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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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einfach sägezähnig, die späteren doppeltsägezähnig; bei der Esche sind sie
dreizählig, die späteren bekanntlich gefiedert (S. 125); bei der bei uns
heimisch gewordenen Robinie ist das Herzblatt einfach und rund, das
zweite Blatt gedreit, das dritte fünffiederig und sofort, bis die normale
Zahl des reichgefiederten Robinienblattes erreicht ist.

Während der ersten Wochen des Lebens einer Keimpflanze ist ihr
eine feuchte Luft zu einem gesunden Gedeihen sehr nothwendig und der
Forstmann bedeckt in dieser Zeit seine Saatbeete bei trockenem Wetter
mit Reisig und dennoch gehen ihm oft die Saaten durch "Sonnenbrand"
zu Grunde. Namentlich das unterhalb der Samenlappen liegende (das
hypokotyle) Glied ist sehr empfindlich, besonders bei der Buche und Tanne,
deren Erziehung aus diesem Grunde die meisten Schwierigkeiten hat.

Je nach der Witterung, der Güte des Bodens und des Samens
selbst entwickelt sich nun bis zum Herbste das junge Bäumchen mehr oder
weniger kräftig, in der Regel ohne Seitentriebe zu machen. Die durch-
schnittliche Höhe, die eine Samenpflanze unserer Bäume im ersten Lebens-
jahre erreicht, ist nach den verschiedenen Arten verschieden.

Wie das ganze Leben hindurch die verschiedenen Baumarten an ihren
Standort verschiedene Anforderungen stellen und von dessen Eigenthüm-
lichkeiten mehr oder weniger beeinflußt werden, so ist dies auch schon in
ihrer frühesten Jugend der Fall. Namentlich bedürfen die einen in der
Jugend Licht und freien Stand, um sich gesund entwickeln zu können,
wie Fichte und Eiche; andere können lange Zeit und ohne Nachtheil Be-
schattung und Unterdrückung ertragen, um später, wenn sie frei gestellt
werden, doch noch zu kräftigem Wuchs sich aufzuraffen, wie das in auf-
fallendem Grade der Tanne eigen ist.

Bei den meisten Baumarten ist jedoch das erste Lebensjahr von er-
heblichem Einfluß auf das ganze übrige Leben oder wenigstens auf eine
lange Reihe von Jahren. Eine kräftige Samenpflanze, die auf passendem
Boden aus einem gesunden wohlausgebildeten Samenkorn hervorging, ist
im folgenden Jahre zum Verpflanzen gut geeignet, wenn es einer Baum-
art angehört, welche so junge Verpflanzung erlaubt, oder das gerade
vorliegende Bedürfniß diese erheischt.

Auf der andern Seite ist jedoch etwas nicht zu übersehen, was wahr-
scheinlich von den Walderziehern manchmal übersehen werden mag.

einfach ſägezähnig, die ſpäteren doppeltſägezähnig; bei der Eſche ſind ſie
dreizählig, die ſpäteren bekanntlich gefiedert (S. 125); bei der bei uns
heimiſch gewordenen Robinie iſt das Herzblatt einfach und rund, das
zweite Blatt gedreit, das dritte fünffiederig und ſofort, bis die normale
Zahl des reichgefiederten Robinienblattes erreicht iſt.

Während der erſten Wochen des Lebens einer Keimpflanze iſt ihr
eine feuchte Luft zu einem geſunden Gedeihen ſehr nothwendig und der
Forſtmann bedeckt in dieſer Zeit ſeine Saatbeete bei trockenem Wetter
mit Reiſig und dennoch gehen ihm oft die Saaten durch „Sonnenbrand“
zu Grunde. Namentlich das unterhalb der Samenlappen liegende (das
hypokotyle) Glied iſt ſehr empfindlich, beſonders bei der Buche und Tanne,
deren Erziehung aus dieſem Grunde die meiſten Schwierigkeiten hat.

Je nach der Witterung, der Güte des Bodens und des Samens
ſelbſt entwickelt ſich nun bis zum Herbſte das junge Bäumchen mehr oder
weniger kräftig, in der Regel ohne Seitentriebe zu machen. Die durch-
ſchnittliche Höhe, die eine Samenpflanze unſerer Bäume im erſten Lebens-
jahre erreicht, iſt nach den verſchiedenen Arten verſchieden.

