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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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Verhältnissen Gummi, Dextrin und Zucker. Seinen Reichthum an
organischen Substanzen kann man leicht daraus abnehmen, daß auf
den Schnittflächen der Stöcke kurz vorher gefällter Bäume der heraus-
quellende Frühjahrssaft an der Luft in Fäulniß übergeht und meist eine
mennigröthliche Farbe und rahmartige Consistenz annimmt.

Diese Bereicherung erfährt der aus dem Boden aufgenommene Früh-
jahrssaft durch die in den Zellen des Holzkörpers der Wurzel, des Stammes
und der Zweige, besonders in den Markstrahlenzellen aus vorigem Jahre
aufgespeicherten Stoffe, unter denen Stärkemehl der wichtigste und
reichlichste ist. Zur Verflüssigung dieser festen Reservenahrung ist die
aus dem Boden in die Wurzel eingetretene und in dieser von Zelle zu
Zelle aufwärts gedrungene Flüssigkeit dadurch besonders geeignet, daß sie
reich an Kohlensäure ist, außer welcher sie aufgelöste Bodensalze enthält.

Das von den Wurzelspitzchen endosmotisch aufgesogene Wasser gelangt
sofort in die Axe derselben, welche aus gestreckten, also leitenden Zellen
und Gefäßen besteht und sich schon in den feinsten Wurzelverzweigungen
als ein centraler Holzkörper der Rinde gegenübersetzt. Da alle Wurzel-
verzweigungen unter sich und mit dem Stamm und dieser wieder mit der
Verzweigung der Krone in unmittelbarem Zusammenhang stehen, so ge-
schieht die Verbreitung des rohen Nahrungssaftes, wie man den Früh-
jahrssaft auch nennt, im ganzen Holzkörper sehr schnell. Im Anfange
beschränkt sich diese Saftleitung auf den Splint (S. 108), erstreckt sich
aber zuletzt auf den gesammten Holzkörper.

Wir schalten hier die Betrachtung der Fig. XXI. ein, welche ein
sehr kleines Stückchen Buchenholz in etwa 200 maliger Vergrößerung dar-
stellt, um das feine Holzgewebe mit seinen zahllosen unendlich kleinen
Räumen kennen zu lernen, in denen der Saft von Zelle zu Zelle vor-
wärts dringt. Wir unterscheiden darin zweierlei Grundorgane: Zellen,
p, pr und m, und Gefäße g, und zwar von ersteren drei verschiedene
Abänderungen. Zunächst unterscheiden wir kurze und gestreckte Holz-
zellen; jene bilden das sogenannte Holzparenchym, pp, und die Mark-
strahlen
m m m in welchen Stoffe gebildet und umgebildet werden und
in denen man daher auch Stärkemehl während der Winterruhe findet;
diese, die gestreckten Zellen pr, heißen auch Prosenchymzellen und
dienen vermöge ihrer gestreckten Gestalt zur Saftleitung. Beide haben

Roßmäßler, der Wald. 11

Verhältniſſen Gummi, Dextrin und Zucker. Seinen Reichthum an
organiſchen Subſtanzen kann man leicht daraus abnehmen, daß auf
den Schnittflächen der Stöcke kurz vorher gefällter Bäume der heraus-
quellende Frühjahrsſaft an der Luft in Fäulniß übergeht und meiſt eine
mennigröthliche Farbe und rahmartige Conſiſtenz annimmt.

Dieſe Bereicherung erfährt der aus dem Boden aufgenommene Früh-
jahrsſaft durch die in den Zellen des Holzkörpers der Wurzel, des Stammes
und der Zweige, beſonders in den Markſtrahlenzellen aus vorigem Jahre
aufgeſpeicherten Stoffe, unter denen Stärkemehl der wichtigſte und
reichlichſte iſt. Zur Verflüſſigung dieſer feſten Reſervenahrung iſt die
aus dem Boden in die Wurzel eingetretene und in dieſer von Zelle zu
Zelle aufwärts gedrungene Flüſſigkeit dadurch beſonders geeignet, daß ſie
reich an Kohlenſäure iſt, außer welcher ſie aufgelöſte Bodenſalze enthält.

Das von den Wurzelſpitzchen endosmotiſch aufgeſogene Waſſer gelangt
ſofort in die Axe derſelben, welche aus geſtreckten, alſo leitenden Zellen
und Gefäßen beſteht und ſich ſchon in den feinſten Wurzelverzweigungen
als ein centraler Holzkörper der Rinde gegenüberſetzt. Da alle Wurzel-
verzweigungen unter ſich und mit dem Stamm und dieſer wieder mit der
Verzweigung der Krone in unmittelbarem Zuſammenhang ſtehen, ſo ge-
ſchieht die Verbreitung des rohen Nahrungsſaftes, wie man den Früh-
jahrsſaft auch nennt, im ganzen Holzkörper ſehr ſchnell. Im Anfange
beſchränkt ſich dieſe Saftleitung auf den Splint (S. 108), erſtreckt ſich
aber zuletzt auf den geſammten Holzkörper.

