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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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z. B. Bucheckern, meist nur über einen Winter ihre Keimkraft. Samen
mit weicher und daher die Feuchtigkeit der Luft leicht einsaugender Samen-
schale verlieren ihre Keimkraft leicht. Eben so solche Samen, welche, wie
z. B. die Eichel, in ihren Samenlappen viel Feuchtigkeit enthalten. Da-
gegen behalten jene Samen, welche am meisten ein Bild des Todes zu
sein scheinen wie knochenartige Weizenkörner, ihre Keimkraft am längsten,
weil der geringe Feuchtigkeitsgehalt trockner Luft -- in feuchter Luft ist
es natürlich umgekehrt -- nicht fähig ist, den Ruhezustand der chemischen
Festlegung ihrer Stoffe zu stören.

Demnach beruht die lange Dauer der Keimfähigkeit der Pflanzen-
samen in der Wesenheit darauf, daß ihre Bestandtheile sich in einem
solchen chemischen Ruhezustande befinden, der es ihnen erlaubt, durch die
wesentlichen Bedingungen des Keimens, Wärme und Feuchtigkeit, auch
noch nach langer Unterbrechung den natürlichen chemischen Umsatz wieder
zu beginnen." *)

Was hier von der Keimfähigkeit der Samen gesagt ist, gilt ebenfalls
von sehr vielen Sporen der kryptogamischen Gewächse, welche nur aus
einer einzigen Zelle bestehen, also keinen vorgebildeten Keim enthalten, und
ebendeswegen als "Sporen" **) von den "Samen" unterschieden werden.

Diese Sporen sind so klein, daß sie in Menge ein außerordentlich
feines Pulver bilden; und dennoch hat man Sporen von Farrenkräutern,
welche Jahrzehnte in Herbarien gelegen hatten, nicht nur zum Keimen,
sondern auch zur vollendeten Entwicklung der Pflanze gebracht.

Wo bleibt nun in allen solchen Fällen die Lebenskraft? Man sagt,
sie habe diese lange Zeit über im Samen oder in der Spore gebunden geruht.

*) Diese Darlegung ist mit geringen Beränderungen ein Artikel über die Keim-
fähigkeit der Samen aus dem naturwissenschaftlichen Volksblatte "Aus der Heimath" von
dem Verfasser, Jahrgang 1859, Nr. 13.
**) Bei dieser eingehenden Betrachtung des Samens und der Spore mag es an-
gemessen sein, von deren Bedeutung für die Klassifikation des Pflanzenreichs etwas vor-
zubringen. Nach dem alten Linne'schen System werden die Pflanzen zunächst in sichtbar
blühende, Phanerogamen, und in verborgen blühende, Kryptogamen, oder was dasselbe
kürzer sagt: in Blüthen-Pflanzen und in blüthenlose Pflanzen eingetheilt; jene haben
echte Samen, diese nur Sporen, darum auch die Benennungen: Samenpflanzen und
Sporenpflanzen. Je nachdem nun die Samen jener zwei oder blos einen
Samenlappen haben, nennt man sie Zwei- oder Einsamenlappige Pflanzen,
Dikotyledonen
und Monokotyledonen.

z. B. Bucheckern, meiſt nur über einen Winter ihre Keimkraft. Samen
mit weicher und daher die Feuchtigkeit der Luft leicht einſaugender Samen-
ſchale verlieren ihre Keimkraft leicht. Eben ſo ſolche Samen, welche, wie
z. B. die Eichel, in ihren Samenlappen viel Feuchtigkeit enthalten. Da-
gegen behalten jene Samen, welche am meiſten ein Bild des Todes zu
ſein ſcheinen wie knochenartige Weizenkörner, ihre Keimkraft am längſten,
weil der geringe Feuchtigkeitsgehalt trockner Luft — in feuchter Luft iſt
es natürlich umgekehrt — nicht fähig iſt, den Ruhezuſtand der chemiſchen
Feſtlegung ihrer Stoffe zu ſtören.

Demnach beruht die lange Dauer der Keimfähigkeit der Pflanzen-
ſamen in der Weſenheit darauf, daß ihre Beſtandtheile ſich in einem
ſolchen chemiſchen Ruhezuſtande befinden, der es ihnen erlaubt, durch die
weſentlichen Bedingungen des Keimens, Wärme und Feuchtigkeit, auch
noch nach langer Unterbrechung den natürlichen chemiſchen Umſatz wieder
zu beginnen.“ *)

Was hier von der Keimfähigkeit der Samen geſagt iſt, gilt ebenfalls
von ſehr vielen Sporen der kryptogamiſchen Gewächſe, welche nur aus
einer einzigen Zelle beſtehen, alſo keinen vorgebildeten Keim enthalten, und
ebendeswegen als „Sporen“ **) von den „Samen“ unterſchieden werden.

