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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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ist. Dadurch wird der Waldboden immer mehr beschränkt und da er am
meisten in den fruchtbaren Lagen an Umfang verliert, die Laubhölzer aber
im Allgemeinen mehr einen fruchtbaren Ebenen-Boden bedürfen als
Nadethölzer, so ist die nothwendige Folge, daß die Laubhölzer in dem-
selben Verhältniß in Abnahme, wie die Nadelhölzer in Zunahme begriffen
sind. Die Verminderung der Waldfläche in Folge der Ausbreitung des
Feldbaues hat aber offenbar schon jetzt einen Einfluß gezeigt auf das
Klima Deutschlands und namentlich auf den Reichthum der Regennieder-
schläge und somit der Quellen und der Feuchtigkeit des Bodens. Diese
Thatsache, eine Folge der Waldverminderung, wird eben zu einer Folge-
ursache für die Verminderung oder wenigstens Verschlechterung des Waldes,
der nun an vielen Orten einen weniger fruchtbaren Boden findet, als
früher, und wir dürfen diesen Moment nicht vorüber gehen lassen, ohne
uns wiederholt daran zu erinnern, daß der Beruf des Forstmannes, dessen
hohe Aufgabe es ist, nicht blos Wälder zu benutzen, sondern auch Wälder
zu erziehen, ein schwieriger ist und im Durchschnitt mit jedem Jahrzehnt
ein schwierigerer wird.

Wenn man die vielerlei Maßregeln des deutschen Waldbaues über-
blickt, welcher durch die Zerrissenheit des deutschen Vaterlandes eben in
seinen Maßregeln ein höchst ungleicher und oft nach entgegengesetzten
Grundsätzen verfahrender ist, so muß man sagen, daß ein fortwährender
Kampf zwischen Laubhölzern und Nadelhölzern um den Besitz der Boden-
fläche stattfindet. Hier findet man es für nothwendig und am meisten
Vortheil versprechend, Nadelwaldungen in Laubholzwaldungen umzu-
wandeln, anderwärts verfährt man gerade umgekehrt.

Vergleicht man diejenige Bodenfläche Deutschlands und der nördlicher
liegenden Theile Europas, welche die Nadelhölzer einnehmen, mit der-
jenigen, wo die Laubhölzer herrschen, so ergiebt sich, daß die wenigen
Nadelholzarten einen viel größeren Flächenraum behaupten, als die
viel zahlreicheren Laubholzarten zusammengenommen.

Wie überhaupt hinsichtlich des Einflusses auf die Vertheilung der
Pflanzen auf der Erdoberfläche Seehöhe und geographische Breite oft
vollständig gleichbedeutend sind, d. h. dieselben Pflanzen in einer gewissen
Seehöhe wachsen, welche in einer gewissen Breite vorkommen, so ist dies
derselbe Fall auch bei den Bäumen. Die Laubhölzer lieben das Tiefland

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iſt. Dadurch wird der Waldboden immer mehr beſchränkt und da er am
meiſten in den fruchtbaren Lagen an Umfang verliert, die Laubhölzer aber
im Allgemeinen mehr einen fruchtbaren Ebenen-Boden bedürfen als
Nadethölzer, ſo iſt die nothwendige Folge, daß die Laubhölzer in dem-
ſelben Verhältniß in Abnahme, wie die Nadelhölzer in Zunahme begriffen
ſind. Die Verminderung der Waldfläche in Folge der Ausbreitung des
Feldbaues hat aber offenbar ſchon jetzt einen Einfluß gezeigt auf das
Klima Deutſchlands und namentlich auf den Reichthum der Regennieder-
ſchläge und ſomit der Quellen und der Feuchtigkeit des Bodens. Dieſe
Thatſache, eine Folge der Waldverminderung, wird eben zu einer Folge-
urſache für die Verminderung oder wenigſtens Verſchlechterung des Waldes,
der nun an vielen Orten einen weniger fruchtbaren Boden findet, als
früher, und wir dürfen dieſen Moment nicht vorüber gehen laſſen, ohne
uns wiederholt daran zu erinnern, daß der Beruf des Forſtmannes, deſſen
hohe Aufgabe es iſt, nicht blos Wälder zu benutzen, ſondern auch Wälder
zu erziehen, ein ſchwieriger iſt und im Durchſchnitt mit jedem Jahrzehnt
ein ſchwierigerer wird.