Wir ſchalten hier die Betrachtung der Fig. XXI. ein, welche ein
ſehr kleines Stückchen Buchenholz in etwa 200 maliger Vergrößerung dar-
ſtellt, um das feine Holzgewebe mit ſeinen zahlloſen unendlich kleinen
Räumen kennen zu lernen, in denen der Saft von Zelle zu Zelle vor-
wärts dringt. Wir unterſcheiden darin zweierlei Grundorgane: Zellen,
p, pr und m, und Gefäße g, und zwar von erſteren drei verſchiedene
Abänderungen. Zunächſt unterſcheiden wir kurze und geſtreckte Holz-
zellen; jene bilden das ſogenannte Holzparenchym, pp, und die Mark-
ſtrahlen
m m m in welchen Stoffe gebildet und umgebildet werden und
in denen man daher auch Stärkemehl während der Winterruhe findet;
dieſe, die geſtreckten Zellen pr, heißen auch Prosenchymzellen und
dienen vermöge ihrer geſtreckten Geſtalt zur Saftleitung. Beide haben

Roßmäßler, der Wald. 11
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[161/0185] Verhältniſſen Gummi, Dextrin und Zucker. Seinen Reichthum an organiſchen Subſtanzen kann man leicht daraus abnehmen, daß auf den Schnittflächen der Stöcke kurz vorher gefällter Bäume der heraus- quellende Frühjahrsſaft an der Luft in Fäulniß übergeht und meiſt eine mennigröthliche Farbe und rahmartige Conſiſtenz annimmt. Dieſe Bereicherung erfährt der aus dem Boden aufgenommene Früh- jahrsſaft durch die in den Zellen des Holzkörpers der Wurzel, des Stammes und der Zweige, beſonders in den Markſtrahlenzellen aus vorigem Jahre aufgeſpeicherten Stoffe, unter denen Stärkemehl der wichtigſte und reichlichſte iſt. Zur Verflüſſigung dieſer feſten Reſervenahrung iſt die aus dem Boden in die Wurzel eingetretene und in dieſer von Zelle zu Zelle aufwärts gedrungene Flüſſigkeit dadurch beſonders geeignet, daß ſie reich an Kohlenſäure iſt, außer welcher ſie aufgelöſte Bodenſalze enthält. Das von den Wurzelſpitzchen endosmotiſch aufgeſogene Waſſer gelangt ſofort in die Axe derſelben, welche aus geſtreckten, alſo leitenden Zellen und Gefäßen beſteht und ſich ſchon in den feinſten Wurzelverzweigungen als ein centraler Holzkörper der Rinde gegenüberſetzt. Da alle Wurzel- verzweigungen unter ſich und mit dem Stamm und dieſer wieder mit der Verzweigung der Krone in unmittelbarem Zuſammenhang ſtehen, ſo ge- ſchieht die Verbreitung des rohen Nahrungsſaftes, wie man den Früh- jahrsſaft auch nennt, im ganzen Holzkörper ſehr ſchnell. Im Anfange beſchränkt ſich dieſe Saftleitung auf den Splint (S. 108), erſtreckt ſich aber zuletzt auf den geſammten Holzkörper. Wir ſchalten hier die Betrachtung der Fig. XXI. ein, welche ein ſehr kleines Stückchen Buchenholz in etwa 200 maliger Vergrößerung dar- ſtellt, um das feine Holzgewebe mit ſeinen zahlloſen unendlich kleinen Räumen kennen zu lernen, in denen der Saft von Zelle zu Zelle vor- wärts dringt. Wir unterſcheiden darin zweierlei Grundorgane: Zellen, p, pr und m, und Gefäße g, und zwar von erſteren drei verſchiedene Abänderungen. Zunächſt unterſcheiden wir kurze und geſtreckte Holz- zellen; jene bilden das ſogenannte Holzparenchym, pp, und die Mark- ſtrahlen m m m in welchen Stoffe gebildet und umgebildet werden und in denen man daher auch Stärkemehl während der Winterruhe findet; dieſe, die geſtreckten Zellen pr, heißen auch Prosenchymzellen und dienen vermöge ihrer geſtreckten Geſtalt zur Saftleitung. Beide haben Roßmäßler, der Wald. 11

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/185>, abgerufen am 12.05.2024.