Wie das ganze Leben hindurch die verſchiedenen Baumarten an ihren
Standort verſchiedene Anforderungen ſtellen und von deſſen Eigenthüm-
lichkeiten mehr oder weniger beeinflußt werden, ſo iſt dies auch ſchon in
ihrer früheſten Jugend der Fall. Namentlich bedürfen die einen in der
Jugend Licht und freien Stand, um ſich geſund entwickeln zu können,
wie Fichte und Eiche; andere können lange Zeit und ohne Nachtheil Be-
ſchattung und Unterdrückung ertragen, um ſpäter, wenn ſie frei geſtellt
werden, doch noch zu kräftigem Wuchs ſich aufzuraffen, wie das in auf-
fallendem Grade der Tanne eigen iſt.

Bei den meiſten Baumarten iſt jedoch das erſte Lebensjahr von er-
heblichem Einfluß auf das ganze übrige Leben oder wenigſtens auf eine
lange Reihe von Jahren. Eine kräftige Samenpflanze, die auf paſſendem
Boden aus einem geſunden wohlausgebildeten Samenkorn hervorging, iſt
im folgenden Jahre zum Verpflanzen gut geeignet, wenn es einer Baum-
art angehört, welche ſo junge Verpflanzung erlaubt, oder das gerade
vorliegende Bedürfniß dieſe erheiſcht.

Auf der andern Seite iſt jedoch etwas nicht zu überſehen, was wahr-
ſcheinlich von den Walderziehern manchmal überſehen werden mag.

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[148/0172] einfach ſägezähnig, die ſpäteren doppeltſägezähnig; bei der Eſche ſind ſie dreizählig, die ſpäteren bekanntlich gefiedert (S. 125); bei der bei uns heimiſch gewordenen Robinie iſt das Herzblatt einfach und rund, das zweite Blatt gedreit, das dritte fünffiederig und ſofort, bis die normale Zahl des reichgefiederten Robinienblattes erreicht iſt. Während der erſten Wochen des Lebens einer Keimpflanze iſt ihr eine feuchte Luft zu einem geſunden Gedeihen ſehr nothwendig und der Forſtmann bedeckt in dieſer Zeit ſeine Saatbeete bei trockenem Wetter mit Reiſig und dennoch gehen ihm oft die Saaten durch „Sonnenbrand“ zu Grunde. Namentlich das unterhalb der Samenlappen liegende (das hypokotyle) Glied iſt ſehr empfindlich, beſonders bei der Buche und Tanne, deren Erziehung aus dieſem Grunde die meiſten Schwierigkeiten hat. Je nach der Witterung, der Güte des Bodens und des Samens ſelbſt entwickelt ſich nun bis zum Herbſte das junge Bäumchen mehr oder weniger kräftig, in der Regel ohne Seitentriebe zu machen. Die durch- ſchnittliche Höhe, die eine Samenpflanze unſerer Bäume im erſten Lebens- jahre erreicht, iſt nach den verſchiedenen Arten verſchieden. Wie das ganze Leben hindurch die verſchiedenen Baumarten an ihren Standort verſchiedene Anforderungen ſtellen und von deſſen Eigenthüm- lichkeiten mehr oder weniger beeinflußt werden, ſo iſt dies auch ſchon in ihrer früheſten Jugend der Fall. Namentlich bedürfen die einen in der Jugend Licht und freien Stand, um ſich geſund entwickeln zu können, wie Fichte und Eiche; andere können lange Zeit und ohne Nachtheil Be- ſchattung und Unterdrückung ertragen, um ſpäter, wenn ſie frei geſtellt werden, doch noch zu kräftigem Wuchs ſich aufzuraffen, wie das in auf- fallendem Grade der Tanne eigen iſt. Bei den meiſten Baumarten iſt jedoch das erſte Lebensjahr von er- heblichem Einfluß auf das ganze übrige Leben oder wenigſtens auf eine lange Reihe von Jahren. Eine kräftige Samenpflanze, die auf paſſendem Boden aus einem geſunden wohlausgebildeten Samenkorn hervorging, iſt im folgenden Jahre zum Verpflanzen gut geeignet, wenn es einer Baum- art angehört, welche ſo junge Verpflanzung erlaubt, oder das gerade vorliegende Bedürfniß dieſe erheiſcht. Auf der andern Seite iſt jedoch etwas nicht zu überſehen, was wahr- ſcheinlich von den Walderziehern manchmal überſehen werden mag.

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/172>, abgerufen am 12.05.2024.