Dieſe Sporen ſind ſo klein, daß ſie in Menge ein außerordentlich
feines Pulver bilden; und dennoch hat man Sporen von Farrenkräutern,
welche Jahrzehnte in Herbarien gelegen hatten, nicht nur zum Keimen,
ſondern auch zur vollendeten Entwicklung der Pflanze gebracht.

Wo bleibt nun in allen ſolchen Fällen die Lebenskraft? Man ſagt,
ſie habe dieſe lange Zeit über im Samen oder in der Spore gebunden geruht.

*) Dieſe Darlegung iſt mit geringen Beränderungen ein Artikel über die Keim-
fähigkeit der Samen aus dem naturwiſſenſchaftlichen Volksblatte „Aus der Heimath“ von
dem Verfaſſer, Jahrgang 1859, Nr. 13.
**) Bei dieſer eingehenden Betrachtung des Samens und der Spore mag es an-
gemeſſen ſein, von deren Bedeutung für die Klaſſifikation des Pflanzenreichs etwas vor-
zubringen. Nach dem alten Linné’ſchen Syſtem werden die Pflanzen zunächſt in ſichtbar
blühende, Phanerogamen, und in verborgen blühende, Kryptogamen, oder was daſſelbe
kürzer ſagt: in Blüthen-Pflanzen und in blüthenloſe Pflanzen eingetheilt; jene haben
echte Samen, dieſe nur Sporen, darum auch die Benennungen: Samenpflanzen und
Sporenpflanzen. Je nachdem nun die Samen jener zwei oder blos einen
Samenlappen haben, nennt man ſie Zwei- oder Einſamenlappige Pflanzen,
Dikotyledonen
und Monokotyledonen.
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[143/0167] z. B. Bucheckern, meiſt nur über einen Winter ihre Keimkraft. Samen mit weicher und daher die Feuchtigkeit der Luft leicht einſaugender Samen- ſchale verlieren ihre Keimkraft leicht. Eben ſo ſolche Samen, welche, wie z. B. die Eichel, in ihren Samenlappen viel Feuchtigkeit enthalten. Da- gegen behalten jene Samen, welche am meiſten ein Bild des Todes zu ſein ſcheinen wie knochenartige Weizenkörner, ihre Keimkraft am längſten, weil der geringe Feuchtigkeitsgehalt trockner Luft — in feuchter Luft iſt es natürlich umgekehrt — nicht fähig iſt, den Ruhezuſtand der chemiſchen Feſtlegung ihrer Stoffe zu ſtören. Demnach beruht die lange Dauer der Keimfähigkeit der Pflanzen- ſamen in der Weſenheit darauf, daß ihre Beſtandtheile ſich in einem ſolchen chemiſchen Ruhezuſtande befinden, der es ihnen erlaubt, durch die weſentlichen Bedingungen des Keimens, Wärme und Feuchtigkeit, auch noch nach langer Unterbrechung den natürlichen chemiſchen Umſatz wieder zu beginnen.“ *) Was hier von der Keimfähigkeit der Samen geſagt iſt, gilt ebenfalls von ſehr vielen Sporen der kryptogamiſchen Gewächſe, welche nur aus einer einzigen Zelle beſtehen, alſo keinen vorgebildeten Keim enthalten, und ebendeswegen als „Sporen“ **) von den „Samen“ unterſchieden werden. Dieſe Sporen ſind ſo klein, daß ſie in Menge ein außerordentlich feines Pulver bilden; und dennoch hat man Sporen von Farrenkräutern, welche Jahrzehnte in Herbarien gelegen hatten, nicht nur zum Keimen, ſondern auch zur vollendeten Entwicklung der Pflanze gebracht. Wo bleibt nun in allen ſolchen Fällen die Lebenskraft? Man ſagt, ſie habe dieſe lange Zeit über im Samen oder in der Spore gebunden geruht. *) Dieſe Darlegung iſt mit geringen Beränderungen ein Artikel über die Keim- fähigkeit der Samen aus dem naturwiſſenſchaftlichen Volksblatte „Aus der Heimath“ von dem Verfaſſer, Jahrgang 1859, Nr. 13. **) Bei dieſer eingehenden Betrachtung des Samens und der Spore mag es an- gemeſſen ſein, von deren Bedeutung für die Klaſſifikation des Pflanzenreichs etwas vor- zubringen. Nach dem alten Linné’ſchen Syſtem werden die Pflanzen zunächſt in ſichtbar blühende, Phanerogamen, und in verborgen blühende, Kryptogamen, oder was daſſelbe kürzer ſagt: in Blüthen-Pflanzen und in blüthenloſe Pflanzen eingetheilt; jene haben echte Samen, dieſe nur Sporen, darum auch die Benennungen: Samenpflanzen und Sporenpflanzen. Je nachdem nun die Samen jener zwei oder blos einen Samenlappen haben, nennt man ſie Zwei- oder Einſamenlappige Pflanzen, Dikotyledonen und Monokotyledonen.

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/167>, abgerufen am 11.05.2024.