Wenn man die vielerlei Maßregeln des deutſchen Waldbaues über-
blickt, welcher durch die Zerriſſenheit des deutſchen Vaterlandes eben in
ſeinen Maßregeln ein höchſt ungleicher und oft nach entgegengeſetzten
Grundſätzen verfahrender iſt, ſo muß man ſagen, daß ein fortwährender
Kampf zwiſchen Laubhölzern und Nadelhölzern um den Beſitz der Boden-
fläche ſtattfindet. Hier findet man es für nothwendig und am meiſten
Vortheil verſprechend, Nadelwaldungen in Laubholzwaldungen umzu-
wandeln, anderwärts verfährt man gerade umgekehrt.

Vergleicht man diejenige Bodenfläche Deutſchlands und der nördlicher
liegenden Theile Europas, welche die Nadelhölzer einnehmen, mit der-
jenigen, wo die Laubhölzer herrſchen, ſo ergiebt ſich, daß die wenigen
Nadelholzarten einen viel größeren Flächenraum behaupten, als die
viel zahlreicheren Laubholzarten zuſammengenommen.

Wie überhaupt hinſichtlich des Einfluſſes auf die Vertheilung der
Pflanzen auf der Erdoberfläche Seehöhe und geographiſche Breite oft
vollſtändig gleichbedeutend ſind, d. h. dieſelben Pflanzen in einer gewiſſen
Seehöhe wachſen, welche in einer gewiſſen Breite vorkommen, ſo iſt dies
derſelbe Fall auch bei den Bäumen. Die Laubhölzer lieben das Tiefland

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[243/0267] iſt. Dadurch wird der Waldboden immer mehr beſchränkt und da er am meiſten in den fruchtbaren Lagen an Umfang verliert, die Laubhölzer aber im Allgemeinen mehr einen fruchtbaren Ebenen-Boden bedürfen als Nadethölzer, ſo iſt die nothwendige Folge, daß die Laubhölzer in dem- ſelben Verhältniß in Abnahme, wie die Nadelhölzer in Zunahme begriffen ſind. Die Verminderung der Waldfläche in Folge der Ausbreitung des Feldbaues hat aber offenbar ſchon jetzt einen Einfluß gezeigt auf das Klima Deutſchlands und namentlich auf den Reichthum der Regennieder- ſchläge und ſomit der Quellen und der Feuchtigkeit des Bodens. Dieſe Thatſache, eine Folge der Waldverminderung, wird eben zu einer Folge- urſache für die Verminderung oder wenigſtens Verſchlechterung des Waldes, der nun an vielen Orten einen weniger fruchtbaren Boden findet, als früher, und wir dürfen dieſen Moment nicht vorüber gehen laſſen, ohne uns wiederholt daran zu erinnern, daß der Beruf des Forſtmannes, deſſen hohe Aufgabe es iſt, nicht blos Wälder zu benutzen, ſondern auch Wälder zu erziehen, ein ſchwieriger iſt und im Durchſchnitt mit jedem Jahrzehnt ein ſchwierigerer wird. Wenn man die vielerlei Maßregeln des deutſchen Waldbaues über- blickt, welcher durch die Zerriſſenheit des deutſchen Vaterlandes eben in ſeinen Maßregeln ein höchſt ungleicher und oft nach entgegengeſetzten Grundſätzen verfahrender iſt, ſo muß man ſagen, daß ein fortwährender Kampf zwiſchen Laubhölzern und Nadelhölzern um den Beſitz der Boden- fläche ſtattfindet. Hier findet man es für nothwendig und am meiſten Vortheil verſprechend, Nadelwaldungen in Laubholzwaldungen umzu- wandeln, anderwärts verfährt man gerade umgekehrt. Vergleicht man diejenige Bodenfläche Deutſchlands und der nördlicher liegenden Theile Europas, welche die Nadelhölzer einnehmen, mit der- jenigen, wo die Laubhölzer herrſchen, ſo ergiebt ſich, daß die wenigen Nadelholzarten einen viel größeren Flächenraum behaupten, als die viel zahlreicheren Laubholzarten zuſammengenommen. Wie überhaupt hinſichtlich des Einfluſſes auf die Vertheilung der Pflanzen auf der Erdoberfläche Seehöhe und geographiſche Breite oft vollſtändig gleichbedeutend ſind, d. h. dieſelben Pflanzen in einer gewiſſen Seehöhe wachſen, welche in einer gewiſſen Breite vorkommen, ſo iſt dies derſelbe Fall auch bei den Bäumen. Die Laubhölzer lieben das Tiefland 16*

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/267>, abgerufen am 20.05.2024.