitt nur 45. Auch eine sonderbare
Seite des Pflanzenleibes, insonderheit des Baumes, daß er an verschie-
denen Theilen ein verschiedenes Alter hat! Wir erinnern uns hier der
Frage aus dem 3. Abschnitte, ob der Baum in demselben Sinne ein In-
dividuum genannt werden könne, wie eine Hund oder ein Pferd und
müssen es nun doppelt verneinen, da wir eben daran denken, daß ein Baum
an verschiedenen Theilen seines großen Leibes ein verschiedenes Alter hat.

Während am ganzen Baume an jedem Theile das Holz mit jedem
neuen Jahre mit einer neuen Holzlage überzogen wird, so geschieht ein

daß man mit einer guten Lupe, wenn man die Blättchen, die über einem ovalen Loche
in kleinen Papierbogen angeklebt sind, gegen das Licht hält, das Holzgewebe sehr deutlich
sieht. Die kleine wunderschöne Sammlung, in Form eines Duodez-Bändchens, das man
bequem in die Tasche stecken kann, erhielt mit Fug und Recht 1851 in London eine Preis-
medaille. Herr N. hat noch 3 andere ganz gleich beschaffene Sammlungen von je 100
weiteren Holzarten und zu je 4 Thlr. 20 Sgr. herausgegeben.

Wir müſſen nun noch einmal zu Figur X. 1. zurückgehen, welche
uns in einem Schema deutlicher machen ſoll, wie nun der Baum in
ſeinem Holze aus lauter einzelnen Jahresſchichten zuſammengefügt iſt.
Am einfachſten können wir es uns ſo denken, daß ſich die einzelnen
Jahreslagen — Jahresringe würde jetzt eine falſche Vorſtellung geben —
wie Zwiebelſchalen verhalten. Wir dürfen nicht vergeſſen, daß auch an
der größten Eiche nicht bloß der Stamm und die Aeſte, ſondern auch das
jüngſte Reis, jede Wurzelfaſer alljährlich mit einer neuen Holzſchicht über-
kleidet wird, und daß dieſe Holzſchicht über den ganzen Baum hinweg
in ununterbrochenem Zuſammenhang ſteht. Es würde natürlich unmöglich
ſein, dies an einem geſpaltenen Baume, wenn wir einen ſpalten könnten,
der Wahrheit getreu zu zeichnen, darum muß uns unſer Schema aus-
helfen. Zählen wir unten über dem Erdboden und oben am Abſchnitte
an unſerer Figur die Jahresringe, die hier vielmehr durch ſenkrechte Grenz-
linien vertreten ſind, ſo zählen wir dort 14, hier 9. Dies iſt ganz na-
türlich, denn indem der Baum höher wurde, wurde er es ja durch neue
Triebe, deren jeder einen neuen Jahresring hinzubrachte. Wir wollen
aber jetzt wie vorhin bei Fig. XI., die ja eben nur ein Schema ſein ſoll,
unter jedem gezeichneten Jahresring deren je fünf, ein Luſtrum des Baum-
lebens, denken. Demnach wäre der Baum 70 Jahre alt, oder richtiger —
blos unten ſo alt und oben am Abſchnitt nur 45. Auch eine ſonderbare
Seite des Pflanzenleibes, inſonderheit des Baumes, daß er an verſchie-
denen Theilen ein verſchiedenes Alter hat! Wir erinnern uns hier der
Frage aus dem 3. Abſchnitte, ob der Baum in demſelben Sinne ein In-
dividuum genannt werden könne, wie eine Hund oder ein Pferd und
müſſen es nun doppelt verneinen, da wir eben daran denken, daß ein Baum
an verſchiedenen Theilen ſeines großen Leibes ein verſchiedenes Alter hat.

Während am ganzen Baume an jedem Theile das Holz mit jedem
neuen Jahre mit einer neuen Holzlage überzogen wird, ſo geſchieht ein

daß man mit einer guten Lupe, wenn man die Blättchen, die über einem ovalen Loche
in kleinen Papierbogen angeklebt ſind, gegen das Licht hält, das Holzgewebe ſehr deutlich
ſieht. Die kleine wunderſchöne Sammlung, in Form eines Duodez-Bändchens, das man
bequem in die Taſche ſtecken kann, erhielt mit Fug und Recht 1851 in London eine Preis-
medaille. Herr N. hat noch 3 andere ganz gleich beſchaffene Sammlungen von je 100
weiteren Holzarten und zu je 4 Thlr. 20 Sgr. herausgegeben.
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[96/0120] Wir müſſen nun noch einmal zu Figur X. 1. zurückgehen, welche uns in einem Schema deutlicher machen ſoll, wie nun der Baum in ſeinem Holze aus lauter einzelnen Jahresſchichten zuſammengefügt iſt. Am einfachſten können wir es uns ſo denken, daß ſich die einzelnen Jahreslagen — Jahresringe würde jetzt eine falſche Vorſtellung geben — wie Zwiebelſchalen verhalten. Wir dürfen nicht vergeſſen, daß auch an der größten Eiche nicht bloß der Stamm und die Aeſte, ſondern auch das jüngſte Reis, jede Wurzelfaſer alljährlich mit einer neuen Holzſchicht über- kleidet wird, und daß dieſe Holzſchicht über den ganzen Baum hinweg in ununterbrochenem Zuſammenhang ſteht. Es würde natürlich unmöglich ſein, dies an einem geſpaltenen Baume, wenn wir einen ſpalten könnten, der Wahrheit getreu zu zeichnen, darum muß uns unſer Schema aus- helfen. Zählen wir unten über dem Erdboden und oben am Abſchnitte an unſerer Figur die Jahresringe, die hier vielmehr durch ſenkrechte Grenz- linien vertreten ſind, ſo zählen wir dort 14, hier 9. Dies iſt ganz na- türlich, denn indem der Baum höher wurde, wurde er es ja durch neue Triebe, deren jeder einen neuen Jahresring hinzubrachte. Wir wollen aber jetzt wie vorhin bei Fig. XI., die ja eben nur ein Schema ſein ſoll, unter jedem gezeichneten Jahresring deren je fünf, ein Luſtrum des Baum- lebens, denken. Demnach wäre der Baum 70 Jahre alt, oder richtiger — blos unten ſo alt und oben am Abſchnitt nur 45. Auch eine ſonderbare Seite des Pflanzenleibes, inſonderheit des Baumes, daß er an verſchie- denen Theilen ein verſchiedenes Alter hat! Wir erinnern uns hier der Frage aus dem 3. Abſchnitte, ob der Baum in demſelben Sinne ein In- dividuum genannt werden könne, wie eine Hund oder ein Pferd und müſſen es nun doppelt verneinen, da wir eben daran denken, daß ein Baum an verſchiedenen Theilen ſeines großen Leibes ein verſchiedenes Alter hat. Während am ganzen Baume an jedem Theile das Holz mit jedem neuen Jahre mit einer neuen Holzlage überzogen wird, ſo geſchieht ein *) *) daß man mit einer guten Lupe, wenn man die Blättchen, die über einem ovalen Loche in kleinen Papierbogen angeklebt ſind, gegen das Licht hält, das Holzgewebe ſehr deutlich ſieht. Die kleine wunderſchöne Sammlung, in Form eines Duodez-Bändchens, das man bequem in die Taſche ſtecken kann, erhielt mit Fug und Recht 1851 in London eine Preis- medaille. Herr N. hat noch 3 andere ganz gleich beſchaffene Sammlungen von je 100 weiteren Holzarten und zu je 4 Thlr. 20 Sgr. herausgegeben.

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/120>, abgerufen am 09.05.2024.